Famiglia Nostrana

Grotto Efra, Foto Juliette Chrétien

Eine Reise durchs Tessin
Von Juliette Chrétien

Nostrano heißt „das Unsrige“. Das von hier, vom heimischen Ort, das Selbstgemachte. Der erdige, herbe Wein im Grotto wird etwa als Nostrano bezeichnet, die grobe Salami aus der Hausschlachtung oder der selbst hergestellte Käse. Nostrano bedeutet aber auch rein, authentisch, unverdorben, der Tradition verpflichtet, überliefert von der Großmutter, aus einfachen Naturprodukten erzeugt, biologisch, nachhaltig, ethisch korrekt, „Chilometro zero“.

Im kleinräumigen Tessin mit seinen weit verzweigten Tälern ist man nie richtig in die industrielle Produktion eingestiegen. So blieben altes Wissen und traditionelle Techniken erhalten. Anderseits haben junge, innovative Produzenten vor Ort begonnen, alte Kulturpflanzen zu beleben, traditionelle Gerichte neu zu interpretieren und sich auf vererbtes Handwerk zu besinnen. Trotz unterschiedlicher Einflüsse hat der Südkanton vielerorts seinen spezifischen Charakter bewahrt. Die althergebrachten Rezepte, Techniken und das Wissen drumherum finden zurück in den modernen Alltag und werden hier wegen ihrer Ursprünglichkeit und Qualität geschätzt.

Juliette Chrétien und Pepe Regazzi verlassen für ihre Recherche die ausgetretenen Pfade, nehmen Spur auf – mit sicherem Instinkt, Euphorie und großer Liebe zum reichen Terroir.

Fotos: Juliette Chrétien

Jeden Tag fahren tausende Personen, die zwischen dem Tessin und der Zentralschweiz unterwegs sind, durch den Gotthardtunnel. Mit Sicherheit ein effizienter und schneller Weg, das Massiv zu durchqueren. Viele vergessen dabei aber, dass es auf dem alten Passübergang vieles zu entdecken gibt. Da, wo Geschichte und Tradition mit atemberaubenden Aussichten verschmelzen, eröffnen sich grenzenlose Panoramen, die sogar den Blick auf die Quelle der Flüsse Ticino, Rhein, Rhone und Reuss freigeben. Bereits 1237 wurde auf dem Pass eine Kapelle eingeweiht und ein erstes Hospiz eröffnet, das von den Kapuzinermönchen geführt wurde. Diese gewährten Reisenden eine Mahlzeit und versorgten die Kranken unter ihnen. Heute ist das „Ospizio Gottardo“, das behutsam renoviert wurde, ein wichtiges Symbol der Schweizer Geschichte. Es bietet nach wie vor die Möglichkeit, im Restaurant zu essen, in den Zimmern zu übernachten und die wunderschöne Kapelle zu besichtigen. Die Sportlichen können zwischen alpinen Weiden und Seen eine Wanderung unternehmen.

Ospizio Gottardo
Marzio Eusebio und Urs Ortelli
6781 San Gottardo
passosangottardo.ch



Alpe Bolla Carassina
Familie Martinelli Fausto und Marisa
6720 Campo Blenio
bollacarassina.ch


Die Philosophie der Osteria ist einfach: Nur lokale Produkte verwenden, strikt alles selbst herstellen und die Gerichte zu einem guten Preis anbieten. Jedes Jahr kaufen Annemarie und Tiziano Schweine und Kühe für die Hausschlachtung gemeinsam mit der Nachbarschaft. Und wie es die Tradition verlangt, werden alle Teile des Tieres in der Küche verwendet.
Täglich für immer frische Gerichte und Spezialitäten. Von der Lasagne mit eigenem Hackfleisch, zum hausgemachten Trockenfleisch, zur köstlichen Lebermortadella und der Polenta mit Stracotto (Schmorbraten). Die Zimmer über der Osteria sind einfach, aber gepflegt, mit original Holzböden und etwas Kunst an den Wänden – ideal für einen kurzen Aufenthalt im schönen Valle di Blenio.

Osteria Centrale
Annemarie Emch und Tiziano Canonica
Zona Chiesa
6718 Olivone
osteriacentraleolivone.ch


Eine ganz andere Art ein Wochenende oder eine Woche in Kontakt mit der fantastischen Natur des Valle Verzasca zu verbringen, ist die Übernachtung in einem typischen Rustico. Genau darauf hat sich „Verzasca Rustici“ spezialisiert: Die Organisation hilft bei der Suche und Vermittlung von privaten Rustici aller Art.
Zum Service gehört auch die gesamte Abklärung und Abwicklung des Mietprozedere. Im Portfolio steht das ursprüngliche, spartanisch eingerichtete Rustico, neben dem romantischen oder modern umgebauten.

Verzasca Rustici Sagi
6634 Brione Verzasca
verzascarustici.ch


Das Grotto ist ein kleines Stück Paradies für jene, die auf der Suche nach einer einfachen und traditionellen Küche sind. Der „Pesce in Carpione“ ist eine echte lokale Köstlichkeit – anders als jene, die man unten am Seeufer bekommt – und Resultat eines über Generationen überlieferten Rezepts. Der Wein ist kräftig und gut und wird im typischen Boccalino serviert. Auch eine Bocciabahn ist vorhanden und erinnert an die hart ausgetragenen Wettkämpfe unter Einheimischen an den feierlichen Sonntagen.

