Ein Schmetterling auf Tour
Das Tiny House von Palmer erzeugt durch ausklappbare Solarpanele Energie für die Reise. Foto „Solar Butterfly“
Wie sollen wir die Klimakrise stemmen? Der Schweizer Louis Palmer hat sich mit seinem „Solar Butterfly“ aufgemacht, weltweit nach Lösungen zu suchen. Von Franziska Dzugan
1.000 Klima-Ideen aus 90 Ländern sammeln: Mit diesem Ziel hat Klimaaktivist Louis Palmer im vergangenen Frühling in Genf seine vierjährige Welttournee gestartet. In seinem Tiny House namens „Solar Butterfly“ gibt er bei jedem seiner Stopps jenen Menschen eine Bühne, die Lösungen für die Klimakrise gefunden haben. Das Gefährt selbst ist – in Gestalt eines Schmetterlings – ein Vorbild in puncto Nachhaltigkeit. Vollständig ausgeklappt erreichen die Flügel 80 Quadratmeter Solarfläche, die sowohl den Wohnwagen samt Videostudio, als auch das Zugfahrzeug, einen Tesla Model X, mit Energie versorgt. Reichweite nach einem Lade-Tag: bis zu 200 Kilometer auf der Autobahn.
Nach 17.000 Kilometern quer durch Finnland, Norwegen, Schweden, Polen, die baltischen Staaten, Deutschland und Tschechien landete der „Solar Butterfly“ vergangenen September zur Stippvisite in Wien. Beim Treffen mit ORIGINAL sprühte Klimaaktivist Palmer vor Energie, Tatendrang – und Ungeduld. „Es geht alles viel zu langsam voran, dabei liegen so viele Ideen auf der Hand. Wir suchen sie und geben ihnen eine Plattform“, sagte er.
Auf seiner Tour durch den Norden Europas ist er bereits vielfach fündig geworden. Besonders beeindruckt hat ihn die Sandbatterie des finnischen Start-ups „Polar Night Energy“. Ein mit einhundert Tonnen Sand gefüllter Turm speichert die überschüssige Energie aus Solar- und Windkraftanlagen im Sommer über mehrere Monate hinweg, und gibt sie im Winter über einen Wasserkreislauf an die Heizsysteme von Gebäuden ab. „Eine geniale Batterie, die gänzlich ohne seltene Erden und andere bedenkliche Inhaltsstoffe auskommt“, sagt Palmer.
Klimaaktivist Louis Palmer. Foto „Solar Butterfly“
In Schweden besuchte er Volvo. Der Autohersteller hat gerade zwei Lastwägen aus einem Stahl gebaut, der gänzlich ohne fossile Energie hergestellt wurde. Stahl wird normalerweise mit Hilfe von Kohle erzeugt, was insgesamt enorme acht Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes ausmacht. Nun aber hat man in Schweden eine Methode entwickelt, den Stahl mit grünem Wasserstoff zu produzieren, der wiederum aus Wind- und Wasserkraft entstanden ist.
In der ungarischen Hauptstadt Budapest fand sich im „Solar Butterfly“ eine Unternehmerin ein, die mit ihrer großen Kleidertauschzentrale gegen das Phänomen Fast Fashion kämpft – denn die Textilindustrie ist einer der größten Umweltsünder überhaupt. In Polen wiederum war Palmer zu Gast in einem Werk, das essbare Teller und Besteck aus Weizenkleie herstellt, was helfen soll, dem immer noch allgegenwärtigen Plastikwahn zu entkommen. In Wien besuchte der Umweltpionier einen seiner Sponsoren, das österreichische Energieunternehmen Verbund. „Dieser Schmetterling hat eine klare Mission, wie auch wir als Unternehmen: Mit Sonnenkraft und E-Mobilität die Energiewende vorantreiben“, sagt Achim Kaspar, COO der Verbund AG.
Die Idee einer klimaneutralen Weltreise war Palmer 1982 gekommen, da war er gerade einmal zwölf Jahre alt. Ein fortschrittlicher Lehrer hatte ihm und seinen Schulkameraden schon damals die Gefahren der Klima-krise vor Augen geführt. Noch im Klassenzimmer begann Palmers Hirn zu rattern: Wie könnte er seinen Traum von einer Weltreise je in einem Benzinauto verwirklichen? Es schien ihm unvorstellbar, in einem umweltschädlichen Gefährt die Schönheit der Kontinente zu genießen. Als es viele Jahre später – Palmer war inzwischen selbst Lehrer geworden – immer noch keine solarbetriebenen Fahrzeuge gab, baute er kurzerhand selbst eines. Mit seinem Solartaxi umrundete er 2007 von Luzern aus in einem Jahr den Globus.
Kann er sich erklären, warum 15 Jahre nach seiner ersten Weltumrundung mit dem Solartaxi ein Großteil der Menschen noch immer täglich in ein fossil betriebenes Auto steigt? „Ich bin sehr verwundert darüber, dass die Gesellschaft hier immer noch keinen großen Wandel will. Wahrscheinlich liegt es in der menschlichen Natur, dass man sich nur ändert, wenn man dazu gezwungen wird“, sagt Palmer. Der Ukraine-Krieg erzwinge nun aber einen großen Sprung für erneuerbare Energien.
Er merkt das auch beim „Solar Butterfly“: Noch nie in seiner Karriere als Klimaaktivist war es so leicht gewesen, Sponsoren zu finden. Das Interesse der Unternehmen, in Nachhaltigkeit zu investieren, hat sich vervielfacht. Und auch bei den Privatpersonen, die er auf seiner großen Tour trifft, spürt er großes Interesse. „Plötzlich lohnt es sich, in saubere Energien zu investieren“, sagt Palmer. Moderne Solarzellen brauchen ein gutes Jahr, um so viel Energie zu produzieren, wie für ihre Herstellung verwendet worden ist. Sie halten mindestens 30 Jahre lang. „Das ist doch ein super Investment.“
Zwischenfazit nach gut vier Monaten auf Tour: Mehr als 130 kluge Klima-Lösungen hat Palmer schon gesammelt, und jeden Tag werden es mehr. Von Österreich aus hat sich das Solar-Mobil aufgemacht nach Südeuropa. Italien, Frankreich und Spanien sind die nächsten Ziele – mitzuverfolgen auf der Webseite solarbutterfly.org oder via Twitter unter @meetlarso.
Noch steht der „Solar Butterfly“ am Anfang seiner Reise, doch die Botschaft ist bereits klar: Im Kampf gegen die Klimakrise gibt es nicht die eine große Lösung, sondern mindestens 1.000 kleine.