„Der Tag hat auch für mich nur 24 Stunden“

Luca Celine Müller ist Fotografin, Musikvideomacherin und Musikerin in Wien. Ein Gespräch mit der gebürtigen Vorarlbergerin über Kunst als 24-Stunden-Job, das Wort „Brotberuf“ und darüber, wie man Bilder „ghörig“ aufhängt.
Text und Foto von Wolfgang Paterno

Luca Celine Müller, geboren 1996 in Götzis, lebt und arbeitet seit neun Jahren als Fotografin und Musikerin in Wien. Auf dem Umweg über Argentinien bekam Müller, Absolventin des Studienzweigs „Angewandte Fotografie & zeitbasierte Medien“ an der Universität für angewandte Kunst Wien, den Auftrag, ein Musikvideo und ein Albumcover für die aus dem Burgenland stammende und mittlerweile in Berlin ansässige österreichische Band „Ja, Panik“ zu gestalten; Videos für die Bands „Rahel“ und „Christl“ folgten. „Statisch, symmetrisch, weich, bunt, ein bisschen surreal und verträumt vielleicht“, so beschreibt Müller ihre Fotografie.

Luca Celine Müller, Sie arbeiten als Fotografin und Musikerin. Fällt es Ihnen zuweilen schwer, sich zwischen Ihren einzelnen Professionen entscheiden zu müssen?
Luca Celine Müller: Mir wurde lange Zeit das Gefühl vermittelt, mich unbedingt entscheiden zu müssen! Deshalb habe ich vor ein paar Jahren beschlossen, mich nicht mehr auf diese oder jene Rolle festzulegen: Ich mache all das, worauf ich gerade Lust habe. Das macht mich einerseits glücklich. Andererseits habe ich so gefühlt kaum mehr eine freie Minute.

Sie stehen mitunter als Fotografin auf und legen sich als Musikerin ins Bett?
Das passiert oft. Viele meiner Tage sind zerrissen, aber im positiven Sinn. Neben dem Fotografieren, Musikvideomachen und selbst Musikmachen arbeite ich das ganze Jahr über noch nebenbei bei einem Musikfestival. Ich gehe meinem Brotberuf nach, erledige nachmittags anfallende Fotojobs, stehe abends im Proberaum mit einer der Bands, mit denen ich spiele, übernehme zusätzlich Videoarbeiten. Routine kenne ich nicht, woran ich mich wiederum längst gewöhnt habe.

Leicht verkompliziert wird die Angelegenheit dadurch, dass Sie zeitweilig noch ein Modelabel hatten.
Genau. Aus der Pandemie heraus entstand auch noch ein Modelabel. Da wurde dann zwischen Fotografieren und Musikmachen gehäkelt und eine Marke aufgebaut.

Mögen Sie das Wort „Brotberuf“?
Der Begriff ist vielleicht etwas negativ konnotiert, ich mag meinen Brotberuf jedoch. Als Musikerin für das Vorarlberger „Poolbar Festival“, das jedes Jahr im Juli und August in Feldkirch stattfindet, Marketing und Presse zu machen, fühlt sich nach einem passenden und spannenden Brotberuf an.

Ihr aktuelles Bandprojekt trägt den Namen „Gardens“. In welchen Combos spielen Sie noch mit?
„Gardens“ ist mein eigenes Herzensprojekt. Daneben spiele ich Bass bei „Nature Swim“ und, ganz aktuell, bei „Aze“. Zu spannenden Anfragen kann ich kaum Nein sagen!

Lautet Ihr Plan, in den kommenden 15 Jahren Mitglied der erwähnten Bands zu bleiben?
Niemand weiß, was die Zukunft bringt, aber solange es Spaß macht, möchte ich überall dabeibleiben. Am liebsten würde ich noch in viel mehr Bands mitspielen, der Tag hat aber auch für mich nur 24 Stunden. Es soll auch eher schwer bis unmöglich sein, sich zweizuteilen, mit zwei Bands zugleich auf Tour zu gehen.

Wir unterhalten uns vor Ihrem Atelier in einem Wiener Hinterhof. Sie sind gebürtige Vorarlbergerin und führen fast so etwas wie eine Künstlerinnenexistenz in New York, wo bekanntermaßen viele Kunstschaffende zwei bis drei Jobs haben, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Wie lebt es sich zwischen Götzis, Ottakring und Manhattan?
Nicht schlecht! Man braucht dazu nur jahrelange Übung und ganz viel Therapie. Vor allem muss man der Typ dazu sein. Ich mochte Veränderung schon immer. Mit 15 lebte ich ein Jahr in Dänemark, weil ich früh aus Vorarlberg wegwollte. 2025 möchte ich einige Monate lang in Paris leben und arbeiten. Das schnelle Akklimatisieren an anfangs ungewohnte äußere Umstände fiel mir immer leicht.

Empfinden Sie Vorarlberg gegenüber so etwas wie „Heimatgefühle“?
In Vorarlberg liegt meine Herkunft, die ich nicht verleugnen will, vor der ich nie geflüchtet bin. Ich wollte und will Neues erleben, bin zugleich immer wieder gern in Götzis und Umgebung. Je älter ich werde, desto mehr schätze ich das „Ländle“.

