Filme
The Outrun
Nach mehr als einem Jahrzehnt kehrt Rona (Saoirse Ronan) in ihre Heimat auf den entlegenen Orkney-Inseln zurück. Während sie die einzigartige Landschaft, in der sie aufgewachsen ist, wiederentdeckt, vermischen sich ihre Kindheitserinnerungen mit der letzten, von Sucht geprägten Zeit. Ihr damaliger Aufbruch in die Stadt und die folgenden ausschweifenden Jahre in London endeten in einem schmerzhaften Absturz. Doch nach und nach wird die Begegnung mit der rauen Natur der Inseln zu einer Chance auf ein neues Leben.
Regie: Nora Fingscheidt
GB/DE 2024, 118 Minuten
(ab 5. Dezember 2024 im Votiv Kino Wien)
votivkino.at
Black Dog – Gefährten des Schicksals (OT: Gou Zhen)
Regisseur Guan Hu siedelt sein im Breitwandformat gedrehtes Drama „Black Dog – Gefährten des Schicksals“ im Jahr 2008 an. In Beijing steht in wenigen Tagen die Eröffnung der Olympischen Sommerspiele an. Doch von der Euphorie spürt der stoische Lang Yonghui (Eddie Peng) wenig. Gerade auf Bewährung wegen Totschlags aus dem Gefängnis entlassen, kehrt der kahlgeschorene verlorene Sohn in seine Heimatstadt Chixia im Nordwesten Chinas zurück. Eine verfallene Stadt am Rande der Wüste Gobi. Auf die desolaten Häuser wartet die Abrissbirne, im heruntergekommenen Zoo dreht ein Tiger einsam seine Runden. Die Menschen halten die Umsiedlungspapiere bereits in der Hand, die streunenden Hunde sollen von der Straße weg. So schreibt sich der wortkarge Lang in die Hundefängerstaffel ein, doch unter der harten Schale verbirgt sich ein weicher Kern: Er lässt die fliehenden Köter entkommen und freundet sich sogar mit einem schwarzen, drahtigen Hund an. Das geht zunächst nicht ohne Bisse. Doch die zwei Unerwünschten geben sich schließlich gegenseitig Halt, während Lang die Nähe zum entfremdeten Vater sucht und sich mit einer Zirkusartistin anfreundet. Eine Annäherung vor dem Hintergrund einer chinesischen Gesellschaftskritik, die von feinem Humor durchzogen ist. (Martin Nguyen
Regie: Guan Hu
CHN 2024, 116 Minuten
(ab 6. Dezember im Kino)
Shambhala
Die junge Pema (Thinley Lhamo) soll heiraten. Gleich mehrere Männer, nämlich drei Brüder. In den abgelegenen Dörfern Nepals hoch im Himalaya wird die Polyandrie, die Vielmännerei, als Tradition noch gelebt. Als ihr erster Ehemann Tashi (Tenzin Dalha) zu einer Handelsreise in die tibetische Hauptstadt Lhasa aufbricht, kümmert sie sich um ihren dritten Ehemann, den noch minderjährigen Bruder Dawa. Der zweite Ehemann Karma (Sonam Topden) hat hingegen als Mönch sein Leben dem Kloster verschrieben. Als die Handelsdelegation ohne Tashi heimkehrt, bricht die schwangere Pema auf, um ihren Lieblingsmann zu suchen. Es geistert das Gerücht herum, Pemas ungeborenes Kind sei von einem anderen und der Grund für Tashis Fernbleiben.
