Die Entwicklung der Zukunft

Clarissa Rhomberg. Foto Miro Kuzmanovic

Ein Fest in zehn Tagen

Das zweite Festival zur Entwicklung der Zukunft – FEZ 23 – in der CampusVäre Dornbirn geht im Oktober an den Start. Architektin und Nachhaltigkeitsexpertin Clarissa Rhomberg kuratierte gemeinsam mit Geschäftsführerin Bettina Steindl und Theresa Bubik das anspruchsvolle Programm. Der Komplexität des Themas wird an den zehn intensiven Festivaltagen Rechnung getragen, an denen all die unterschiedlichen Facetten der Nachhaltigkeit, die eine zukunftsfähige Kreislaufkultur versprechen, auf den Grund gegangen wird.

Von Daniela Egger

Rethink, Re-use, Refuse, Repair und mehr – insgesamt sind es zehn aus dem Englischen entlehnte Begriffe, die der Kreislaufwirtschaftsstrategie Österreichs zugrunde liegen und die an den zehn Festivaltagen genauer beleuchtet und weitergedacht werden. Die Baubranche spielt eine zentrale Rolle für die Erreichung der Klimaziele, denn sie emittiert global beinahe 40 Prozent aller Treibhausgase. Entwickelt wurden die zentralen strategischen Felder von Harald Gründl, Gründer des Institute of Design Research Vienna und Partner bei EOOS NEXT Design. Er hat die Maßnahmen in einer Ausstellung aufgearbeitet und die beiden Ko-Kuratorinnen haben diese in das Festivalkonzept einfließen lassen. Auf dem FEZ 23 wird die Ausstellung in Diskursen und Workshops auf ihre praktische Umsetzung in der Region weitergedacht – unter größtmöglicher Einbeziehung der Zivilgesellschaft. An diese richtet sich auch das gesamte Festivalprogramm, es ist ein inklusiver und generationenübergreifender Prozess, der hier angestoßen werden soll – dabei wird sich die CampusVäre im Stadtzentrum Dornbirns immer mehr als das etablieren, was sie bereits ist: als Hotspot für Transformationsprozesse. Als solcher ist sie auch jenseits des Festivals Gastgeberin für Menschen, die Zukunft mitgestalten wollen.


„Clarissa Rhomberg bezeichnet die CampusVäre als ,Reallabor‘, in welchem gesellschaftsrelevante Themen spartenübergreifend und kreativ behandelt werden. Wir tun das mit großer Ernsthaftigkeit und Expertise, denn ich bin der Meinung, Städte, Gemeinden und Regionen tun gut daran, die Menschen aktiv in Prozesse und Entscheidungen einzubeziehen“, sagt Geschäftsführerin Bettina Steindl. „Die CampusVäre ist ein demokratischer Ort, wir arbeiten täglich daran, hier eine echte und breit wirksame Werkstatt zur Entwicklung der Zukunft entstehen zu lassen. Mit dem Festival sind alle eingeladen, sich selbst ein Bild von der Entstehung dieses besonderen Ortes in Vorarlberg zu machen.“

Clarissa Rhomberg war in ihrer Zeit als Assistenzprofessorin am Institut für Architektur und Raumentwicklung in Liechtenstein bereits in die Entstehung der CampusVäre involviert, ihre Studierenden erarbeiteten im Rahmen ihres Lehrgangs erste bauliche und inhaltliche Konzeptionsansätze gemeinsam mit der Architektin Anna Heringer. Rhomberg selbst stand als angehende Architektin mit Anfang zwanzig während eines Praktikums in China auf einer Baustelle, und betrachtete dort überrascht eine Wäscheleine – bestückt mit der Wäsche einer ganzen Familie. Diese Wäscheleine wurde zum ausschlaggebenden Grund für die Forschungsthemen, die sie seither beschäftigen. „Das war so ein intimer Raum, der da plötzlich sichtbar wurde und dieses Bild ließ mich nicht mehr los“, erinnert sich Clarissa Rhomberg. „Die Arbeiter waren Bauern vom Land, die als ungelernte Arbeitskräfte auf der Baustelle arbeiteten. Ich wollte wissen, wie die gängige Baupraxis hinter dem Architekturobjekt aussieht, und begann Fragen zu stellen. Ich wollte die Wertschöpfungskette beleuchten, die Arbeitsbedingungen, die Zulieferbetriebe und die Ressourcen, die verbaut werden. Die Dimensionen, in denen China derzeit baut, sind immens und es macht einen großen Unterschied, wie nachhaltig und wie sozial gerecht gewirtschaftet wird.“

Nach ihrer Dissertation war eines von Rhombergs Lehrprojekten als Assistenzprofessorin das Thema „New European Bauhaus“ (NEB), eine Initiative der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen.


