Der Feinkostladen Europas
Bild: Christina Mutenthaler-Sipek, Foto Ursular Röck
Die Entwicklung des Biosektors in Österreich
In den letzten 30 Jahren schafften Bioprodukte den Sprung aus der Nische in den Alltag der Österreicherinnen und Österreicher. Trotz zahlreicher Herausforderungen bleibt der Biosektor weiterhin stabil. Doch wie hat sich Bio im Laufe der Zeit verändert, welche Trends und Chancen zeichnen sich ab und welche Schlüsselrolle spielt das AMA-Biosiegel dabei?
Von Nadine Pinezits
1927 wurde der erste österreichische Bio-Landwirt registriert. Heute bewirtschaften mehr als 25.000 Betriebe rund ein Viertel der gesamten landwirtschaftlichen Fläche biologisch. Dieses beeindruckende Wachstum zeigt, wie sich Bio aus dem Randbereich zu einem zentralen Bestandteil des österreichischen Agrarsektors entwickelt hat. „Vor einigen Jahrzehnten war Bio in Österreich noch weitgehend unbekannt und galt als teuer, alternativ und elitär. Heute sind Bioprodukte in der breiten Bevölkerung angekommen“, betont Christina Mutenthaler-Sipek, Geschäftsführerin der AMA-Marketing GesmbH. Mittlerweile kaufen 97 Prozent aller Österreicherinnen und Österreicher zumindest einmal im Monat ein Bioprodukt, der Marktanteil liegt bei 11,5 Prozent. Österreich wird sogar oftmals als „Bioland Nummer eins“ bezeichnet, was die wesentliche Rolle des Landes im europäischen Raum unterstreicht. Diese Entwicklung ist stark auf die Zusammenarbeit von Landwirtschaft und Politik zurückzuführen. „Die heimische Landwirtschaft hat sich konsequent weiterentwickelt, während die Politik durch gezielte Förderungen entscheidende Rahmenbedingungen geschaffen hat“, erklärt Mutenthaler-Sipek. Auch der Lebensmitteleinzelhandel war maßgeblich am Wandel beteiligt. Während Bioprodukte früher vor allem in Reformhäusern oder Naturkostläden angeboten wurden, leitete die Einführung der Marke „Ja! Natürlich“ des REWE-Konzerns im Jahr 1994 eine neue Ära ein. „Mit dieser ersten großen Handelsmarke wurde Bio für die breite Bevölkerung in Österreich zugänglich und etablierte sich als fester Bestandteil im Lebensmittelsortiment“, fügt die AMA-Marketing-Geschäftsführerin hinzu.
Mehr Bio, mehr Qualität, mehr Durchblick
Kurz davor im selben Jahr wurde auch das AMA-Biosiegel ins Leben gerufen, es feiert dieses Jahr sein 30-jähriges Bestehen. Neben dem EU-Bio-Logo ist es das einzige staatlich anerkannte Siegel für Bio-Lebensmittel in Österreich. Nach dem Motto „Strenger als das Gesetz“ übertreffen die Vorgaben des Siegels die Standards der EU-Bio-Verordnungen. Sie gewährleisten nicht nur eine herausragende Lebensmittelqualität und 100 Prozent biologische Rohstoffe, sondern beinhalten auch zusätzliche Umweltstandards und eine verlässliche Nachverfolgbarkeit der Produktherkunft. „Die Einführung des Biosiegels erforderte zunächst einiges an Überzeugungs- und Aufklärungsarbeit. Wir mussten Betriebe gewinnen und ein Qualitätssicherungs- und Kontrollsystem aufbauen“, erklärt Mutenthaler-Sipek. Zudem war es entscheidend, Partner im Vertrieb und Handel zu finden. „Wir mussten definieren, wofür unser Siegel eigentlich steht, diese Werte nach außen kommunizieren und Bekanntheit schaffen“, fügt sie hinzu. Mittlerweile kennen 64 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher das AMA-Biosiegel. 209 Be- und Verarbeitungsbetriebe mit 298 Betriebsstätten sind in das Programm eingebunden (Stand: 2023). Die Teilnahme steht Betrieben in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union unterschiedslos offen. Die Produkte werden dabei mit den entsprechenden Landesfarben gekennzeichnet. Das rot-weiße AMA-Biosiegel mit der Angabe AUSTRIA wiederum garantiert Österreich als Herkunftsland der landwirtschaftlichen Rohstoffe und auch als den Ort der Be- und Verarbeitung.