Früher hieß es, Wien sei die größte Stadt Vorarlbergs. Gilt das heute noch?
Viele Jahre hatte ich nicht wirklich viel mit Vorarlbergerinnen und Vorarlbergern in Wien zu tun, was sich aber seit geraumer Zeit geändert hat. Mittlerweile kenne ich bestimmt mehr Vorarlbergerinnen und Vorarlberger, die ihre Wahlheimat in Wien haben, als in Vorarlberg! Und natürlich ist das angenehm, wenn man Dialekt reden kann, ohne sich wiederholen zu müssen, oder man sich gemeinsam Holzschuhe aus dem Bregenzerwald kauft, um ein Stück Vorarlberg nach Wien zu holen.

Welche Unterschiede machen Sie zwischen Wien und Vorarlberg aus?
In Wien lebe ich seit neun Jahren und da gibt es natürlich noch einen großen Unterschied. Viele Jugendliche in Vorarlberg wirken in ihrem Habitus inzwischen städtischer als früher, insofern hat das Land vielleicht etwas aufgeholt, auch in meiner Umgebung in Vorarlberg sind die Leute etwas offener geworden. Wien ist ohnehin ständig mit Veränderung konfrontiert. In Ottakring kann es aufgrund der Gentrifizierung leicht passieren, dass ein Yoga-Café in einem ehemaligen Juweliergeschäft öffnet.

In Vorarlberg verwendet man das Wort „ghörig“ synonym mit „richtig“, „anständig“, „passend“. Wie geht man als Vorarlberger Künstlerin damit um, die Dinge „ghörig“ machen zu müssen?
Ich versuche mich nicht mehr so davon stressen zu lassen, gerade weil in Vorarlberg die „Ghörig“-Mentalität noch immer sehr präsent ist, was sich oft und gern im berühmt-berüchtigten „Schaffa-schaffa“ zeigt. Als Künstlerin ist man damit nicht selten konfrontiert. Ich habe mich daran gewöhnt, diesen „Ghörig“-Impuls in mir zu tragen und diesen gleichzeitig immer wieder bewusst zu unterlaufen, indem ich mich selbst und meine Arbeit nicht zu ernst nehme.

Wie passen das „Ghörig“ und der künstlerische Geistesblitz zueinander?
Das frage ich mich manchmal immer noch! Irgendwie ist es ein schwieriger Grat, es können durch diese Spannung meiner Meinung nach aber auch gute Dinge entstehen. Besagtes „Ghörig“ schränkt meine Kreativität nicht ein, eher im Gegenteil. Vielleicht ermöglicht es mir auch manchmal professioneller zu denken. Alles, was ich als Musikerin und Fotografin mache, sollte nach meinem Gefühl zumindest Hand und Fuß haben.

Ein Bild lässt sich leicht „ghörig“ – sprich: gerade – aufhängen. Lässt sich in Analogie dazu ein „ghöriger“ Song komponieren?
Man kann Bilder auch „ghörig“ schief aufhängen! Beim Song-Schreiben wirkt sich das „Ghörig“ bei mir so aus, dass zum Beispiel die englischen Lyrics Sinn ergeben sollten und die Aufnahmequalität im Studio passen muss.

Verwenden Sie im Zusammenhang mit Ihrer künstlerischen Arbeit oft das Wort „Karriere“?
Ich benutze es nicht oft, weil ich nicht über so etwas wie „Karriere“ nachdenke, sondern einfach mache, was sich gut und richtig anfühlt.

Zweifellos stehen Sie am Anfang Ihrer Karriere: Mit der ersten Gardens-Single „Waves“ waren Sie sechs Wochen lang in den FM4-Charts vertreten, im Vorjahr schafften Sie es damit in die FM4-Jahrescharts.
Man weiß nie, was passieren wird. Ich muss immer daran denken, was meine Mutter gesagt hat: „Wenn du etwas wirklich erreichen willst, mit deinem ganzen Herzen, dann wird es auch passieren.“ Das ist als weiße, privilegierte Frau natürlich leichter gesagt, aber ich lebe trotzdem sehr danach. Mehr jedenfalls, als an „Karriere“ zu denken. Ich möchte weiterhin das machen, was mir Freude bereitet und mir zugleich ermöglicht, gut über die Runden zu kommen. Wenn das Karriere ist, passt das auch.

Gar kein Masterplan?
Nicht wirklich. Ich mag es, auf der Bühne zu stehen und zu performen. Musik würde ich so oder so machen, auch wenn diese bei einem breiten Publikum nicht gut ankommen würde. Ich mache das, was mir Spaß macht, und schaue mal, wohin es führt, ob es überhaupt irgendwo hinführt.

Gleichviel, ob Fotografie oder Musik: Geht es am Ende immer auch darum, Geschichten zu erzählen?
Absolut. Das Erzählen von Geschichten hat mir schon immer Spaß gemacht. Als Kind wollte ich Autorin werden. Egal, ob ich ein Musikvideo oder ein Foto mache, einen Song oder eine Melodie schreibe: Der Gedanke, damit auch eine Geschichte zu erzählen, schwingt stets mit, in der Musik vielleicht noch stärker als in der Fotografie.

Was ist aus der Autorin der Kindheit geworden?
Wer weiß, vielleicht gibt es irgendwann doch noch ein Buch von mir!

Der große Karl Valentin wusste, dass Kunst schön sei, aber auch viel Arbeit mache.
Das kann ich unterschreiben. Als Künstlerin arbeite ich fast durchgehend, da Ideen auch im Schlaf kommen können und jeder Gedanke wichtig sein kann. Das sieht natürlich niemand, weil sich vieles davon im Kopf abspielt. Für mich ist Kunst ein 24-Stunden-Job, den ich aber auch nicht kündigen möchte.


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