Die Bühne auf zwei Rädern

Mit der VeloStage haben Jonas Skielboe und das Wiener Designbüro Inseq eine ausklappbare Bühne entwickelt, die man mit dem E-Bike transportieren kann. Damit fährt Skielboe durch Österreich und hält an, Musiker jeder Art darauf spielen zu lassen.
Von Sarah Kleiner

Jonas Skielboe wirkt, als sei er das Posieren schon gewöhnt. Er klemmt die Zunge hinter die leicht geöffneten Zähne und blickt mit starrem Blick und dezentem Grinsen in die Kamera. Gerade hat er die VeloStage unter den Bögen des rechten Traktes des Salzburger Juridicums aufgebaut und nimmt sich vor Beginn des Konzerts Zeit für Promotion. Skielboe ist ein Allround-Einzelunternehmer, er organisiert Auftritte wie diesen am Eröffnungswochenende der Salzburger Festspiele, bemüht sich um Kooperationen und Mietverträge für die VeloStage, postet Fotos und Videos von ihr und von sich in den sozialen Medien.

Jonas Skielboe ist gebürtiger Däne und lebt seit zehn Jahren in Österreich. Er ist professioneller Musiker, studierte in Kopenhagen und der Schweiz klassische Gitarre und bereiste die Welt als Konzertgitarrist. Die Musikgenres, die er bereits erkundet hat, reichen von Flamenco über Jazz, Rock, Klassik und experimentelle Formate. Skielboe hat Laute studiert, kann die Mandoline spielen und begeistert sich auch sonst für „alles mit Saiten“. Was den viel bereisten Musiker schließlich nach Österreich verschlagen hat? „Liebe, eigentlich“, sagt er. Heute fährt Jonas Skielboe mit einer Fahrradbühne durchs Land und veranstaltet Konzerte, die „VeloConcerts“. Die sind meistens klein und mit regionalen Musikern bestückt. Das Motto der Unternehmung? „Unfolding Culture“, also Kultur entfalten, jederzeit und allerorts.

Mit ein paar Handgriffen ist die Bühne, bestehend aus sieben Platten und einem Metallgerüst, das sie etwa 30 Zentimeter über den Boden erhebt, aufgebaut. Das dauert im Schnitt zehn bis 15 Minuten. Das Wesentliche für den Charakter der „VeloConcerts“ ist, dass dadurch ein – tatsächlich – niederschwelliges Kulturangebot entsteht. Die Bühne selbst minimiert die Erhabenheit der Musiker über das Publikum und stellt die beiden einander direkt gegenüber. Die Hemmschwelle für Musiker, vor Publikum zu spielen, ist dadurch ebenso niedriger. „Es gibt so viel Schönes drinnen in den Konzerthäusern, das da einfach nicht rauskommt und exklusiv bleibt für ein gewisses Publikum“, sagt Skielboe. Das wollte der Profi-Musiker, der regelmäßig zu Gast im Wiener Musikverein und Konzerthaus ist, ändern.

Die Platten der VeloStage sind aus einem besonders leichten Material aus dem Flugzeugbau, rund 50 Kilogramm wiegt die ganze Bühne. Sie ist damit leicht genug, um mit dem E-Bike transportiert werden zu können. Verantwortlich für Design und technische Beschaffenheit zeichnete auch Skielboes Partner Inseq Design aus Wien. „Mit Jakob Illera von Inseq Design habe ich einen Partner mit viel Know-how über Fahrraddesign und -funktionalität gefunden und er hat meine Träume Wirklichkeit werden lassen“, sagt Jonas Skielboe. Einige Jahre hat die Realisierung dieses Traums gedauert, seit 2019 ist Jonas Skielboe mit der VeloStage verstärkt auf Tour.

Den Nachteil, den die Freiluft-Bühne mit sich bringt, bekommt man an diesem Abend aber ebenso zu spüren. Pünktlich zu Beginn des Auftritts vom Streichquartett Classic Rocks
fängt es an zu regnen. Das Publikum zückt bunte Schirme und setzt Kapuzen auf. Die zwei anderen geplanten Konzerte mussten wegen der starken Unwetter in Salzburg ganz abgesagt werden. „Das ist eine gute Metapher für Nachhaltigkeit“, sagt Jonas Skielboe dazu. Warum? „Wir sollen die Natur nicht ignorieren, sondern uns ihren Prinzipien unterordnen“, sagt er. Skielboe löst das Problem mit Flexibilität und bietet normalerweise einen Ersatztermin für gebuchte Konzerte an. Beim abendlichen Auftritt von Classic Rocks wird das – wie Sie am Ende dieses Magazins lesen können – nicht nötig sein.

Interview mit Jonas Skielboe

Woher rührt Ihr Interesse, nachhaltige Konzerte zu veranstalten?
Ich war als Musiker immer sehr viel unterwegs und wurde auch von meinen Kindern dazu inspiriert. Wir versuchen privat sehr nachhaltig zu leben, kein Plastik im Haushalt zu haben, biologisch zu essen, uns vegetarisch zu ernähren und so weiter. Ich dachte mir irgendwann, dass es nicht angeht, dass ich die ganze Zeit mit dem Flugzeug herumdüse und gleichzeitig versuche, super nachhaltig zu leben. Wir stehen an einem Punkt, wo wir in jeder Branche, bei allem was wir machen, nachhaltig denken müssen. Und wir müssen selbst die Initiative ergreifen und dürfen nicht immer darauf warten, dass etwas passiert. Wir wollten an jedem Ort Kultur aufblühen lassen und dabei keine Kompromisse in Bezug auf Nachhaltigkeit eingehen.