Bio muss regionaler werden
Trotz des stabilen Marktanteils biologischer Produkte und eines erhöhten Absatzes (im ersten Halbjahr 2024 stieg dieser um 1,8 Prozent) steht der Biosektor einigen Herausforderungen gegenüber. Eine der größten ist die Konkurrenz durch billige Bioimporte aus dem Ausland. Diese Produkte, die oft aus Ländern mit niedrigeren Produktionsstandards kommen, setzen die österreichischen Bio-Landwirtschaftsbetriebe unter Druck. Es entsteht vor allem auch die Frage: Wie nachhaltig kann ein Bioprodukt sein, das tausende Kilometer transportiert wird? Die AMA-Marketing sieht sich hier verantwortlich, das Bewusstsein der Konsumentinnen und Konsumenten zu schärfen, dass Bio nicht automatisch regional bedeutet und dass es große Unterschiede in den Standards gibt. „Das rot-weiße AMA-Biosiegel hat hierbei ein riesiges Alleinstellungsmerkmal“, erklärt Christina Mutenthaler-
Sipek. „Man kann sicher sein, dass es sich um 100 Prozent hochwertige Bio-Qualität handelt, die unabhängig kontrolliert wurde und aus Österreich stammt. Es ist ein regionales Bio, das wir hier haben.“ Neben der Regionalität ist laut der AMA-Marketing-Geschäftsführerin die verstärkte Verankerung von Bioprodukten im öffentlichen Sektor essenziell für die Zukunft von Bio. „Wir müssen sicherstellen, dass Bioprodukte auch in Schulen, Krankenhäusern und der Gastronomie eine größere Rolle spielen“, betont Mu-tenthaler-Sipek. Dabei muss der Fokus auf der Integration regionaler Rohstoffe liegen, um die Wertschöpfung im Inland zu stärken – vor allem auch bei den immer gefragteren pflanzlichen Produkten (Stichwort Soja und Erbsenprotein). Im April 2023 wurde daher eine umfassende Transparenz- und Qualitätssoffensive gestartet, die durch klare Kommunikation und digitale Interaktivität geprägt ist. Die Abteilung für digitale Kommunikation wurde dafür erweitert. Veranstaltungen wie das Genussfestival in Wien ermöglichen es den Menschen, Bioprodukte zusammen mit Landwirtinnen und Landwirten zu erleben. In Schulen steht die AMA Bio-Volksschulaktion im Fokus, an der heuer 7.500 Kinder teilnahmen. Denn der Erfolg des Biosektors in Österreich hängt letztlich nicht nur von den Konsumentinnen und Konsumenten ab, sondern von einem gemeinsamen Bewusstsein für nachhaltige Landwirtschaft – sowohl in privaten Haushalten als auch auf institutioneller Ebene. „Wir haben in Österreich die Chance, Bio weiter voranzubringen und es als echten Standard in der Lebensmittelproduktion zu etablieren, um so am Ende wirklich der Feinkostladen Europas zu werden.“
Weitere Informationen: amainfo.at
AMA-BIOSIEGEL
- 100 % biologische Zutaten –überwiegend aus anerkannten landwirt- schaftlichen Qualitätssicherungssystemen
Mehr Bio durch:
- Natürliche Produkte durch strenge Vorgaben bei der Verarbeitung, z.B. nur natürliche Aromen und deutlich reduzier- ter Einsatz von Zusatzstoffen
- Verzicht auf Palm(kern)öl
- Umweltfreundliche Verpackungsarten (z.B. keine PVC-Verpackungen)
Mehr Qualität durch:
- Strenge mikrobiologische und chemisch- physikalische Kontrollanalysen
- Produktanalysen und sensorische Überprüfungen
- Nachvollziehbarkeit von Rohstoffen und Betriebsmitteln
- Hohe Hygienevorschriften für die Produktion
Wie und wie oft wird bei Bio kontrolliert?
In der Landwirtschaft:
- mindestens einmal jährlich durch akkreditierte Bio-Kontrollstellen
Bei den Verarbeitern: - Kontinuierliche Eigenkontrollen und Dokumentation durch den Betrieb (Pro- duktanalysen, HACCP, gute
Herstellungspraxis) - mindestens einmal jährlich externe Kontrollen durch unabhängige Bio-
Kontrollstellen - Überkontrollen durch die AMA (Kontrolle der Kontrolle) bzw. von ihr beauftragte Kontrollstellen.
Beispiel-Kontrollen bei Bio-Milch beim Landwirt: - Bio-Futtermittel (landwirtschaftliche biologische Bewirtschaftung der
Futterflächen) - Haltungsbedingungen (Gruppenhaltung etc.), Stallkontrolle
Kontrollen des Transports: - Trennung der Bio-Milch von konven-
tioneller Milch (getrennte Kammern)
Kontrollen der Molkerei: - Trennung zwischen konventioneller und biologischer Milch, Hygiene, HACCP,
Laboruntersuchungen,
ordnungsgemäße Kennzeichnung