Editorial

Wenn heute von der „weltweiten Krise“ gesprochen wird, meinen die meisten damit die Corona-Pandemie.  So schlimm die Auswirkungen des Covid-19-Virus auch sein mögen – viele haben dabei aus den Augen verloren, dass die wirklich große Krise unserer Zeit der seit langem sich zuspitzende Klimawandel ist. Denn die Auswirkungen der Erderwärmung betreffen alle Kontinente und Bereiche unseres Lebens und stellen eine globale Bedrohung für den Fortbestand unseres Planeten und seiner Artenvielfalt dar – wenn auch ungerecht verteilt. Denn der vorwiegend durch die reichen Industrienationen ausgelöste Klimawandel mit seinen unmittelbaren Folgen wie Dürre oder Überflutungen trifft die Bevölkerung ärmerer Länder unverhältnismäßig stärker und fordert dort jährlich tausende Menschenleben.  Und auch die anderen Lebewesen unseres Planeten leiden an der Belastung durch den Homo sapiens: täglich verschwinden laut WWF etwa 150 Tier- und Pflanzenarten, bis zum Jahr 2050 werden es mindestens eine Million sein. Das Jahr 2020 könnte, so die Einschätzung der UNO, bereits einen tragischen Wendepunkt für die biologische Vielfalt darstellen.

Neben der Klimaerhitzung ist das Artensterben damit die größte Umweltkatastrophe des 21. Jahrhunderts, denn beides ist aufs Engste miteinander verwoben. Schließlich ist Artenvielfalt die Grundlage für die funktionierenden Ökosysteme, von denen wir Menschen am Ende selbst abhängen.

Trotz aller Beweise wird die Dramatik des Klimawandels von vielen Menschen in den weniger betroffenen Gebieten aber immer noch ignoriert oder gar geleugnet. Es gibt ja noch bunte Almwiesen, weitläufige Wälder und klare Gebirgsbäche an manchen Plätzen der Welt. Und an die Bilder der alltäglichen Verschmutzung – trübe Gewässer, qualmende Schornsteine oder smogverhangene Großstadtkulissen – haben wir uns so gewöhnt, dass wir sie als Normalzustand oder zumindest als notwendiges Übel unserer Wohlstandsgesellschaft betrachten. Umso größer war das Erstaunen, als in den Kanälen Venedigs während des coronabedingten Lockdowns im Frühling zum ersten Mal seit Jahrzehnten klares Wasser floss und Fische und Schwäne den Canale Grande besiedelten.  Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie schnell sich die Natur von der Belastung durch den Menschen erholen könnte. Die Chance sollte jetzt genutzt werden, endlich globale Maßnahmen umzusetzen: naturschädliche Subventionen stoppen, klimafreundliche Initiativen fördern und den Schutz bestehender Ökosysteme sowie die Renaturierung bereits zerstörter Gebiete stark ausbauen. Wir müssen aber auch bei uns selbst ansetzen, jeder für sich, und mit bewussten Konsumentscheidungen und einem überdachten Lifestyle dazu beitragen, unseren Fußabdruck auf der Erde möglichst gering zu halten.

In diesem Heft haben wir lokale und globale Initiativen und Projekte zusammengetragen, die mit Mut und Kreativität auf den Handlungsbedarf in der Klimakrise reagieren und verschiedene Perspektiven auf die damit verbundenen Themen aufzeigen: ein Startup, das mit seiner „Obstraupe“ die ökologische Vielfalt der Streuobstwiesen erhält, warum Gastronomen freiwillig die Herkunft ihrer Lebensmittel bekannt geben, die fortschreitende Abholzung der Wälder, die Verschmutzung des Sternenhimmels. Oder begleiten Sie uns auf dem Weg und werden Teil der weltweiten Berg- und KleinbäuerInnen-Vereinigung, der „La Via Campesina“, die Alternativen in der Landwirtschaft aufzeigen.

Lassen Sie sich inspirieren und genießen Sie spannende Ein-Blicke auf unsere Erde.

Evi Ruescher und Judith Reichart

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