Circular Brands – Marken der Zukunft

Illustration: Jörg Schorn
Vom Wassermelonen-Schneidegerät über Nudelsalz-Drops und Raumspray mit Pizza-Salami-Duft bis hin zur Anti-Schlupflid-Brille – durch Online-Versandriesen wie Amazon, AliExpress oder Temu werden europäische Märkte geradezu geflutet mit immer neuen, günstigen – und völlig überflüssigen – Artikeln. Der Druck, selbst in übersättigten Märkten noch neue Kaufanreize zu schaffen, führt zu immer absurderen Auswüchsen. Doch es gibt Hoffnung auf einen Richtungswechsel. Von Lena Papasabbas
Neue Trends für übersättigte Märkte
Produkte zu vermarkten, die die Lebensqualität der Käuferschaft gar nicht erhöhen, funktioniert nur über das Wecken von künstlichen Sehnsüchten und Begehrlichkeiten. Das beste Beispiel ist die Fashion-Industrie, die es geschafft hat, den Kauf von Kleidung fast vollständig von dem ursprünglichen Bedürfnis zu entkoppeln, sich vor Wind und Wetter zu schützen. Immer neue Moden und Trends sorgen für immer neue Begehrlichkeiten – und immer mehr Konsum. Vor allem die Fast-Fashion-Industrie bestärkt die Huldigung des Neuen durch immer mehr und schneller getaktete Kollektionen und im Übermaß produzierte Billigware als Wegwerfprodukte. Die Folgen dieses ungebremsten Wachstums für den Planeten sind bekannt.
Wir leben in einer Gesellschaft und vor allem in einer Wirtschaft, in der das Neue grundsätzlich als das Bessere gilt. Auch viele andere Branchen profitieren von diesem Zeitgeist, der das Neue per se als erstrebenswert betrachtet. Vor allem in der Tech-Welt erzeugt die Kombination aus aufwändigem Marketing und dem Zelebrieren jeder kleinen Neuerung als bahnbrechende Innovation furchtbare Folgen für Mensch und Umwelt: menschenunwürdige Arbeitsbedingungen in Minen und Fabriken, Mikroplastik in den Gewässern, Müllberge und schwindende Ressourcen …
Gut: besser als neu
Doch in allen Bereichen zeigen Gegenbewegungen einen Wandel im Zeitgeist an. Die neuen Slow-Fashion- und Secondhand-Märkte, der Protest gegen nicht reparierbare elektronische Geräte und neue Gesetzgebungen gegen geplante Obsoleszenz (also eine absichtlich verkürzte Lebenszeit von Produkten) zeigen ebenso einen Richtungswechsel an wie der Aufstieg minimalistischer Lebensstile und die beträchtlichen Umweltbewegungen der letzten Jahre.
Immer mehr Menschen sind immer kritischer und besser informiert, was den Einfluss von Unternehmen auf Gesellschaft und Natur angeht. Vieles spricht deshalb dafür, dass sich die Anzahl an Marken, deren Businessmodell auf dem Hervorrufen und Kultivieren künstlicher Bedürfnisse beruht, künftig verringern wird. Angesichts des drohenden Klimawandels, schwindender Ressourcen und der nahenden Umweltkatastrophen ist das Prinzip der Wachstumsmaximierung um jeden Preis ein Auslaufmodell. Doch wie müssen sich Marken künftig aufstellen, um zukunftsfähig zu sein?
Die Lösung für viele Unternehmen liegt in der systemischen Einbettung ihres Geschäftsmodells in wirtschaftliche und ökologische Kreisläufe.
„Circular Brands“: Pioniere der Kreislaufwirtschaft
Für Marken bedeutet dies ein Umdenken: weg von blindem Innovationismus und linearem Wachstumsparadigma, hin zu Kreislaufdenken und langlebiger Qualität. Das Konzept von Systemen, die auf Kreisläufen basieren und ihr Denken und Handeln langfristig auf Produkt- und Lebenszyklen ausrichten, gewinnt derzeit immens an Popularität.