Auf welche technischen Herausforderungen sind Sie bei der Entwicklung gestoßen?
Die erste Bühne war circa 90 Kilogramm schwer und mit dem ganzen Equipment kommt man da schnell auf zu viel Gewicht für den Fahrradtransport. Deshalb war eine der ersten Sachen, die wir erkannt haben, dass wir abnehmen müssen. Da wurde es dann richtig spannend, die Bühne schaut super simpel aus, aber da steckt in Wirklichkeit viel Technologie dahinter, auch auf tontechnischer Ebene. Als Gitarrist kommt man normalerweise mit fast 100 Kilogramm Equipment an, jetzt komme ich mit 100 Kilogramm und habe eine komplette Bühne, eine Ton- und eine Lichtanlage dabei. Weiteres Equipment kann man im Anhänger transportieren, die Stromversorgung läuft über wiederaufladbare Akkus, die an ein Solarpanel angeschlossen werden können.

Die VeloStage spielt auch mit einem Straßenmusik-Charakter, man kann sie flexibel und fast überall aufbauen. Haben Sie schon auf der Straße gespielt?
Als ich auf Konzerttour war habe ich meine Programme einfach auf der Straße durchgespielt. Ich war einmal auf Tournee in Venezuela, wo ich meine Gitarre mithatte. Ich bin raus in den Amazonas und habe dort zwei Wochen mit einem Indianerstamm gelebt und am Rio Negro Gitarre gespielt. Für mich war es immer spannend, Musik auch als Kommunikationsmittel zu nutzen. Wir waren auch einmal in Nigeria und haben in einem Spital für die Krankenpfleger und Ärzte ein Konzert veranstaltet. Ich habe herumgeblödelt und Elvis gespielt und alle haben getanzt. Diese Freude ist einfach schön.

Sie spielen seit 30 Jahren Gitarre und haben bereits die unterschiedlichsten Genres kennengelernt. Was ist das Besondere an Klassik?
Ich finde sie einfach schön, auch die Geschichte dahinter fasziniert mich, der intellektuelle Zugang. Einer meiner absoluten Favoriten ist die „Chaconne“ von Bach aus der Partita Nummer Zwei in D-Moll. Das war das letzte größere Stück, das ich gelernt habe zu spielen und es ist für mich das ultimative Stück in der ganzen Musikgeschichte, das am ehesten an Perfektion herankommt.

Das Faszinierende bei Musik und insbesondere an Klassik ist auch, dass so gut wie jeder sie versteht. Es ist wie eine Sprache, die keine Worte benötigt und nur Emotionen transportiert.
Ja, total. Ich bin ein sehr emotionaler Mensch und wenn ich nur an dieses Stück von Bach denke, muss ich mich zusammenreißen. Meine Mama ist vor ein paar Jahren verstorben und ich habe das auf ihrem Begräbnis gespielt. Das Stück ist die ganze Zeit in D-Moll und wechselt dann in die hellere, fröhlichere Dur-Tonart, doch das ist der tiefste Moment des ganzen Stücks. Ich musste beim Begräbnis anfangen zu weinen, habe aber weitergespielt. Ein paar Monate später spielte ich es im Konzerthaus in Wien bei einem Solokonzert. Ich saß auf der Bühne und fing wieder an zu weinen. Aber es geht um Emotionen, so ist das mit der Musik. Das Schöne bei klassischer Musik oder klassischer Gitarre ist, dass man diese Magie erschaffen muss, die Leute in dieses klangliche Universum hineinzuziehen. Ich spiele auch gerne Rockmusik, zum Beispiel in der Band Evon Rose, wir haben auch ein Album herausgebracht. Da ist es umgekehrt, wenn du E-Gitarre spielst, bläst du die Leute mit deinem Verstärker weg, da spielst du ein geiles Solo mit Volumen, aber wenn ich als klassischer Gitarrist agiere, dann ist das ganz anders, viel intimer, auch wenn man für tausend Leute spielt.

Viele regionale österreichische Musiker, ob jetzt im Bereich Rock oder Hip-Hop, dringen nicht zur großen Masse durch. Wieso ist Volksmusik in Ihren Augen hier so auf Blaskapelle und Klassik beschränkt?
Ich denke, das ist überall so. Ich komme selbst vom Land und die Leute denken immer, Kultur kann nur in den Großstädten passieren. Das ist auch für mich Grund eine Tour zu planen, wo wir mit leerer Bühne herumfahren und lokale Bands treffen, um zu zeigen, was es alles gibt. „A stage is on tour“, heißt das, aber das Projekt wurde wegen der Ausbreitung der Delta-Variante vorerst verschoben.

Was bedeutet „das gute Leben“ für Sie, außer Musik?
Das bedeutet auch, Kontakt mit der Natur zu haben, saubere Luft atmen zu können, glücklich zu sein. „Das gute Leben“ heißt, zusammen etwas genießen zu können und auch die Erde zu genießen und da ist Nachhaltigkeit ein extrem wichtiger Faktor. Eine der schönsten Sachen in Wien ist für mich der Wiener Wald und dass wir in einer Großstadt leben mit Zugang zu Natur. Das wünsche ich mir für alle, dass wir diesen Zugang zur Natur nicht verlieren. Und auch, dass wir eine Beziehung haben zu unseren Körpern, weswegen ich es liebe, mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Für mich ist „das gute Leben“ in Kontakt zu sein mit sich selbst.


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