Begeisternd laut und fröhlich undiplomatisch

Foto Cornelia Hefel

Matthias Ammann, das Gesicht zur „vorarlberger holzbau_kunst“, erzählt anlässlich seines Abschieds über seine Laufbahn, die vielen Menschen, die er getroffen hat, und die unzähligen Wege, die er auf und ab gerannt ist, um die frohe Botschaft vom Holzbau mit messianischem Eifer zu überbringen.

Von Robert Fabach

Urknall

Matthias, du bist so untrennbar mit dem Holzbau verbunden, kommst aber gar nicht unmittelbar aus diesem Bereich. Was sind deine Wurzeln?

Matthias Ammann: Ich bin Urbludenzer mit einer Trienter Mutter und war zuerst Jurist. Anfangs am Bezirksgericht, dann als Notariatsanwärter. Eine schöne Arbeit, aber ich brauchte mehr Wirbel. Stillsitzen und brüten war nicht meins. 1968 in der Wirtschaftskammer gelandet, suchte man irgendwann im Jahre 1996 einen „Erfahrenen“, der Ruhe in eine damals uneinige Zimmererinnung bringen sollte. Ich war Mitte dreißig, hatte eine Familie und zwei Kinder und gerade mit Bruno Spagolla ein Haus gebaut – ein Massivhaus übrigens – und fing nun dort mit 10 Innungen und 25 Berufsgruppen an.

Das waren für mich erst mal Dachstuhlfabrikanten, und ich stellte dann fest: Die machen ja ganze Häuser aus Holz. Heutzutage! Ich habe dann tolle junge Zimmerer, wie Julius Berchtold, Herbert Brunner und andere, kennengelernt. Die waren frisch im Betrieb und hatten mit Architekten zusammengearbeitet, die den Holzbau neu dachten. Ausgegangen war der moderne Holzbau ja von der Architektur, von den Urvätern wie Hans Purin, Rudolf Wäger, Jakob Albrecht, den „Kaufmännern“ mit Urvater Leopold und einigen mehr. Mir hat gefallen, was die Jungen bauten, und im Oktober 1996, nach einer fulminanten Impulsveranstaltung zum Holzbau bei Sohm in Alberschwende – moderiert von Marianne Mattis von den VN – saßen wir in der Taube zusammen und uns war klar: Da geht mehr, und das machen wir jetzt.

„Good News“ vom Holzbau

Im Dezember 1996 saßen wir abermals mit einer Runde Zimmerer zusammen und Eckart Drössler vom Energieinstitut lobte die Vorteile des ökologischen Bauens. Dann erzählte Julius Berchtold von einem Preis, mit dem in Kärnten das Haus seines Bruders gewürdigt worden war. Alle: „Das ist es, wir machen einen Holzbaupreis – nur für Häuser aus Holz!“ Ich schlug das dem Innungsmeister Helmut Böhler vor. Wir hatten ein Budget zusammengestellt von rund 500.000 Schilling, ein Betrag, der noch in der Kassa war. Er hat mich nur gefragt: „Ist das gut, was ihr da machen wollt?“ – „Ja, das ist gut.“ – „Dann macht das!“ Das war ein historischer Moment.

Historisch – die Geburtsstunde des Vorarlberger Holzbaupreises, der dann vieles in der öffentlichen Wahrnehmung in Bewegung gebracht hat?

Es gab erst mal Ideen und Begeisterung, und dafür brauchte es einen Rahmen. Dieser erste Holzbauarchitekturwettbewerb war dann auch ein Wahnsinnsfest im Kulturhaus in Dornbirn. Eine richtige Gala. Alle waren verwundert: Was ist da los bei den Zimmerern?! Das hat gleich international Wellen geschlagen, vor allem durch die dazu erschienene VN-Broschüre. Wir waren einfach eine begeisterte „Bande“, die losgestürmt war und mittlerweile im Jahr 2025 die 16. Auflage, stetig weiterentwickelt, organisieren wird.

Begeisterte Unrast

Du hast dich dann nicht auf Vorarlberg beschränkt?

1998, nach den ersten beiden Holzbaupreisen, erkannten wir, dass es neben der Begeisterung dringend eine Verbesserung der baurechtlichen Rahmenbedingungen für den Holzbau braucht. Der Holzbau wurde damals von den Baumeistern als neue Konkurrenz gesehen und von der Beamtenschaft weitgehend abgelehnt: „Zwa Stockwerk dürfen ihr eh macha und me bruchen ihr net!“

Es brauchte den Weg auf die nationale Ebene. Gleichzeitig kam Kritik von Zimmererfunktionären aus anderen Bundesländern, die uns wortwörtlich „den Untergang des Holzbaus“ vorwarfen: „Ihr vergewaltigt den Baustoff! Man darf solche Kisten nicht bauen.“

1999 finanzierte Bundesinnungsmeister Max Dallago eine Vortragsreise, in der Eckart Drössler und ich alle neun Landesinnungen besuchten und unsere Arbeit vorstellten. Wir hatten einen VW-Bus, Präsentationstafeln und einen Stapel Architekturmodelle unserer Preisträger. Danach haben sich in allen Bundesländern einige Zimmerer auf den Weg gemacht. Zum damals erfolgreichen „Holz-Marketing“ von „proholz“ kam von unserer Seite das reine Holzbau-Marketing. 2001 gründeten wir „Holzbau Austria“ als freien Verband aller österreichischen Zimmerermeister. Meine Aufgaben dort sind bis heute Strategie, Kommunikation und Verbandsmanagement. Das Vorarlberger Modell einer erfolgreichen Branchenarbeit mit zwei eng verbundenen Säulen wurde im Laufe der Jahre weitgehend auf ganz Österreich übertragen. Zu Landes- und Bundesinnung kamen die „holzbau_kunst“ und „Holzbau Austria“ hinzu.

