Emil und die Gravelbiker

Vorne tritt Papa Marc in die Pedale, hinten drin sitzt (noch) gemütlich Sohn Emil – das „into the wold“-Baby. Bis dieser selber fährt, dauert es noch ein paar Jahre. Foto Christina Neubauer, into the wold

Als Gravelbikes vor einigen Jahren auf den Markt kamen, haben sie einen regelrechten Hype im Freizeitradsport ausgelöst. Vereinfacht gesagt sind es geländegängige Rennräder mit breiten Reifen. Eines der ersten Gravelbike-Festivals war 2020 „into the wold“ im Bregenzerwald. Damals wie heute ging es den Veranstaltern aber keinesfalls darum, auf einen Hype aufzuspringen. Sie hatten einfach nur genug von schlechter Verpflegung.

Von Christian Dittmann

Für Marc und Nancy hat „into the wold“ ihr Leben verändert – zumindest indirekt. 2020 war das Paar aus Bonn bei der ersten Auflage zu Gast, ein Jahr später kamen sie auch zur zweiten Auflage – gemeinsam mit ihrem drei Monate alten Sohn Emil. Mathematisch Begabte erkennen den Zusammenhang. Mittlerweile zählt auch Emil schon als Stammgast, 2024 wird er zum dritten Mal dabei sein.


Das ist freilich nur eine kleine Anekdote, aber irgendwie steht sie exemplarisch für „into the wold“. Seit der Gründung des Gravelbike-Festivals vor vier Jahren ist dieses zwar kontinuierlich gewachsen – heuer werden bis zu 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erwartet –, aber auf eine sehr familiäre Art und Weise. „Wir haben überhaupt kein Interesse daran, dass ‚into the wold‘ zu einem Riesenfestival wird. Wenn wir heuer tatsächlich auf 250 Menschen kommen, sind wir schon nah am Maximum“, so Harald Triebnig, neben dem Bregenzerwälder Matthias Köb und Philipp Altenberger einer der Veranstalter.
Wer einen Eindruck von der Atmosphäre vor Ort bekommen will, muss eigentlich nur das Team ein wenig beobachten. Triebnig, Köb und Altenberger wuseln durchgehend herum, tragen Sachen von A nach B und sobald sie einmal eine Minute nichts zu tun haben, sieht man sie mitreden, anstoßen oder High-Fives verteilen. Ähnlich verhält es sich mit dem Rest des rund 10-köpfigen Teams. Viele davon sind schon seit der ersten Auflage dabei, nehmen sich extra Urlaub von ihren „Brotberufen“, um bei „into the wold“ mitzuarbeiten. „Es würde überhaupt nicht zu unserer Idee passen, aus ‚into the wold‘ ein Massenevent zu machen. Vor allem aber hätten wir selbst weit weniger Spaß daran“, erklärt Triebnig.
Triebnig und Köb betreiben gemeinsam die Agentur „buero balanka“. Die Idee zu „into the wold“ kam ihnen, wie könnte es anders sein, beim Radfahren. Denn auf zahlreichen anderen Radveranstaltungen stellten sie immer wieder fest: „Spätestens bei der dritten Verpflegungsstation kann man diese ganzen Energieriegel und -gels nicht mehr sehen – muss sie aber trotzdem essen“, so Köb. Denn an einem langen Tag im Sattel braucht es nun einmal ausreichend Verpflegung. Warum also nicht ein Festival gründen, bei dem der Genuss genauso wichtig ist wie das Radfahren? Von der Idee erzählten sie ihrem langjährigen Bekannten Philipp Altenberger, ebenfalls begeisterter Radfahrer und Gründer des Trikot-Labels „Trikoterie“. „Zur Idee, das Radfahren mit richtig gutem Essen zu kombinieren, kamen dann schnell noch andere Gedanken hinzu“, so Altenberger. „Seitdem geht es bei ‚into the wold‘ darum, alles zu genießen, was der Bregenzerwald zu bieten hat: von der Natur über die Architektur bis hin zur Kulinarik. Und vor allem: eine gute Zeit haben mit anderen Menschen.“

Die Routen sind unterschiedlich lang und anspruchsvoll – ein paar Höhenmeter gilt es aber auf allen zu bewältigen. Foto Ian Ehm, into the wold


