Die Düfte Sinclairs

„Eco“ ist schick, nicht nur was Essen und Kleidung betrifft, auch die Düfte werden immer ökologischer. Egal ob wir Räumen oder uns selbst einen Duft schenken: Schadstoffe sollen uns dabei nicht umwölken. Damit scheiden einige vornehmlich künstlich hergestellte Düfte aus und der Griff zu Naturprodukten wird zur Routine. Von Henriette Horny

Waren Ecoparfums noch vor 20 Jahren absolute Nischenprodukte, die sich in Duftkombination und Verpackung fast ausschließlich an Menschen mit gefestigtem ökologischen Bewusstsein richteten, sind die natürlichen Düfte heute die Trendsetter schlechthin. Keine Parfumerie und kein Drogeriemarkt kommt ohne Naturdüfte aus. Was sich für Konsumentinnen und Konsumenten in den Regalen zeigt, wird auch in der Unternehmenslandschaft deutlich. Ecoparfums werden von betrieblichen Riesen wie Symrise und Zwergen wie Abel gleichermaßen entwickelt. Dass es im Höhenflug der Duftindustrie auch Parfumeure, im Fachjargon Nasen genannt, an die Öffentlichkeit weht, versteht sich von selbst. Einer der innovativsten ist der gebürtige Neuseeländer Isaac Sinclair, der sich selbst als unerschrockenen „Parfumaholic“ bezeichnet. Eins, zwei, drei – dann war‘s vorbei. Nach dem dritten Duft war er süchtig und brauchte immer neuen Stoff. Nichts wirklich Neues, denn damit ging es ihm so wie den alten Ägyptern, denen der Satz „ein Tag ohne Dufterlebnis ist ein verlorener Tag“ zugeschrieben wird.

Isaac Sinclair. Foto Abel

Der 42-jährige Isaac Sinclair ist der Popstar unter den Nasen, gleichermaßen global und regional verankert. Er lebt mit seiner Frau, einer Französin und ebenfalls Nase, und seinen Kindern in Brasilien. Dorthin gezogen ist er, um nahe an den Kunden zu sein, wie er in Medienberichten betont, denn Brasilien ist der weltgrößte Markt für Duftstoffe. Bedeutend für die große Parfumindustrie sind überhaupt nur die drei Städte São Paolo, Paris und New York, zwischen denen jettet die Crème de la Crème der Duftwelt hin und her.

Bevor er in São Paolo einen Wohnsitz bezog, lernte und arbeitete Isaac Sinclair in Paris, in Grasse – der Wiege der französischen Parfumindustrie –, in Mailand und New York. Dass ihm das Lernen an mehreren Orten möglich war, führt er auch darauf zurück, dass er Neuseeländer, oder wie er sagt „Kiwi“, ist. Kiwis sind die Nationalvögel Neuseelands, mit der Zeit hat sich das Wort auch als Spitzname für seine Einwohner eingeschlichen. Er sei immer der einzige Neuseeländer gewesen, der sich um Stipendien oder Praktikumsplätze beworben hat. Er war der Exote unter den „Duftjunkies“, einer, der aus einem Land ohne Parfumindustrie kam. So konnte er etwa in Mailand an der Università dell‘Imagine, einer künstlerisch ausgerichteten Universität, die nur wenige Jahre existierte, Kurse zur Schulung der fünf Sinne belegen. Von ihm, als jungem Mann aus einem Gebiet mit gänzlich anderen Düften als wir sie in Europa kennen, wurde auch erwartet, dass er frischen Wind in die Parfumindustrie bringen würde. Zu recht, wie man heute weiß. Eine wichtige Station auf seinem Weg war die Zusammenarbeit mit Abel, einem in den Niederlanden angesiedelten hundertprozentigen Naturparfum-Label, gegründet und geleitet von Frances Shoemack, einer Winzerin aus Neuseeland. Für Isaac Sinclair – den langjährigen Expat – war es eine Freude, mit einer „Kiwi“ Neues zu entwickeln. Schließlich hatten beide, die Winzerin und der Parfümeur, die Gerüche Neuseelands in der Nase und erschufen aus dieser Erfahrung in Europa Düfte. Dass sowohl Weine als auch Parfums Zeit brauchen, wussten beide. Ein Parfum zu entwickeln, dauert etwa ein Jahr. Danach kommt das Marketing, wodurch sich die Zeit, bis ein Parfum auf den Markt kommt, in Summe etwa auf drei Jahre beläuft. Geduld ist in dem Beruf eine Grundvoraussetzung.

Covid-19 war Dauerthema in der Welt der Düfte, gab es doch Menschen, die plötzlich nichts mehr gerochen haben. Für einen Parfumeur wäre das das Ende seiner Berufslaufbahn, könnte man annehmen. Für Isaac Sinclair, der mit seinem Wohnort in Brasilien auch im Auge des Covid-19-Hurrikans lebt, scheint nichts unmöglich. Sowie Beethoven fast taub Klänge komponiert hat, ist er sich sicher, dass er auch ohne Geruchssinn Düfte komponieren könnte. Die Erinnerung sei schließlich im Kopf. Die Probe aufs Exempel musste Sinclair zum Glück nicht vollführen. Sowohl er, als auch seine Kinder erkrankten an Covid-19 – allerdings symptomlos und ohne Nachwehen.

Isaac Sinclair entstammt einem künstlerischen Umfeld. Sein Vater ist Dichter, eine Schwester Malerin. Er hat Flöte gelernt und hatte, bevor ihn die Gerüche verführten, den Wunsch, Musiker zu werden. Berufsmusiker steht aktuell nicht mehr auf seiner Agenda, zur Flöte greift er immer wieder und auch in seinem Tun geht er künstlerisch vor. Nach Jahren des Lernens und Arbeitens für Marken wie Guerlain, DKNY oder Lancôme hat er das Duftmacher-Handwerk intus. Jetzt spielt er auf der Klaviatur und kombiniert immer wieder aufregende Düfte, nicht nur für den Körper sondern auch für den Raum gemeinsam etwa mit dem Kerzenunternehmen Ecoya.
abelodor.com


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