Regisseur Min Bahadur Bham verwebt in seinem kontemplativen Film die ethnologische Beobachtung alter Traditionen mit einem sich bedächtig entfaltenden Drama. Es ist ein karges Leben. Yaks pflügen den krustigen Boden, die Frauen sammeln winzige Blüten. Auf Pemas Reise präsentiert der Film fremde Bräuche und Riten, ein mystisches Element zieht in den Film ein: ein Folklorelied auf einem nepalesischen Saiteninstrument, eine Himmelsbestattung mit Geiern. Alles in dem gemächlichen Tempo, das der majestätischen Landschaft innewohnt. Doch wer sich auf die für westliche Augen ungewohnte Bedächtigkeit einlässt, wird mit einem faszinierenden Einblick in die nepalesische Kultur belohnt. (Martin Nguyen)
Regie: Min Bahadur Bham
NPL/F/NOR/TR/HK/TW/USA/QAT 2024,
150 Minuten (ab 13. Dezember im Kino)
Zwischen uns Gott
Rebecca Hirneise mag Gott nicht. Und an ihn glauben tut sie schon gar nicht. Aber sie will nicht, dass ihre strenggläubige Familie sie so reden hört. Seit Jahren lebt sie auf Distanz zu ihnen. Durch die Demenzerkrankung ihrer Großeltern entscheidet sie sich jedoch, mit ihrem Film „Zwischen uns Gott“ wieder Nähe zu suchen. Sie versammelt in ihrer Heimatstadt Mühlacker in Süddeutschland ihre Onkel und Tanten vor der Kamera, die eine spezielle Bandbreite in der evangelisch-methodistischen Community abdecken: vom handauflegenden Onkel, der mit dem Gebet Heilung anbietet, über die depressive Tante bis hin zu Hirneises eigener Mutter, die nach der Scheidung von der Gemeinde verstoßen wurde. Sie hat sich schließlich vom Glauben abgewendet. Das enge Erziehungskorsett der strikten Großeltern verbot etwa Tanz oder den Besuch des Lichtspielhauses. „Eine verlorene Zeit“, kommentiert Hirneises Tante. Trauer und Resignation schwingen mit.
Die Religion war ständig präsent, aber niemand sprach in Hirneises Familie darüber. In intensiven, bisweilen kontroversen Gesprächen zeigen sich nun die Zerwürfnisse und Trennlinien innerhalb der Familienmitglieder. Ein finales Fazit lässt sich nicht ziehen, aber Regisseurin Hirneise versucht bis zuletzt, mit Respekt verständnisvoll zu sein. (Martin Nguyen)
Regie: Rebecca Hirneise
A 2024, 91 Minuten
(ab 24. Jänner 2025 im Kino)
Flow
Eine kleine schwarze Katze flieht vor einer überschwemmenden Flut, die alles mitreißt, was sich ihr in den Weg stellt. Mit letzter Kraft rettet sie sich in ein herrenloses Segelboot, am Steuerrad ein stoisches Wasserschwein!
Der lettische Regisseur Gints Zilbalodis setzt nach seinem Trickfilm „Away“ (2019) in seinem neuen Film „Flow“ erneut auf eine zurückhaltende Digitalanimation ohne Dialog. In einer Welt, in der verfallene Bauten und Statuen von einer verlorenen menschlichen Zivilisation erzählen, formt sich eine Truppe gestrandeter Tiere zu einer Art Patchworkfamilie. Neben der wachen Katze gesellt sich ein diebischer Lemur mit glitzerndem Diebesgut zu ihnen. Ein verspielter Hund und ein geheimnisvoller Sekretärsvogel vervollständigen die Reisegruppe. Natürlich müssen sich die unterschiedlichen Kreaturen erst einmal zusammenraufen, um in dieser Welt zu bestehen. Keine Menschen, eine große Sintflut – der Kontext zur Klima-krise ist leicht herzustellen. Die Botschaft lautet: Nur gemeinsam überleben wir!
Die Grafik strebt nicht nach glatter Perfektion, sondern wirkt vielmehr wie eine ausgediente Version eines in die Jahre gekommenen Online-Rollenspiels, das dem mystischen Abenteuer der Tiere eine entrückte Qualität verleiht. Nicht nur ein magisches Erlebnis für Kinder, sondern auch für Erwachsene mit offenen Herzen. (Martin Nguyen)
Regie: Gints Zilbalodis
B/LV/F 2024, 85 Minuten
(Anfang 2025 im Kino)