Film

Diagonale‘22-Eröffnungsfilm:
SONNE von Kurdwin Ayub
Dienstag, 5. April, 2022, 20.30 Uhr
Annenhof Kino, Annenstraße 29, 8020 Graz

Drei Wiener Teenagerinnen twerken im Hijab und singen einen Popsong. Ein YouTube-Video davon macht sie vor allem unter kurdischen Musliminnen und Muslimen über Nacht berühmt. Yesmin, die als einzige der Freundinnen selbst Kurdin ist, beginnt sich immer weiter von ihrer Kultur zu distanzieren. Nati und Bella scheinen hingegen fasziniert von der ihnen fremden Welt. Als die Mädchen zwei junge kurdische Patrioten kennenlernen, droht die Situation zu eskalieren. Ein Film über Jugendliche zwischen Social Media und Selbstfindung, eine Geschichte von Rebellinnen.

Regie: Kurdwin Ayub
AT 2022, 88 Minuten

Tickets ab 30. März unter diagonale.at.


Frau im Dunkeln
(OT: The Lost Daughter)

Noch ist der Strand leer. Leda (Olivia Colman), Ende vierzig, Literaturprofessorin, landet auf einer sonnendurchfluteten, griechischen Insel. Ein Arbeitsurlaub, den Koffer voller Bücher trägt ihr Hausmeister Lyle (Ed Harris) zum Appartement mit Balkon. Scheinbare Ferienidylle. Bis Nina (Dakota Johnson) und ihre prollige Großfamilie aus New York den leeren Strand einnehmen und Ledas Idylle bricht. Kindergeschrei, Familienzwist, dazwischen geht Ninas Tochter Elena im Trubel verloren. Leda beobachtet, hilft bei der Suche und findet das Kind. In Rückblenden tauchen Ledas verdrängte Erinnerungen auf: Gefangen in ihrer erdrückenden Rolle als Mutter und Hausfrau, versuchte die junge Leda (Jessie Buckley) eine akademische Karriere zu verwirklichen.
Maggie Gyllenhaals Regiedebüt basiert auf einem Roman von Elena Ferrante, Colmans Spiel trägt den Film allein und ist dabei einnehmend und zwiespältig zugleich. Erzählt in melancholischem Tonfall, beobachtet fortan Leda Ninas Überforderung als Spiegel ihrer eigenen Schuldgefühle und Selbstzweifel, während Fragmente ihrer Vergangenheit freigelegt werden. Dabei tritt deutlich hervor, wie stark Muttersein von gesellschaftlichen Normen geprägt ist und wie wenig Platz für Selbstverwirklichung bleibt. Ein feinsinniges, subtiles Sehvergnügen. (Martin Nguyen)

Regie: Maggie Gyllenhaal
USA 2021, 121 Minuten
(Netflix)


Nowhere Special

Wie trifft man die richtige Entscheidung? Fensterputzer John (James Norton) lebt in Nordirland mit seinem vierjährigen Sohn Michael (Daniel Lamont), die leibliche Mutter hat die Kleinfamilie kurz nach dessen Geburt verlassen. John ist unheilbar krank, ihm bleiben nur mehr wenige Monate, um die „richtige“ Adoptivfamilie für Michael zu finden. Eine Aufgabe, die ihn innerlich zerreißt. Soll es die wohlhabende Familie mit ambitionierten Berufsplänen für den Jungen sein oder das kinderliebende Paar mit Tochter? Ist das, was er für gut befindet, auch das Beste für seinen Sohn?
Von all dem weiß Michael nichts. Die körperliche Arbeit fällt John mit jedem Tag schwerer und doch versucht er, seinem Sohn ein liebevoller Vater zu sein, der ihm Aufmerksamkeit und Normalität bietet. Regisseur Uberto Pasolini inszeniert die Geschichte, die auf wahren Begebenheiten basiert, mit Zurückhaltung und großer Empathie, setzt auf die Chemie der Hauptdarsteller und verzichtet auf dramatische Überhöhung. Es ist ein Film voller Traurigkeit und Liebe zugleich, der tief unter die Haut geht. (Martin Nguyen)

Regie: Uberto Pasolini
GB/I/ROM 2020, 96 Minuten
(Kino)


Ballade von der weißen Kuh
(OT: Ghasideyeh gave sefid)

Das Unglück steht gleich zu Beginn: Minas Ehemann wird im Iran hingerichtet, zurück bleibt eine gebrochene Frau (Co-Regisseurin Maryam Moghadam) und eine gehörlose Tochter, die im Unklaren über das Verschwinden ihres Vaters gelassen wird. Ein Jahr später erfährt Mina von seiner Unschuld, die Behörden räumen ein Fehlurteil ein und bieten eine finanzielle Entschädigung. Der irdische Irrtum sei Gottes Wille gewesen. Mina solle dies akzeptieren, doch sie will die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Während sie als alleinerziehende Witwe gegen die rigiden Moralvorstellungen und das patriarchale Rechtssystem kämpft, taucht unverhofft Reza, ein angeblicher Freund ihres Mannes, auf und bietet seine Unterstützung an.
Nirgendwo sonst auf der Welt werden so viele Todesstrafen vollstreckt wie im Iran. Jedes Bild verrät die repressive Haltung des Staates gegenüber seinen Bürgern und Bürgerinnen. In statischen Einstellungen verhandelt der Film Fragen rund um Schuld und Sühne, Moral und Gerechtigkeit in einer Rechtsordnung, die auf Vergeltung aufgebaut ist. Faszinierend und vielschichtig ist dabei Minas Figur, die sich durch ein politisches System kämpft, das tief in das Private vordringt. (Martin Nguyen)

Regie: Maryam Moghadam,
Behtash Sanaeeha
IRN/F 2020, 105 Minuten
(Kino)


Noch einmal, June
(OT: June Again)

Ist man noch die gleiche Person, wenn man sich an nichts erinnert? June (Noni Hazlehurst) leidet nach einem Schlaganfall an Demenz, kann sich ihre Zimmernummer im Pflegeheim nicht mehr merken, an der Aufgabe einen Stift zu benennen, scheitert sie schmerzlich. Als wie durch ein Wunder ihre Erinnerung zurückkehrt, büxt sie kurzerhand aus dem Heim aus. Mit dem Gedächtnis kehrt auch ihr Charakter zurück, der nicht der sympathischste war: Als rechthaberische Matriarchin mischt sie sich gleich ungefragt (erneut) in das Leben ihrer erwachsenen Kinder ein. Die Freude der Familie über die Rückkehr der „alten“ June währt nur kurz.
Was nach einer guten Ausgangslage klingt, kann leider nicht sein Potenzial einer Tragikomödie mit Fallhöhe ausschöpfen. Die temporäre Klarheit Junes entlockt leider nur vorhersehbare Drehbuchwendungen, der uninspirierte Musikeinsatz füllt keine emotionalen Leerstellen und so bleibt der Film ohne Höhen in Erinnerung. (Martin Nguyen)

Regie: JJ Winlove
AUS 2020, 99 Minuten
(Kino)


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