Stehenbleiben heißt untergehen

Du hattest aber auch immer wieder ordentlich mit Gegenwind zu kämpfen?

Schon früh hatten die Baumeister begonnen, sich zu sammeln. „Finger weg von den Häusern!“, wurde ich am Telefon angeschrien. Vieles verlief in Kammer und Politik informell. Nach außen wurde mit einer riesigen „Bau-Massiv-Kampagne“ oft äußerst unfair gegen den Holzbau vorgegangen. David gegen Goliath. Wir mussten schneller, lustiger, sympathischer und humorvoller sein. Das war unsere Chance. Ein Beispiel: Aus der Steiermark erfuhren wir von der Öko-Kampagne der Betonlobby mit dem „3-Liter-Haus“. Wir haben daraufhin gleich eine Pressekonferenz in der Wirtschaftskammer organisiert: „Das 3-Liter-Haus ist da und es ist aus Holz.“ Das war unsere Guerillataktik.

Du hast dann zwar als Geschäftsführer die Zahl der Innungen reduziert, aber durch die Ausweitung auf nationale und später internationale Ebene deine Agenden trotzdem ausgeweitet. Und du hast auch persönliche Grenzen erlebt.

Bis 2004 habe ich in Vorarlberg nur noch drei Innungen und die „holzbau_kunst“ betreut. Dann habe ich wegen diverser kammerpolitischer Einflussnahmen schweren Herzens gekündigt. Ich war nun selbstständig, hatte aber doch mehr als genug zu tun.

Es gab Verbandsarbeit für die „holzbau_kunst“ und 2005 kam die Bundesinnung Holzbau dazu, wo ich meine früheren Agenden nun freiberuflich einbrachte. Dazu kam die freiberufliche Mitarbeit bei der Werbeagentur „Flatz, Jutz & Mätzler“, unter anderem bei der Kampagne „Vorarlberg isst“. Eine gute Zeit, aber 2007 musste ich diese Zusammenarbeit zugunsten der zunehmenden Spezialisierung „Verbandsmanagement“ beenden. Einzigartig ist auch der Verband der „Venstermacher“. Ab 2008 durfte ich diese Gruppe von Tischlern betreuen, die sich voll und ganz dem hochwertigen Holzfensterbau verschrieben haben. Gute Ziele ausmachen, Leute zusammenbringen und zur Zusammenarbeit motivieren, Geld auftreiben und die Zukunft gemeinsam gestalten – das sind meine Leidenschaften.
Allerdings ging die viele Arbeit in so vielen Bereichen nicht spurlos an mir vorbei. 2007 und 2014 schlitterte ich dann in eine Art Burn-out. Ich hatte zweimal Glück, rasch und weitgehend unbeschadet zurückzufinden. Das waren wichtige Lektionen.

Es geht weiter

Zurück zum Holzbau. Es gab eine ständige Weiterentwicklung und das mit sehr vielen Nebenagenden. Nach dem Aufbau einer Landesorganisation, der Mitbegründung der „Holzbau Austria“ auf Bundesebene und dem Weg in die EU arbeitest du jetzt auf allen drei Ebenen?

Das war einfach auch notwendig. Entscheidungen wurden zu guter Letzt immer mehr in der EU gefällt. Daraus entwickelte sich dann die TCE, die „Timber Construction of Europe“, und fand mit Hans Ruppli, der den Schweizer Holzbau genial aufgestellt hat, den großartigsten und wichtigsten Mitstreiter. Rückblickend muss ich sagen, ich hatte die richtigen Partner und die Chance, mit vielen begeisterten Menschen zusammenzuarbeiten. Vieles ist entstanden. Ich durfte viele Bühnen bauen. Und nicht alles ist gelungen, wie etwa der „Campus der Regionalität“ oder meine Vorhaben als Wirtschaftsbunddirektor.

Deine größten Schwächen?

Meine Emotion und Ungeduld, wenn Bürokratie oder Eigennutz das Gute blockieren. Manches war dann zu laut oder undiplomatisch, das war nicht immer klug. Aber ich mag mich auch für Fehler entschuldigen. Sonst finde ich selbst keine Ruhe. Meine Nachfolge ist geregelt. Wolfgang Mair, ein in Tirol und Vorarlberg lebender und ausgezeichnet vernetzter Jurist, übernimmt meine Agenden in der „holzbau_kunst“, in der „Holzbau Austria“ und in der TCE. Bei den „Venstermachern“ sind wir auf gutem Weg.

Doch Ruhe gibt es auch jetzt nicht. In Sachen Kulinarik und Slowfood Vorarlberg gibt es einige Ideen. Ich werde viel lesen, meine Posaune öfter herausholen, und über meine Zucht von Montafoner Steinschafen haben wir noch gar nicht geredet.

Matthias Ammann als Lukullus und Hirte, ein idyllisches Bild. Und überhören werden wir dich weiterhin nicht. Na, dann: Alles Gute!


Als Einzelheft oder Abo erhältlich


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