Die Dinge und wie man sie sich vorstellt

Foto Lukas Hämmerle

Saxophonist Andreas Broger erlebte mit dem HMBC, dem Holstuonarmusigbigbandclub, den großen Erfolg – bis plötzlich nichts mehr ging. Nun ist er zurück in Vorarlberg. Ein Gespräch über Täuschungen, Enttäuschungen und Annahme. Von Angelika Drnek

Vor zwölf Jahren bist Du von Vorarlberg nach Wien gegangen, mit einem Zwischenstopp in Innsbruck. Nun bist Du zurückgekehrt, was hast Du heute im Gepäck, was Dir damals noch gefehlt hat?
Andreas Broger: Einen Abschluss an der Musik-Uni. Und natürlich bin ich um einige Enttäuschungen reicher, also um einige Täuschungen ärmer. In allen Lebensbereichen, vor allem aber im Musik-Business. Da ist mir viel klar geworden. Erfahrungen, die man nicht unbedingt negativ bewerten muss.

Wie hast Du gemerkt, dass es nun an der Zeit ist, heimzukehren?
Eigentlich recht spät, denn erst vor sechs Monaten hatte ich meinen Abschluss in der Tasche und da wusste ich noch nichts davon, dass ich heute wieder in Vorarlberg leben würde. Es gab allerdings schon Gedanken darüber, wie es eigentlich mit mir weitergehen sollte. Ich habe mich zu dieser Zeit nicht in einer erfüllenden Lebenssituation befunden. Dann hat sich eine Stelle hier an der Musikschule ergeben – und dann war klar, dass ich Wien verlassen würde. Ab diesem Moment ging mir die Stadt auch plötzlich auf die Nerven und das Bedürfnis nach Ruhe wurde größer.

Über den HMBC sagt man, dass er die neue Volksmusik etabliert hätte. Du warst Teil dieser Geschichte. Wie fällt das Echo auf diese Musik von damals aus?
Die Geschichte des HMBC ist auch mit wahnsinnigen Enttäuschungen verbunden. Wir haben mit Herzblut gearbeitet – und plötzlich ist alles zusammengebrochen. Erst hieß es Glück, Erfolg, Geld – dann war‘s vorbei. Erst viel später habe ich begriffen, wie viel Erfahrung ich aus dieser Geschichte gewonnen habe. Damals dachte ich aber anders. Musikalisch gesehen war es toll, bei etwas wirklich Relevantem dabei gewesen zu sein. Mit einigen aus der Band musiziere ich immer noch gemeinsam, etwa mit Johannes Bär. Zudem gebe ich auch Volksmusik-Seminare, bei denen ich viel weitergeben kann.

Andererseits bist Du auch im Jazz zuhause. Wie kam der Jazz zu Dir?
Über einen Freund, der mir Musik vorgespielt hat: Louis Armstrong, Dixieland. Deswegen habe ich erst angefangen, Saxophon zu spielen. Davor war die Klarinette mein Instrument. Lange hatte ich auch die Vorstellung, dass ich nach Wien gehen und dort als Jazzmusiker leben muss. Die Dinge gelingen nicht immer, wie man sie sich vorstellt.

Was ist Jazz für Dich überhaupt?
Das frage ich mich auch. Wir sind nun mal in Österreich und Jazz ist die Kunst der USA des 20. Jahrhunderts. Da liegen Welten dazwischen. Für uns fängt Jazz in dem Moment an, in dem Jazz populär geworden ist – mittels Tonträger. Ein Musikhistoriker würde die Frage nach dem Jazz wohl anders beantworten.

Ist der Jazz der 1950er, 1960er und 1970er passé?
Das sind wohl die wichtigsten Jahrzehnte des Jazz überhaupt. John Coltrane, Miles Davis, Dizzy Gillespie, Cole Porter, Chick Corea. Jazz bedeutet so viel mehr als nur Musik. Natürlich war das auch gesellschaftspolitisch eine hochspannende Zeit.

Was legst Du auf, wenn Du mal abspannen willst?
Meist gar nichts. Eher setze ich mich ans Klavier und spiele Klassik. Bach zum Beispiel. Je nach Schwierigkeitsgrad ist das dann wirklich entspannend.

Du hast von Enttäuschungen gesprochen, vom Erfahrungsschatz, den man ansammelt im Laufe der Jahre. Welche Rolle hat das Scheitern in Deinem Leben gespielt?
Einiges, an dem man gescheitert ist, erscheint einem im Nachhinein ganz klar. Fast logisch, dass dieses und jenes nicht funktionieren konnte. Und was dabei immer irgendwie präsent ist, ist die Frage, ob ich als Musiker gescheitert bin. Aber irgendwie will sich der Gedanke trotz all der Dinge, die nicht in Erfüllung gegangen sind, nicht so recht manifestieren. Das Wichtigste ist wohl, in Bewegung zu bleiben. Sogar beim Yoga dachte ich mir oft, wann wohl der Lehrer mir sagen würde, dass ich es einfach nicht kann, dass ich endgültig gescheitert bin. Hat er aber nie. Man muss vielleicht lernen anzunehmen, wo man gerade steht, und sich von dort aus weiterbewegen.

Andreas Broger wurde 1984 in Bregenz geboren und lebt heute wieder in der Landeshauptstadt. Er absolvierte ein klassisches Saxophonstudium an der Universität Mozarteum Salzburg am Standort Innsbruck. Broger war Mitbegründer des Holstuonarmusigbigbandclubs und bereits in verschiedensten musikalischen Institutionen engagiert, von der Vorarlberger Militärmusik bis hin zum Sinfonieorchester des Landes, aber auch in diversen Bands und Soloprojekten.

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