Im Konzept der Kreislaufwirtschaft gehen Unternehmen über ihre direkte Wertschöpfung hinaus und beziehen soziale sowie ökologische Werte in ihr Handeln ein. Es gibt durchaus traditionsreiche Firmen wie „Waldviertler“, „Think!“ oder „Grüne Erde“, die eine ganzheitliche Wertschöpfung von Anfang an in ihrer Unternehmens-DNA verankert haben. Doch die meisten großen Marken beginnen gerade erst, die Themen Kreislaufwirtschaft, Langlebigkeit und Reparierbarkeit ernst zu nehmen. Viele Start-ups sind bereits einen Schritt weiter und zeigen, wie erfolgreiches zirkuläres Denken und Handeln aussehen kann.
Das Start-up „Brewbee“ zum Beispiel ist eine Food-Upcycling-Marke der Appenzeller Brau-
erei Locher, die Biertreber als alternative pflanzliche Proteinquelle nutzt. Biertreber enthält als Nebenprodukt der Bierbrauerei viele gesunde Inhaltsstoffe und ist zudem sehr proteinreich. Durch die Weiterverwendung stellt das Unternehmen unter anderem Pizza, Chips, Müsli sowie eine pflanzliche Hackfleischalternative her. So wird ein „Abfallprodukt“ zur Grundlage eines neuen Produktzyklus. Ähnlich funktioniert das Geschäftsmodell des Schweizer Unternehmens „Freitag“: Es stellt Taschen und Accessoires aus ausrangierten Lastwagenplanen her – so ist jedes Produkt zusätzlich extrem robust und ein Unikat.
Die schwedische Outdoor-Marke „Houdini“ ist eine weitere „Circular Brand“: Sie bietet lebenslange Garantie auf ihre Funktionskleidung und verfolgt eine konsequente „Rental, Reuse & Repair“-Strategie, sodass überhaupt kein Müll entsteht. Auch „Mended“, ein junges Unternehmen aus den Niederlanden, strebt die Verlängerung von Produktlebenszyklen im Bekleidungsmarkt an. Ziel ist es, Neukäufe von Kleidung zu vermeiden: Ihr nutzerfreundlicher Reparatur-Service bewegt Menschen dazu, ihre Kleidung reparieren und aufarbeiten zu lassen, anstatt sie zu entsorgen.
Es geht also darum, Ressourcen zu schonen, Abfall zu minimieren sowie Produkte und Materialien möglichst lange im Nutzungskreislauf zu halten. Güter und Nebenerzeugnisse werden weiterverwertet, recycelt oder in völlig neue Produktkreisläufe integriert. Diese Kreislaufsysteme sind eng mit innovativen Logistik- und Vertriebskonzepten verbunden und erfordern oft eine Neugestaltung des Verpackungs- und Nutzungserlebnisses.
Brands for Future
Das ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern macht Unternehmen auch langfristig resilient. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen sich Unternehmen künftig damit auseinandersetzen, wie sie mit Ressourcenmangel, Abfall und fragilen Lieferketten umgehen wollen. Gerade in Zeiten von Krisen und Umbrüchen bilden Kreisläufe die beste Grundlage für nachhaltig resiliente Geschäftsmodelle.
Indem Zirkularität zum Markenkern wird, übernehmen Unternehmen eine zentrale Verantwortung für den Wandel hin zu einer ökologisch verträglichen Wirtschaft. Das verändert auch die Rolle des Marketings: Seine Aufgabe ist dann nicht mehr möglichst emotionale Content-Welten um Produkte und Dienstleistungen zu „erfinden“, die weder Mensch noch Umwelt nützen – sondern das Innen und Außen einer Marke wieder authentisch zu verbinden.

Mehr zum Thema Marken und Marketing der Zukunft gibt es im „Future:Guide Marketing – Neue Wege für Marken von morgen!“ von „The Future:Project“.
Mehr zum Thema Marken und Marketing der Zukunft gibt es im „Future:Guide Marketing – Neue Wege für Marken von morgen!“ von „The Future:Project“.