Fracht unter Segeln

Von Anna Greissing

Im November 2016 berichteten wir von der Geschichte der Tres Hombres, dem damals weltweit einzigen Segelfrachtschiff, das emissionsfrei Ware zwischen den Kontinenten transportierte. Heute können wir sagen: Fairtransport ist eine Bewegung im Aufwind.
2007 setzen drei passionierte Segelfreunde eine ziemlich verrückte Idee um und bauen mithilfe von 150 Freiwilligen einen alten Kriegsfischkutter zu einem Segelboot um. Die nach den drei Freunden Andreas Lackner aus Österreich und Jorne Langelaan sowie Arjen van der Veen aus Holland benannte Brigantine Tres Hombres sollte in der Folge zur Galionsfigur der Clean Shipping Bewegung werden. Seitdem transportiert die motorlose Brigantine biologische und fair gehandelte Genussmittel mit der Kraft des Windes zwischen Europa und der Karibik hin und her. Mittlerweile hat sich das Projekt, das Bewusstsein schaffen will für den Wert der Windkraft und die Machbarkeit nachhaltiger Seefracht, nicht nur konsolidiert und vervielfältigt, sondern auch ambitionierte Folgeprojekte inspiriert. Heute transportieren bereits knapp zehn Segelschiffe nach dem Vorbild der Tres Hombres Waren und Menschen durch die ganze Welt. Und in Costa Rica entsteht gerade das größte Segelfrachtschiff aus Holz, das jemals gebaut wurde.

Einmal in die Karibik und zurück
Es ist der 4. November 2020, Den Helder, Holland. Die Tres Hombres bricht zu ihrer jährlichen Ozeanüberquerung auf. An Board eine 14-köpfige Mannschaft aus Profis und Trainees. Letztere können seit einigen Jahren im Rahmen des „Sail Along“-Programms das Arbeiten und Leben am Segelschiff kennenlernen. Für die meisten ist es eine Erfahrung fürs Leben. Kapitän ist diesmal wieder Andreas Lackner, einer der drei „hombres“, die von Anfang an dabei waren. Der Steirer lebt seit vielen Jahren in Holland, also wenn er nicht gerade auf dem Meer unterwegs ist. Heute ist Lackner Hauptverantwortlicher für die Tres Hombres und Manager von fairtransport.eu, der Agentur, die für die Frachtverträge zuständig ist. Mehr als 20 Firmen aus der ganzen Welt, die auf umweltfreundlichen Transport setzen, verschiffen mittlerweile ihre Waren mit der schönen Brigantine. Damit gelingt es dem Segelschiff, die Frachtkapazität von 40 Tonnen bei den Ozeanüberquerungen bestens auszulasten. „Die ersten Jahre haben wir vor allem tropische Güter wie Rum und Kakao aus der Karibik nach Europa gebracht“, erzählt Andreas Lackner. „Damals ging es vor allem darum, zu zeigen, dass Transport unter Segeln überhaupt machbar ist – und auch notwendig, wenn wir unsere Meere vor der enormen Verschmutzung durch Containerschiffe schützen wollen. In den letzten Jahren verschiffen wir aber auch immer mehr europäische Produkte wie Wein und Olivenöl in den Süden“. Konsumenten sind ausgewählte Restaurants, Händler, aber auch Privatpersonen, die im Onlineshop bestellen können.

Nach sechs Tagen erreicht die Tres Hombres als ersten Stopp den Naturhafen von Cork in Irland. Zu dem Fass Gin im Frachtraum und einigen Litern Olivenöl aus Portugal, das für den karibischen Markt bestimmt ist, kommen 8.000 Flaschen bestes irisches Bier dazu. Sie sind für einen französischen Händler, dem sie bereits zehn Tage später beim dritten Halt im Hafen von Douarnenez in der Bretagne übergeben werden. Dafür kommen dort und beim kommenden Stopp in Vigo, Galizien, zwei Paletten Wein, ein Fass Armagnac und mehrere leere Wein- und Sherry-Fässer aus Eichenholz an Board. In ihnen wird der Rum während der gesamten Ozeanüberquerung reifen und seinen besonderen, jährlich wechselnden und mehrmals prämierten Geschmack annehmen.

In La Palma auf den Kanarischen Inseln – Ankunft am 7. Dezember – macht das Segelschiff seinen letzten Stopp auf europäischem Boden. Hier deckt sich die Crew mit Nahrungsmitteln und Getränken für die Überfahrt ein. Außerdem kommt Salz von den lokalen „salinas“ an Bord sowie der einzige Tres Hombres Rum nicht-karibischen Ursprungs: der Ron Y Miel La Palmera, hergestellt von einem Familienbetrieb aus 100 Prozent biologischem, lokalen Zuckerrohr und La Palma Bienenhonig.