Wie man diesen Anspruch mit Inhalt füllt, zeigt ein Blick auf das diesjährige Festivalprogramm: Von Donnerstag bis Sonntag gibt es unter anderem ein Nachtschwimmen im Freibad Mellau, Yoga-Sessions, eine Diskussionsrunde, eine Käsknöpflepartie und sogar einen Illusionisten. Der Dorfplatz in Mellau wird zum Gravel-Café mit bestem Espresso, Kuchen und Eis von „Trevo Coffee“, einem Parkour für Kinder, einem Tischtennis- und einem Tischfußball-Tisch. „Das ganze Drumherum würde schon fast für ein eigenes Festival reichen. Aber ja, es wird schon auch geradelt“, lacht Triebnig. „Und gar nicht einmal so wenig.“

Auch das „Drumherum“ spielt eine entscheidende Rolle: die gemütliche Atmosphäre, das Rahmenprogramm mit beispielsweise Panel Talks und vor allem: die ausgezeichnete Verpflegung! Fotos Ian Ehm, into the wold

Los geht es am Donnerstagabend mit der Sprint-Challenge am Pumptrack Mellau, dem einzigen kompetitiven Programmpunkt: „Im Grunde ist es aber ein Spaß-Bewerb, denn gegen die heimische Jugend sind eh alle chancenlos“, so Köb. Am Freitag gibt es dann geführte Themenfahrten in kleinen Gruppen. Es geht auf die Alpe zur Käseproduktion, in die Rösterei von „Trevo Coffee“ oder gemeinsam mit Baumeister Jürgen Haller und Architekt Bernd Frick zu heimischen Handwerksbetrieben und architektonischen Attraktionen. Wer seine Fahrtechnik verbessern möchte, kann dies in einem Training mit den Guides vom Hotel Rössle machen und die Abenteuerlustigen fahren zum Canyoning an die Kobelache.

into the wold 2024
27. bis 30. Juni
Mellau / Bregenzerwald
Infos, Tickets und Programm:
intothewold.at


Das Highlight ist aber zweifellos die große Ausfahrt am Samstag. Nach einem gemeinsamen Frühstück im Hotel Bären – und der ist nicht umsonst bekannt für sein hervorragendes Frühstück – füllt sich der Dorfplatz rasant. Denn mehr als 200 Menschen mit Fahrrädern auf einem Fleck sind schon ein eindrucksvolles Bild. Dann rollt die Masse los. Zur Auswahl stehen drei unterschiedliche Routen mit rund 55, 75 oder 100 Kilometern. „Es wäre logistisch deutlich einfacher, wenn wir nur eine Route hätten. Aber uns ist es wichtig, dass für alle etwas dabei ist. Die kurze Route ist auch für weniger Geübte gut geeignet, die 100 Kilometer sind durchaus anspruchsvoll – auch für Fortgeschrittene“, so Altenberger. Entlang der Strecken warten Verpflegungsstationen – natürlich ohne Energieriegel und -gels. Stattdessen gibt es Speisen von den Spitzenköchen Jodok Dietrich und Wolfgang Mätzler. Am Abend werden die Energiespeicher dann am Dorfplatz mit Essen von Jonathan Burger vom Hotel Gasthof Hirschen aufgefüllt, ehe die geschaffte Ausfahrt gefeiert wird.


2025 wird „into the wold“ fünf Jahre alt. Doch wenn das Festival nicht unbedingt weiter wachsen soll, wie sieht dann die langfristige Vision aus? „Wir haben viele Stammgäste. Die wollen wir immer wieder überraschen und darin liegt auch für uns ein großer Reiz: dass wir uns immer wieder neue Sachen überlegen und ausprobieren können“, so Köb. Triebnig stimmt zu und fasst zusammen: „Wenn wir ‚into the wold‘ noch lange in dieser Dimension und Qualität machen können, sind wir mehr als zufrieden. Außerdem haben wir Marc und Nancy versprochen, dass wir es so lange machen, bis Emil mit eigenem Rad mitfahren kann.“ Zur Erinnerung: Emil ist jetzt drei Jahre alt. 


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