Architektur der Gegensätze
Im Inneren der „Chesa Valisa“ schlägt ein 500 Jahre altes Herz, und zwar für Tradition und Moderne zur gleichen Zeit. Das geschichtsträchtige Naturhotel in Hirschegg verbindet Nachhaltigkeit und Verantwortungsbewusstsein zu einer stimmigen Symbiose.
Von Karl-Heinz Pichler
Der Tourismus bringt nicht nur Wohlstand ins Land, sondern er hat auch seine Schattenseiten. Etwa in Bezug auf das Bauen. So ist auch das Kleine Walsertal wie viele andere alpinen Regionen architektonisch teils von einem romantisierenden Rustikalismus geprägt. Aber es gibt auch beeindruckende Ausnahmen. Und dazu zählt zweifelsohne das Naturhotel „Chesa Valisa“ in Hirschegg, dessen Kern ein klassisches Walserhaus bildet, das vor über 500 Jahren errichtet wurde.
Verantwortungsvolles Bauen
Die gastronomischen Anfänge der „Chesa Valisa“ datieren in die 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Unter Karoline Schuster verwandelte sich der vormalige Bauernhof damals sukzessive in eine Fremdenpension, die dann Max und Tilli Kessler, eine geborene Schuster, nach dem Zweiten Weltkrieg als Gasthaus weiterführten. Klaus und Sieglinde Kessler übernahmen das Haus 1985 und formten mit ihrer Unternehmensphilosophie daraus „Das Naturhotel“. Das Konzept dafür stammt allerdings nicht von ungefähr. Klaus Kessler war nämlich einer der Ko-Autoren, die anfangs der 1980er für den damals noch fast unberührten Himalaja-Staat Bhutan ein sanftes Tourismuskonzept entwickelten, das auf Nachhaltigkeit und Identitätsbewahrung setzte. In weiser Voraussicht, dass die Zukunft nicht dem Massentourismus gehört, leitete er daraus eine eigene Philosophie für die „Chesa Valisa“ ab. Dass er damit auf die richtige Karte gesetzt hat, beweist die Zeit und die vielen Stammgäste des Hauses. Die von Klaus und Sieglinde Kessler entwickelte Unternehmensphilosophie fusst konkret auf fünf Säulen: Intakte Natur, gesundes Wohnen, bewusste Ernährung, gesunde Vitalität sowie kulturelles und soziales Engagement.
Nach der Übernahme kam es bald zu ersten Umbauten. Mit den grossen baulichen Veränderungen begannen die Kesslers jedoch erst nach der Jahrtausendwende. Initialzündung dafür war unter anderem das Zusammentreffen mit dem Vorarlberger „Baukünstler“ Hermann Kaufmann, der im Rahmen der „Walser Dialoge“ einen Vortrag hielt und der seit damals gleichsam „Hausarchitekt“ der Kesslers ist.
So entstand 2002 ein Zubau, der eine Verbindung zum inzwischen veränderten Altbau herstellte. Der formal reduzierte und in einer Holz-Glas-Konstruktion leicht geschwungene Bau hat dem heterogenen Ensemble zu einer neuen Mitte verholfen. In der Folge kam es fast im Biennalrhythmus zu weiteren baulichen Erweiterungen und Veränderungen, die aber alle dem zentralen Grundsatz von Bauherr Klaus Kessler folgten: „Die Werte, die uns wichtig sind, nämlich einerseits gesunde Ernährung mit wertvollen Lebensmitteln der Region und daraus resultierend eine enge Verbindung mit der heimischen Landwirtschaft, die Verwendung baubiologisch positiver Materialien – nach Möglichkeit aus der Region – sowie eine architektonische Bereinigung und Ökologisierung des gesamten Bestandes wie auch eine harmonische Anfügung der neuen Bauteile,“ sollen sich in der Architektur Kaufmanns widerspiegeln.
Im mittlerweile bereits sechsten Erweiterungsschritt ist das Stammhaus um fast sechs Meter verlängert worden. Dabei wurde unter anderem auch die Bio-Küche des Naturhotels vergrößert und der Service bekam ein großes Backoffice, wodurch das Restaurant entschleunigt und der ehemalige Schankbereich als neuer Buffetbereich gewonnen wurde. Hier gibt Familie Kessler den hochwertigen Bio-Produkten viel Raum, um zu wirken. Die zwei neuen Stuben „Gerberstube“ und das „Kesslers Walsereck“ bringen mehr Sitzplätze und im Winter eine atemberaubende Aussicht direkt auf die Skipiste. An der Aussenfassade ermöglichen Holzlamellen in Kombination mit raumhohen Verglasungen spannende Einblicke und Durchblicke in das Innere.
Authentisch und stimmig
Dass das 500 Jahre alte Herz des Hotels auch heute noch im richtigen Takt schlägt, dafür trägt nicht zuletzt auch die Zusammenarbeit mit der Tischlerei Ritsch bei, die seit nunmehr zwanzig Jahren in Korrespondenz mit der Architektur Kaufmanns für die Möblierung verantwortlich zeichnet. Für Walter Ritsch muss alles authentisch und stimmig sein, vom Möbelstück bis zum Trinkglas. Dazu bedarf es eines völligen Hineinfühlens in das Projekt. Hochqualitatives, perfektes handwerkliches Schaffen gepaart mit Kreativität und der engen Zusammenarbeit mit dem Kunden sind die Ingredienzen, die nach Ansicht von Walter Ritsch die Nachhaltigkeit auch im Innenraum gewährleisten. So ist die gesamte Möblierung maßgefertigt. Es besteht ein Höchstmass an Wiedererkennungswert, das sich durch die gesamte Anlage hindurchzieht.
Wachablöse
Nachdem Klaus und Sieglinde Kessler fast 35 Jahre die Geschicke des Naturhotels bestimmt haben, ist es nun zu einer Wachablöse gekommen. Die Nachfolgegeneration, die Geschwister Magdalena und David Kessler, sind – weiter unterstützt von den Eltern – die neuen Bestimmenden. Sie führen das Haus nun in bereits der 14. Generation. Und sie wollen das Erbe forttragen, indem sie es weiterentwickeln, und zwar vor allem nach innen. Denn laut Magdalena Kessler sei es nicht das Ziel, grösser, sondern besser zu werden. Immer im Hinblick auf die Gäste und die Hotelphilosophie. Nicht umsonst wurde dieses Schmuckstück 2007 als Bio-Hotel ausgezeichnet und gerade erst im vergangenen Herbst zum ersten klimaneutralen Hotel Vorarlbergs gekürt. /
Naturhotel Chesa Valisa
Gerbeweg 18, 6992 Hirschegg
www.naturhotel.at
Ritsch Möbelhandwerk
Schwefel 90, 6850 Dornbirn
www.ritschmoebel.at