Wind und Wetter sind günstig. Nach einem knappen Monat erreicht die Tres Hombres am 4. Januar 2021 die Insel Martinique auf den kleinen Antillen. Hier darf die Crew erst einmal die gelungene Überfahrt feiern und sich ausruhen. „Das Leben an Board ist nicht immer leicht, vor allem für die Trainees“, erzählt Kapitän Andreas. „Der Schlafrhythmus ist ungewohnt, oft herrscht starker Wellengang, man ist den Elementen ausgesetzt. Es gibt keine Dusche an Board und auch keinen Kühlschrank, man muss also auf so manches Gewohnte verzichten“. Umso belohnender ist dafür das erste Bad im azurblauen Karibikmeer. Fast zwei Monate wird die Tres Hombres in der Karibik verbringen, bevor sie Anfang März wieder zurück nach Holland schippert. Neben dem Ein- und Ausladen von Waren in Martinique, Barbados und der Dominikanischen Republik soll genügend Zeit bleiben, das Leben auf den Inseln zu genießen. Vor allem die Trainees haben so die Möglichkeit, Land und Leute kennenzulernen; Andreas besucht Produzenten vor Ort und erkundet zukünftige Partner. Bei der Rückkehr in Den Helder im April 2021 wird der Frachtraum der Tres Hombres randvoll sein mit Rumfässern und Säcken, gefüllt mit Zucker, Kaffee, Kakaobohnen, Salz und Thunfisch, bestimmt für Konsumentinnen und Konsumenten in ganz Europa. Für den Rest des Jahres wird die Tres Hombres dann wieder auf den europäischen Meeren zwischen Skandinavien und Spanien unterwegs sein, wieder mit Waren und Trainees an Board.

Ambitionierte Folgeprojekte
Andreas hat sich mit der Tres Hombres einen Lebenstraum erfüllt. Aber auch weitere zehn Personen können heute von der Arbeit rund um das Schiff und die Frachtagentur leben. Die Vision der drei Freunde, mit ihrer Brigantine zu zeigen, dass gewinnbringender Transport mit Windkraft zwischen den Kontinenten möglich ist, hat bereits andere inspiriert: Segelschiffe wie die Aventuur in Deutschland, die Gallant in Frankreich oder die im Endbau befindliche Brigantine in Sizilien – übrigens ein Projekt zweier Kärntner Brüder – orientieren sich am Beispiel der Tres Hombres und transportieren biologische Güter, aber auch abenteuerlustige Segler und solche, die es noch werden wollen, zwischen Europa und dem amerikanischen Kontinent. Nach anderen Sphären greift der geplante Bau des Ecoclippers, eines riesigen Segelschiffs aus Stahl, der von Tres-Hombres-Mitgründer Jorne Langelaan seit Kurzem in Eigenregie vorangetrieben wird. Mit drei Masten und über 23 Segeln ausgestattet soll dieses Segelschiff der Königsklasse künftig bis zu 500 Tonnen Fracht ohne Motor transportieren können. Und in Costa Rica entsteht gerade mit dem Megaprojekt Sailcargo Inc. unter Mitwirken des lokalen Umweltministeriums das größte jemals gebaute Segelschiff aus Holz: die Ceiba, das Mutterschiff, soll bei Fertigstellung in etwa zwei Jahren als Flaggschiff einer künftigen Clean Cargo Flotte in Betrieb gehen. Der spektakuläre Bau wird derzeit von einer Gruppe Profis und Freiwilliger nach traditioneller Bauweise umgesetzt, aber auch mit Einbindung neuester und sauberer Technologien. Die Initiatoren Lynx Guimond und Danielle Doggett sind Freunde und ehemalige Crewmitglieder der Tres Hombres.

Saubere Windkraft
90 Prozent des Welthandels werden heute auf dem Schiffsweg transportiert, auf riesigen Containerschiffen, angetrieben mit giftigem Altöl und zigfach umweltschädlicher als etwa Flugzeuge. Das Arbeitspersonal wird zum Teil unter sklavenähnlichen Zuständen ausgebeutet. Projekte wie fairtransport.eu und sailcargo inc. wollen zeigen, dass es saubere und faire Transportalternativen gibt –und damit die bisher existierende Lücke in der Handelskette von ökologischen Produkten schließen, die zwar biologisch hergestellt, aber meist aufgrund fehlender Möglichkeiten auf dem herkömmlichen Weg als Containerfracht transportiert werden.
„Die Clean Shipping Bewegung ist noch klein, hat aber in den letzten Jahren starken Aufwind bekommen“, sagt Andreas Lackner. „Das Ziel ist natürlich nicht, eine Konkurrenz zu den Containerschiffen zu schaffen, sondern vielmehr unser Konsumverhalten in Frage zu stellen und Bewusstsein zu schaffen für die Problematik der massiven Verschmutzung unserer Weltmeere.“
Es ist wohl an der Zeit, beim Konsum noch stärker auf regionale Produkte zu setzen und unnötige Bestellungen von Übersee einzuschränken. Dass es heute auch möglich ist, exotische Genüsse wie Kaffee, Kakao oder Rum emissionsfrei in Europa zu beziehen, ist letztlich der visionären Idee von drei jungen Männern zu verdanken, die der Zufall vor knapp 13 Jahren auf einem Segelschiff zusammenführte.

Anna Greissing führte das Interview mit Andreas Lackner Mitte Januar, als die Tres Hombres bei Martinique vor Anker lag.
Zitat sailcargo: „Developing a resilient, decarbonized transportation sector is one of the most critical tasks of the Anthropocene.“
Weiterführende Links:
fairtransport.eu
ecoclipper.org
sailcargo.org/en/vessel


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