Film
Annette
Ab 16. Dezember 2021, Gartenbaukino, Parkring 12, 1010 Wien
Los Angeles in der Gegenwart: Henry (Adam Driver) ist ein Stand-up-Comedian mit einem ausgeprägten Sinn für Humor. Ann (Marion Cotillard), eine international bekannte Sängerin. Zusammen, im Rampenlicht, sind sie ein glamouröses und erfolgreiches Paar. Die Geburt ihres ersten Kindes, Annette, ein geheimnisvolles kleines Mädchen mit einer außergewöhnlichen Bestimmung, wird ihr Leben auf den Kopf stellen.
Regie: Leos Carax
FRA/MEX/USA 2021
140 Minuten, OmU
Billie
Kino
Auf der Bühne erklimmt sie ungeahnte Höhen, privat reißen Drogenkonsum und toxische Beziehungen sie in die Tiefe: Billie Holidays Leben bietet reichlich dramatischen Stoff. Die junge Journalistin Linda Lipnack Kuehl setzt sich 1970, 12 Jahre nach Billies Tod, daran eine umfassende Biografie über die einflussreiche Jazzsängerin zu schreiben. Doch 1978 stirbt Kuehl unter mysteriösen Umständen, zurück bleiben ein unvollendetes Buch und über 200 Stunden Audio-Interviews in Kassettenform. Regisseur James Erskine rekonstruiert aus dem Tonmaterial die Person hinter der Sängerin Billie Holiday und bebildert dies mit umfangreichem Archivmaterial, das aufwändig nachkoloriert wurde. Neben ihrem musikalischen Einfluss zeichnet der Film das Bild einer selbstbewussten Frau, die sich in einer männerdominierten Branche und in Zeiten der Rassentrennung mit dem Protestsong „Strange Fruit“ ins Visier des FBI sang. Quasi als Nebenplot erzählt Erskine Kuehls auf Widerstand stoßenden Versuch eine unverfälschte Biografie Holidays zu entwerfen: zwei Frauen, zwei Stimmen, die ihren Platz in der Welt suchten. (Martin Nguyen)
Regie: James Erskine
GB 2020, 96 Minuten
Filmstill: Polyfilm
Herr Bachmann und seine Klasse
Kino
Strickhaube, Kapuzenpulli und AC/DC-Shirt: Dieter Bachmann ist kein gewöhnlicher Lehrer. Der 65-Jährige steht in einer sogenannten Brennpunktschule in Stadtallendorf, einer Industriestadt in Hessen. 19 Kinder aus zwölf Nationen, die einen in Deutschland geboren, die anderen kämpfen seit wenigen Monaten mit einer neuen Sprache. Regisseurin Speth begleitet den unkonventionellen Lehrer und seine Klasse, dessen Fächer Reden, Zuhören und Musik im Vordergrund stehen, in einem Schuljahr, an dessen Ende ein Abschied steht: Die Noten werden über ihre weitere Schullaufbahn entscheiden.
Der Film beobachtet Bachmann wie er auf die sozialen Lebensrealitäten der Kinder Rücksicht nimmt und Entfaltungsmöglichkeiten aufzeigt, an die die Schülerinnen und Schüler selbst nicht glauben. Respekt und Empathie sind Rüstzeug des Unterrichts, auch wenn es zu Konflikten rund um Geschlechterrollen, gleichgeschlechtliche Liebe und Identität kommt. Ein zu Herzen gehender Dokumentarfilm, der aufzeigt wie nur eine Person das Leben von anderen verändern kann. (Martin Nguyen)
Regie: Maria Speth
D 2020, 217 Minuten
Filmstill: Madonnen Film
Mitgefühl
OT: It Is Not Over Yet
Kino
Hier gibt es reichlich Kuchen, Medikamente nur reduziert: Dagmarsminde ist ein Pflegeheim für demenzkranke Menschen mit einem einzigartigen Konzept: Umarmung, Augenkontakt und Berührung – Aufmerksamkeit und Mitgefühl stehen im Mittelpunkt. Das Haus wirkt mehr wie ein heimeliges Bed & Breakfast inmitten der idyllischen Natur im Norden Dänemarks als ein klassisches Pflegeheim.
Leiterin May Bjerre Eiby stieß auf der Suche nach einer Betreuung für ihren dementen Vater auf unzumutbare Verhältnisse. Kurzerhand baute sie eine alte Werkstatt um und betreut nun in hellblauer Uniform mit ihren Kolleginnen ein Dutzend Bewohnerinnen und Bewohner.
Behutsam beobachtet die Doku den Alltag, der den Moment in der Gemeinsamkeit feiert. Das Leben mit Demenz ist das Leben im Augenblick, wenn die Vergangenheit schwindet. Man wünschte sich ein wenig mehr Informationen zum Pflegekonzept, das mit „Umsorgung“ grob umschrieben wird, doch es bleibt ein berührender Einblick in eine inspirierende Form der Pflege, die ein Lebensende in Würde ermöglicht. (Martin Nguyen)
Regie: Louise Detlefsen
DK/D 2021, 96 Minuten
Filmstill: Per Fredrik Skioeld
Nomadland
VOD
On the road again: Fern (einnehmend: Frances McDormand) lebt in ihrem klapprigen Van auf der Straße und reist der schwindenden Arbeit quer durch Amerika hinterher: Amazon-Warenlager, Restaurantküche oder Toilettenreinigung. Fern will arbeiten, muss arbeiten. Nach dem Tod ihres Mannes schätzt sie die Freiheit der Straße, auch wenn die Mobilität zu Beginn nicht freiwillig ist. Der Film zeichnet sich durch einen authentischen Naturalismus aus, der im prekären Alltag Ferns die Poesie des Seins findet. In den weiten Landschaften der USA trifft sie in der Welt des Neoliberalismus auf gegenseitige Unterstützung anderer „Nomaden“, die Regisseurin Chloé Zhao mit Laiendarstellern besetzt und somit die Authentizität der Szenerie noch unterstreicht. Und doch bleiben die Begegnungen flüchtig, Fern zu sehr eigenbrötlerische Einzelgängerin. Ein sehenswertes Roadmovie in semidokumentarischer Form, das zurecht mit mehreren Oscars ausgezeichnet wurde. (Martin Nguyen)
Regie: Chloé Zhao
USA 2020, 108 Minuten
Filmstill: Disney