„Das NEB setzt bei den Herausforderungen an, wie wir in Europa mit Altbestand umgehen. Vor dieser Frage stand auch die Stadt Dornbirn, als die Entscheidung fallen musste, ob eine neue Nutzung der Bausubstanz möglich ist. Diese Frage wollten wir damals mit den angehenden Architektinnen und Architekten gemeinsam begleiten, es sollte ein kollektiver Lernprozess entstehen und dabei eine Diskurs-Kultur entwickelt werden. Wir setzten uns mit den Studierenden, den Stadtplanern und dem Team der CampusVäre zusammen und entwickelten die Inhalte, Ideen und auch die Phasen, nach denen das Gebäude transformiert werden kann“, erläutert Clarissa Rhomberg. „Wie kann ein solcher Ort zu einem Lernort werden, einem Experimentierfeld, einem Erfahrungsraum – und wie kann er die Strahlkraft entwickeln, die es braucht, um ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit in der Bevölkerung zu verbreiten? Wie kann man die Kreislaufwirtschaftsstrategie auf gesellschaftlicher Ebene ankommen lassen? All diese Fragen finden sich in der Festivalkonzeption wieder, mit starkem Fokus auf die Zivilgesellschaft.“

Wenn Clarissa Rhomberg über ihre Arbeit und die Ergebnisse ihrer Forschung spricht, dann bekommt man ein klares Bild, wohin die Reise gehen kann und wird – und diese Vision wird auf dem Festival zur Entwicklung der Zukunft für ein breiteres Publikum sichtbar und auch spürbar.
„Ein Projekt wie die CampusVäre, konkret also die Transformation einer 12.000 Quadratmeter großen Industriehalle in Büros, Werkstätten, Ateliers, Ausstellungsräume, Coworking-Spaces, Cafés et cetera, braucht Expertinnen und Experten, die das technische Wissen und den Mut haben, ein solches Projekt umzusetzen“, sagt Bettina Steindl. „Das Besondere in unserem Fall ist, dass wir Low-Tech und zirkulär umbauen. Jeder Bauschritt wird auf seine kreislaufkulturelle Wirksamkeit hinterfragt. Ein Glücksfall sind dabei unter anderem die Architekten Johannes Kaufmann & Partner, die Materialnomaden und Daniel Büchel. Die Stadt Dornbirn als Bauherrin und das Land Vorarlberg beweisen mit dem Projekt echten Pioniergeist. Jeden Tag bin ich mir der Aufgabe und Ehre bewusst, ein solches Projekt leiten zu dürfen“, erzählt Steindl und verweist auf die bereits erfolgten Baufortschritte.

Clarissa Rhomberg arbeitet heute als Projektleiterin der Stiftung Lebenswertes Liechtenstein im Fokusthema „Engerie und Ressourcen“. „Ich baue dort gemeinsam mit regionalen und internationalen Expertinnen ZirkuLIE auf – ein Kompetenzzentrum für zirkuläres Bauen in Liechtenstein. Das ist natürlich ein sehr spannendes Feld, das genau zu meiner Forschungsarbeit passt. Der Austausch mit der CampusVäre ist über die beiden Jahre gewachsen, der Prozess der Umsetzung ist unglaublich spannend. Ich bin sehr gespannt auf die vielseitigen Ansätze, die während dieser zehn Tage sichtbar werden – und natürlich auf die Beiträge, die von den Teilnehmenden kommen“, sagt sie.

Die Stadt Dornbirn bewies Weitblick mit der Öffnung der Gebäude für einen solch experimentellen Ort und ermöglicht so der Kommerzialisierung der Innenstadt eine zweite – experimentelle – Ebene hinzuzufügen. Dass Bewohnerinnen und Bewohner einer Stadt auch wieder zu Akteuren werden können, die mitgestalten und gehört werden, das kann eine Stadt verändern und einen wirklichen Unterschied machen. Was wünschen sich die beiden Ko-Kuratorinnen für die Zeit nach dem Festival?
„Dass die CampusVäre sich mit den Jahren als Magnet erweist – dass also die internationalen Köpfe von sich aus die Vernetzung suchen und diese in Dornbirn finden“, antwortet Clarissa Rhomberg. Und Bettina Steindl ergänzt: „Dass dieses Pilotprojekt zu einem Vorbild für viele Städte, Gemeinden und Regionen wird und dass wir Vorarlberg einen pulsierenden, kreativen und innovativen Ort hinzufügen konnten.“


Weitere Infos: c-i-v.at

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