Am Mistplatz

Von Martin Lorenz

Am Mistplatz sehe ich, wie Leute völlig neuwertige Sachen wegschmeißen. Im Vergleich dazu kommt mir das Hin und Her, ob mein Zeug mir oder anderen noch nützen hätte können, lächerlich vor. Nein!  Wegschmeißen war die richtige Entscheidung! Ich sollte mir ein Beispiel nehmen an den Mistplatz-Kollegen! Nicht lang hadern. Einfach zum Mistplatz, die Jugend-Schi ZACK, die Computerboxen mit Wackelkontakt ZACK, die alte Matratze ZACK!

Unkompliziert und bequem. Convenient im Englischen.

Stattdessen habe ich all diese Dinge aufgehoben, lange überlegt, ob ich sie nicht doch noch verwenden kann und dann für einstellige Eurobeträge weiterverkauft oder verschenkt.  Ökonomisch ist das sinnlos, zeitlich eine Belastung. Im besten Fall ein Hobby, im schlechtesten ein Zwangsverhalten.

Ich kann nicht gut wegschmeißen. Will nichts verschwenden. Ist wohl die Erziehung. Zuhause wurde der Teller leer gegessen. Den Rest gab‘s am Folgetag. Meine Mutter sammelt Joghurtbecher, Fleischtassen und die Plastikbehälter von der Feinkosttheke. “Das kann man ja noch verwenden”, sagt sie. Ich fand das immer furchtbar, habe ihr Messie-Syndrom im Vorstadium unterstellt.  Heute weiß ich: Sie sieht den Wert der Dinge.

Das macht einen Wahnsinns-Aufwand für jedes Ding, das man besitzt. Dieses Zeug-Management laugt aus. Man will dann weniger, um sich diese Mühe zu sparen. Und kauft man doch mal was, so soll es besser lange halten. Paradoxerweise ist Einkaufen schwieriger, wenn man weiß, was man braucht. Oft genug verlasse ich das Geschäft unverrichteter Dinge und mäßig frustriert, während andere hinter Trauben von Einkaufssackerln verschwinden. Sie leeren Geschäfte und füllen den Mistplatz.  Heute finde ich nicht meine Mutter furchtbar, sondern ein System, das von uns erwartet, laufend Dinge wegzuschmeißen, die man ja noch verwenden könnte. Ein System, das künstlich geschaffene Bedürfnisse mit obsolet geplanten Produkten befriedigen will. Idealerweise schrottig, damit laufend neuer Schrott produziert werden kann. Ein System der Wertlosigkeit.

Für meine Großeltern war das noch anders. Nach dem Krieg haben sie einen Bauernhof aufgebaut.

Sie hatten wenige, aber hochwertige Dinge, die sie wirklich brauchten. Was kaputt ging, wurde repariert.  Alles war wertvoll, weil es einfach nicht viel gab. Die Ressourcen, die uns auf der Erde zur Verfügung stehen, sind endlich. Sie sind wertvoll. Zum Glück sind auch meine Bedürfnisse endlich. Zumindest die echten.

Brauche ich echt eine smarte Waschmaschine mit App-Steuerung? Brauche ich echt einen riesigen, nicht geländefähigen Geländewagen, um allein durch die Stadt zu kurven? Brauche ich, als unter 60 jähriger, echt einen elektro-motorisierten Leih-E-Scooter um von A nach B zu kommen? Diese Dinger sind nach 6 Monaten Schrott.

Ich fahre Rad. Seit 20 Jahren dasselbe. Auf meinem T-Shirt steht “Air & Style 1998”. Ich trage es zum Schlafen, denn dafür kann man es ja noch verwenden. Nachhaltigkeit ist kein hipper, neuer Trend. Wir Menschen haben lange so gelebt. Ressourcen schonen heißt, wieder etwas mehr so zu leben wie unsere Großeltern. Weniger Dinge länger haben. Reparieren statt shoppen. Ressourcen sparen. Geld sparen.  Den Wert der Dinge sehen. Nicht so oft zum Mistplatz gehen.

ZUM AUTOR

Martin Lorenz ist Teil des Studios LWZ für Design & Animation, Mitbegründer von „smarter than car Verein für post-fossile Mobilität und sozial-ökologische Transformation“ sowie Stadtimker über den Dächern Wiens.
smarterthancar.com
www.lwz.studio

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