Film

ORIGINAL Filmempfehlungen

Unbekannte Gebiete / Unknown Territories
Blickle Kino, Belvedere 21, Wien
29. September 2022, 18:00 – 21:30 Uhr
Im Rahmen ihrer Ausstellung „The Now Voyager“ hat Rebecca Warren ein Filmprogramm zusammengestellt: Eröffnet wird das Double Feature von George Lucas erstem Spielfilm „THX 1138“, einer Low-Budget-Produktion, die mittlerweile zu den wichtigsten Science-Fiction-Filmen des New Hollywood zählt und das Leben in einer dystopischen zukünftigen Technokratie beschreibt. Im Anschluss folgt der Western „Meek’s Cutoff“ von Kelly Reichardt. Im Jahr 1845, während des Oregon Trail, heuert ein Wagenteam aus drei Familien den Bergmann Stephen Meek an, der die Gruppe auf einem nicht markierten Pfad durch die Wüste der Hochebene in eine unbekannte Zukunft führt.

THX 1138
Regie: George Lucas
USA 1971, 85 Minuten, OFmdU
Mit: Robert Duvall, Donald Pleasence u.a.

Meek’s Cutoff
Regie: Kelly Reichardt
USA 2010, 104 Minuten, OFmdU
Mit: Michelle Williams, Bruce Greenwood, Will Patton u. a.
belvedere.at/event/unbekannte-gebiete-unknown-territories
Filmstill: © 2022 Warner Bros. Ent. All Rights Reserved


Der Sommer mit Anaïs
(OT: Les amours d‘Anaïs)

30, quirlig, redet ohne Punkt und Komma: Anaïs (Anaïs Demoustier), Studentin mit der sprunghaften Art eines Teenagers lernt auf einer Feier in Paris den angegrauten Verleger Daniel (Denis Podalydès) kennen, der von ihr hingerissen ist. Er will eine heimliche Affäre ohne seine Frau Émilie (Valeria Bruni Tedeschi) zu verlassen, Anaïs indessen findet zunehmend Interesse an Émilie selbst. Kurzerhand reist Anaïs der Schriftstellerin in die Bretagne zu einem Kolloquium nach, notorische Geldnot umschifft sie mit Charme und Redekraft und wirft sich ohne Scheu in ihr Aufmerksamkeitsfeld.
Regisseurin Charline Bourgeois-Tacquet ent-
wirft eine Sommerkomödie, die sich von der anfänglichen Leichtigkeit löst und zum sinnlichen Treffen zweier Seelenverwandten wird. Émilie ist zunächst von der fremden Frau irritiert, doch auch sie kann sich Anaïs‘ ungestümen Art nicht entziehen. Demoustier treibt mit ihrer überbordenden Energie den Film voran, während Bruni Tedeschi als reife, weise Frau fasziniert. Die Krebserkrankung von Anaïs Mutter hingegen fügt der Unbeschwertheit einen ernsteren Ton hinzu. Im großartigen Schlussdialog will Émilie kühlen Kopfes den Sommer der Liebe als flüchtigen Moment ohne Zukunft resümieren. Doch Anaïs hat andere Pläne. (Martin Nguyen)

Regie: Charline Bourgeois-Tacquet
F 2021, 98 Minuten, (Kino)

Last Film Show – Das Licht, aus dem die Träume sind

Samay liebt Filme! Nach dem Besuch im örtlichen Kino ist die Begeisterung des neunjährigen indischen Buben für die rauschenden Farben, für das Licht, das die Geschichten auf der Leinwand zum Leben erweckt, entfacht. Nur sein Vater, ein Teeverkäufer an einem abgelegenen Bahnhof, will nichts davon wissen. Kino? Ein Ort der Sünde! Per Zufall trifft Samay auf den Filmvorführer Fazal, der von den Kochkünsten von Samays Mutter begeistert ist. Im Austausch für seine Lunch-box, lässt Fazal ihn umsonst die Filmwelt entdecken.
Regisseur Pan Nalin formt aus Teilen seiner Kindheit eine Liebeserklärung an das Kino und beschwört einen nostalgischen Abgesang auf die analoge Filmtechnik. Fazal nimmt Samay unter seine Fittiche und bildet ihn am Projektor aus. Noch ahnt Samay nichts vom drohenden Ende der Ära des Zelluloids. Mit geklauten Filmrollen und einem selbstgebastelten Vorführgerät bespielen seine Freunde ein verstecktes Lichtspielhaus und stemmen sich mit kindlicher Resilienz gegen den drohenden Umbruch. Der Film ist ein Fest der Farben: sonnendurchflutete Felder, duftende Currys (Frauen fanden im Drehbuch nur bei der Zubereitung der Speisen einen Platz) fängt die Kamera sinnlich ein und umrahmt charmant Samays filmische Sozialisierung. (Martin Nguyen)

