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Interview mit der Regisseurin Teresa Distelberger
Von Mirela Jasic

Wenn man sich deinen Lebenslauf ansieht, dann sieht man, dass du schon so viele unterschiedliche Projekte gemacht hast: von Ledertaschendesign zur Projektleiterin für kompostierbare Druckprodukte über Moderation zu Film und Kunst. Gibt es für dich ein übergeordnetes Ziel, dass du mit deinen Arbeiten verfolgst?
In der Zeit zwischen 20 und 35 Jahren habe ich sehr viele unterschiedliche Dinge gemacht. Es ging oft Zick Zack, aber aus der Lebenssituation und aus der Neugierde heraus haben sie für mich immer Sinn gemacht. Ich habe mir das nicht so vorgenommen.
Erst so Mitte 30 haben mehrere dieser Fäden angefangen zusammenzulaufen. Mittlerweile ist es für mich klar, dass ich Kunst machen will und dass ich von diesem Platz der Kunst aus die Gesellschaft mitgestalte.
Was sicher sehr wichtig war, ist, dass ich an diesem Übergang der Lebensphasen einen Permakulturkurs gemacht habe und im Zuge meines Abschlussprojektes beschlossen habe, dass ich die Prinzipien der Permakultur auf meine Selbstständigkeit übertragen und umsetzen möchte. Dieser Zugang begleitet mich seither sehr stark. Auch wenn es von außen aussieht wie Kraut und Rüben, weiß ich, dass es da Symbiosen und Energiekreisläufe gibt. Ich weiß, dass es Themen gibt, die zusammenhängen und auf unterschiedliche Art und Weise weiterverarbeitet werden. Ich weiß, welche Pflanzen lang brauchen, um zu wachsen und welche kleinen Pflänzchen ich schnell hochziehen kann, wenn ich zwischendurch einmal Zeit habe. Das hat also für mich eine Art innere Ordnung und das zu wissen, entspannt mich sehr.

Auf mich wirkt es so, als sei ein wesentlicher Antrieb in deinen Arbeiten jener, etwas zu verändern?
Ja, das macht mir Spaß (lacht).

Wie findest Du die Themen, mit denen Du dich in deinen Arbeiten befasst?
Ich glaube, es ist zum einen eine große Portion Neugierde und dann zum anderen eine Art innerer Kompass. Es gibt da so eine Kompassnadel, die bei Themen, mit denen ich Resonanz habe, ganz stark ausschlägt. Manchmal ist es auch die Freude daran, komplexe Inhalte in eine etwas leichtere, überschaubare Form zu bringen, so dass sie diskutierbar werden. Gerade was meine Dokumentarfilme betrifft, ist diese Motivation etwas, das mich stark leitet.

Sollen Dokumentarfilme deiner Meinung nach eher Fragen stellen oder auch Lösungen präsentieren?
Ich glaube, es gibt ganz viele unterschiedliche Stile im Dokumentarfilm und die haben alle ihre Berechtigung. Meine Erfahrung ist, dass ich einen Film immer mehrmals mache und sich während des ganzen Prozesses sowohl die Fragen weiter herauskristallisieren als auch die Lösungen, die der Film vermitteln kann. Einmal habe ich die Idee, recherchiere die Menschen und Themen. Dann macht sich der Film nocheinmal, wenn wir ihn drehen, ich hinfahre und die Menschen das eine oder andere sagen. Das dritte Mal ist, wenn wir dann im Schneideraum sitzen und ich 100 Stunden Filmmaterial habe und wir daraus einen Film von 75 Min. machen –wie im Fall von „Rettet das Dorf“. Ein weiteres Mal schärfen sich Fragen und Lösungen in Gesprächen mit dem Publikum.
Dokumentarfilme machen ist immer subjektiv. Man hätte aus dem Material auch zehn andere Filme machen können, mit einer anderen Aussage und einem anderen Rhythmus. Man hätte andere Orte und Menschen aussuchen können. Ich greife beim Filmemachen eine Perspektive aus der Wirklichkeit heraus und bringe sie zurück in die Wirklichkeit, wo sie wirken kann. Das ermöglicht neue Perspektiven. Das finde ich sehr spannend. Darum hat mich der Dokumentarfilm auch immer mehr angezogen als der Spielfilm.