Grotto Efra
Luca Prat und Debora Holdener
Via Redorta
6637 Sonogno
grottoefra.ch


Es lohnt sich allemal, den rund 40-minütigen Aufstieg von Spruga auf sich zu nehmen, um dann den Fluss Isorno an der Grenze zu Italien zu erreichen. Hier befinden sich die Bäder von Craveggia. Die Überreste des alten Sanatoriums gehen auf das 19. Jahrhundert zurück, als die noblen Herrschaften mit der Kutsche anreisten, um im Thermalwasser zu kuren. Während des Zweiten Weltkriegs waren die Bäder von Craveggia Schauplatz einer Schlacht zwischen deutschen und italienischen Soldaten und Partisanen auf der Flucht in die Schweiz. Einige Jahre später wurde die Struktur durch eine Lawine fast vollständig zerstört. Einzig die Bäder wurden instand gestellt und als Teil des Projekts „Frontiera di Acqua e Pace“ der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Als Besucher genießen Sie das 28 Grad warme Wasser und eine Atmosphäre von Ruhe und Frieden, wie man sie nur in einem jahrhundertealten Wald vorfindet.

Bagni di Craveggia
6663 Spruga
T +41 848 091 091


Wer gerne wandert, wird von diesem spektakulären Erlebnis begeistert sein. Die „Via Alta Vallemaggia“ ist eine einzigartige Trekkingroute, die durch die unberührte und wilde Natur der Bergwelt um die Vallemaggia führt.
Genau gesagt, verläuft der Weg auf dem Sattel zwischen Vallemaggia und Valle Verzasca abwechselnd über Berggrate und durch üppige Wälder – immer wieder mit atemberaubenden Aussichten auf Berge, Täler und den Lago Maggiore. Die Gesamtroute kann von Süden bei Locarno oder von Norden bei Fusio gestartet werden und dauert insgesamt etwa eine Woche, sie kann aber auch an verschiedenen Punkten unterbrochen oder erst dort gestartet werden. Am Abend übernachtet man in einer der stimmungsvollen Alphütten, trinkt ein Bierchen oder ein Glas Tessiner Wein und erholt sich mit einem währschaften Abendessen von den Strapazen und knüpft ganz nebenbei Freundschaft mit anderen unerschrockenen Ausflüglern. Die „Via Alta Vallemaggia“ ist sicher anstrengend, aber das Erlebnis ist dermaßen einzigartig, dass die Mühen, die schmerzenden Beine und abgelaufenen Sohlen bald vergessen sind.

Via Alta Vallemaggia
Info: Associazione VAVM
6694 Prato Sornico
vialtavallemaggia.ch


Das „Grotto America“ wird meisterhaft von Davide „Dado“ Buvoli geleitet, der in gewisser Weise auch die Ursprünge des Orts wahrt. An den Steintischen begegnet man Personen unterschiedlichster Couleur und Herkunft. Im „Angolo degli Artisti“ kann man zwischen einem Affettato, einem Boccalino und der Schweinshaxe amüsiert den Gesprächen der Musiker zuhören, die manchmal sogar vom fernen Amerika stammen. Das Personal ist ausgesprochen freundlich und sympathisch und serviert typische traditionelle Gerichte aus authentischen Produkten lokaler Herkunft. Manchmal, wenn die Musiker so richtig loslegen, tanzt man auf den alten Steintischen zusammen mit anderen Gästen zu Blues und Rock.

Grotto America
Davide Buvoli
Via ai Grotti 71
6652 Ponte Brolla
grottoamerica.ch


Die „Casa Santo Stefano“ in Miglieglia verbreitet Wärme und Gemütlichkeit und lebt den typischen, einfachen Stil vergangener Zeiten. Man schnuppert hier aber auch Ferienluft und am Morgen den wunderbaren Duft von frischem Brot, feinem Butterzopf und von hausgemachten Konfitüren. Der Gasthof besteht aus drei prächtigen Häusern aus dem 17. Jahrhundert. Alle Zimmer sind geschmackvoll im Tessiner Stil eingerichtet, mit Böden aus Kastanienholz und herrlicher Sicht auf den Malcantone. Aber nicht nur die Vergangenheit macht dieses reizende Hotel begehrenswert, auch auf die Zukunft wird ein Auge geworfen, indem man respektvoll mit der Umwelt umgeht. Die verwendeten Produkte etwa sind von lokalen Produzenten und in Bioqualität und die Waschmittel biologisch abbaubar.

Casa Santo Stefano
Angeli und Christian Wehrli
6986 Miglieglia
casa-santo-stefano.ch


Das „Grotto Grassi“ ist ein junges und dynamisches Grotto, in der Seele aber gleichzeitig antik und der Tradition verwurzelt. Es liegt an einem unglaublich zauberhaften Ort, umringt von prächtigen Bäumen und mit einer traumhaften Sicht auf den Golf von Riva San Vitale. In der Hitze des Sommers wird es zu einer wahrhaft erfrischenden Oase. Die beiden Besitzer Mattia und Jan setzen alles daran, damit ihre Gäste lustvolle Stunden zwischen gutem Essen und zwangloser Unterhaltung verbringen können. Die Rezepte sind traditionell und regional, mit den Produkten der Umgebung zubereitet und immer mit einer Prise Kreativität angerichtet. So dürfen auch glutenfreie Gerichte oder solche für Vegetarier nicht fehlen – einfach, damit sich wirklich alle wohl fühlen.

Grotto Grassi
Mattia Germano und Jan Michalczyk
Via ai Grotti, 6865 Tremona
grottograssitremona.ch


Ticino Guide
Hrsg. Juliette Chrétien,
Pepe Regazzi
famiglianostrana.com
(italienisch)


Als Einzelheft oder Abo erhältlich


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