Regie: Pan Nalin
IND/F/USA 2021, 112 Minuten, (Kino)


Der Waldmacher

Wer ist Tony Rinaudo? Der australische Agrarwissenschaftler kam 1981 nach Niger, um die Wüstenausbreitung zu bekämpfen. Kolonialer Raubbau an der Natur führte einst zur Verödung fruchtbarer Böden, verheerende Hungersnöte waren die Folge. Nur Rinaudos Versuche, mit Setzlingen den Wald aufzuforsten, scheiterten kläglich. Eine „Erleuchtung“ sollte seinen Blick auf einen einsamen Busch in der Wüste lenken: Er entdeckte ein tiefverzweigtes Wurzelwerk unter dem trockenen Boden. Mit einer simplen Pflanzenschnitttechnik wurden die Wurzeln aktiviert, aus zarten Büschen wuchsen wieder ganze Bäume.
Der 83-jährige Oscar-Gewinner Volker Schlöndorff begleitet in seinem ersten Dokumentarfilm das herzliche Wiedersehen Rinaudos mit den Menschen in Niger, dessen Landschaft und Sprache der bescheidene Waldmacher kennengelernt hat. Manch altbackene Animation bebildert Rinaudos Erweckungserlebnis, Schlöndorff selbst führt hinter und vor der Kamera mit Off-Stimme und religiös-spirituellem Unterton zu den Problemen der Region: Raubbau an der Natur, Landflucht, Wasserknappheit. Der Film behandelt die globalen Themen Armut und Nachhaltigkeit, porträtiert Kleinbäuerinnen und Wissenschaftler und webt filmische „Postkarten“ junger afrikanischer Filmemacher und Filmemacherinnen in die Montage. (Martin Nguyen)

Regie: Volker Schlöndorff
D 2021, 87 Minuten, (ab 9.9. im Kino)


Für die Vielen – Die Arbeiterkammer Wien

Wo suchen Arbeiter und Angestellte Hilfe? Vor knapp 100 Jahren wurde ein Gesetz im Nationalrat initiiert, nach welchem jedes Bundesland eine Kammer für Arbeiter und Angestellte bieten sollte. Constantin Wulff dokumentiert im Direct-Cinema-Stil in einem großen Institutionenporträt die Arbeiterkammer Wien (AK). Keine Interviews, keine „Talking Heads“, kein Kommentar und doch ist die Haltung des Filmemachers in jeder stillen Beobachtung spürbar.
Die Anmeldung am Schalter der AK ist die Pforte zu diversen Lebensgeschichten, jedes Gesicht trägt eine Leidensgeschichte mit sich: fehlendes Entgelt, Lohndumping, drohende Kündigung. Niederschwellig bieten Beraterinnen und Berater – mehrsprachig auf Serbisch, Ungarisch oder sogar mit Hilfe von Gebärdensprachdolmetschern – Unterstützung gegen Willkür der Arbeitgeber und für die Einhaltung von Gesetzen. In den Vorbereitungen zum Hundertjahr-Jubiläum der AK bricht die Corona-Pandemie aus. Unvermittelt muss die Institution sich intern mit Masken, Gummihandschuhen und Zoom-Meetings wappnen, während Kurzarbeit und ein sich destabilisierender Arbeitsmarkt neue Herausforderungen bringen. Ein spannender Film, der den Kampf der Arbeiterkammer im Eintreten für ein Gleichgewicht zeigt und mit Blick auf die Auswirkungen der Inflation hochaktuell bleibt. (Martin Nguyen)

Regie: Constantin Wulff
Ö 2022, 120 Minuten, (ab 23.9. im Kino)


Teilen auf:
Facebook