Wie waren die Reaktionen beim Film „Rettet das Dorf“?
Durchwegs sehr positive Reaktionen. Wir hatten den Film ja nur zwei Wochen im Kino vor dem Lockdown. Dadurch ist es so, dass ich den Film mittlerweile nur zeige, wenn jemand ein Filmscreening organisiert, vielleicht im Pfarr- oder Gemeindesaal oder im kleinen Kino vor Ort und danach diskutiert wird.
Es ist jedenfalls aber sehr spannend, in den Gesprächen mit den Menschen zu sehen, was jeder einzelne Ort braucht. Da kann kein Film Lösungen für alle anbieten. Aber das, was so ein Film vielleicht leisten kann, ist, dass er einen Anlass bietet, dass Menschen aus dem Haus gehen, sich physisch an einen Ort begeben, dass es einen gemeinsamen Fokus auf ein gemeinsames Thema gibt und dass dabei der Impuls entsteht, danach gemeinsam an dem Thema dranzubleiben.

Würde sich die Geschichte von „Rettet das Dorf“ nach der Pandemie anders erzählen lassen? Hat sich an der Problematik etwas geändert?
Es gibt drei Veränderungen, die ich durch die Pandemie wahrgenommen habe: Einerseits hat das Thema Homeoffice einen riesengroßen Aufschwung genommen. Niemand in der Welt, jedenfalls keine Regierung, hätte es jemals geschafft, einen Crashkurs für Videokonferenzen für die komplette Bevölkerung durchzuführen.
Das Zweite ist, dass manche Menschen dazu inspiriert worden sind, sich selbst zu versorgen. Ich weiß jedoch nicht, wie nachhaltig dieser Impuls ist.
Und das Dritte ist, dass es noch mehr Zweitwohnsitze am Land gibt als zuvor. Das ist jedenfalls ein eigenes Thema, bei dem man hinschauen und sich fragen muss: Wie ist das Verhältnis zwischen den Zweitwohnsitzlern und den Menschen innerhalb der Ortsgemeinschaft? Was fließt dabei in den Ort? Dazu muss man wissen, dass die Gemeinden kein zusätzliches Geld für Menschen, die einen Zweitwohnsitz gemeldet haben, bekommen und trotzdem aber die Infrastruktur und das soziale Leben aufrechterhalten. Das ist sicher eine Problematik, die noch ungelöst ist.

Der Film „Die Zukunft ist besser als ihr Ruf“ ist ja ein sehr optimistischer. Betrachtest du dich als einen optimistischen Menschen und woraus ist dieser positive Blick auf die Welt in dem Film entstanden?
Der Film „Die Zukunft ist besser als ihr Ruf“ ist aus einem Impuls von Produzent Michael Kitzberger entstanden. Er hat verschiedene Regisseurinnen und Regisseure eingeladen, Menschen zu interviewen, die sie inspirieren, und ich war gemeinsam mit meiner Regiekollegin Nicole Scherg eine davon. Ich habe ihm dann gemeinsam mit dem Dramaturgen Wolfgang Widerhofer über ein paar Jahre hinweg geholfen, den Film zusammenzufügen. In unseren vielen gemeinsamen Gesprächen dazu waren ganz stark die Fragen: Was gibt es außer Jammern? Was geht? Das ist die Energie, mit der ich mein Leben verbringen will. Ich weiß nicht, ob ich deswegen ein optimistischer Mensch bin im Sinne von „Es wird alles gut ausgehen“. Ich habe das Gefühl, dass ich schon auch einen realistischen oder auch einen besorgten Blick auf die Zukunft habe. Aber wenn es darum geht, einen Film zu machen und einen Impuls zu setzen, dann möchte ich Menschen vielleicht genau an der Stelle kitzeln, an der sie eventuell gerade möglicherweise bereit wären, einen kleinen Schritt in ihrem Leben zu machen, der in die Richtung geht, dass sie sich mit ihrer eigenen Gabe und ihrem eigenen inneren Kompass verbinden. Der ihnen vielleicht auch zeigt, was sich falsch anfühlt in dieser Welt, um dann aus der Wut, der Traurigkeit oder Sehnsucht heraus sich zu fragen, was so ein nächster Schritt sein kann und wie man die Welt eigentlich gerne hätte.

Hast du für dich selbst ein Lebensziel, das du dir gesetzt hast?
Ich habe mir mit 12 oder 13 Jahren die Frage gestellt: „Was will ich im Leben erreichen?“ Ich bin die Optionen innerlich durchgegangen und was dann schlussendlich übriggeblieben ist, war die Vorstellung, dass ich eines Tages eine alte weise Frau sein möchte, die in einem Schaukelstuhl sitzt und viele Geschichten zu erzählen hat, die sie selbst erlebt hat. Da bin ich auf einem ganz guten Weg dahin, glaube ich.


Rettet das Dorf
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Foto Wolfgang Bohusch

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