Frauen im Spiel

Irene Fuhrmann ist die erste weibliche Teamchefin des österreichischen Frauen-Nationalteams im Fußball. Im Interview spricht sie über Ungleichheiten im Sport und die wichtige Funktion von Frauen im Profisport.
Interview Mirela Jašić, Fotos Christopher Glanzl

Für die Fotoserie begleitete der Fotograf Christopher Glanzl das Team 2020 nach Kasachstan

Was ist das für ein Gefühl, die erste Teamchefin in Österreich zu sein?
Irene Fuhrmann: Ich habe es in meiner Antrittsrede gesagt: Ich bin mit dem Frauenfußball sehr eng verbunden, schon allein dadurch, dass ich als Spielerin aktiv war und die Entwicklung der vergangenen zwanzig Jahre hautnah miterlebt habe. Es ist für mich daher ein absolutes Privileg, das höchste Traineramt, das es im österreichischen Frauenfußball gibt, auszuüben. Nichtsdestotrotz sage ich immer wieder gerne dazu, dass es auch für jeden Mann, der dieses Amt innehat, ein Privileg sein sollte.

Sie haben als erste Teamchefin des österreichischen Nationalteams eine ganz besondere Vorbildfunktion inne, nämlich gegenüber jungen Frauen und Mädchen, für die sich so eine neue Perspektive auf den Fußball eröffnen kann.
Ich bin mir dieser Vorbildfunktion bewusst, aber dennoch sage ich immer: Ich bin Fußballtrainerin und möchte zunächst über sportliche Themen sprechen. Natürlich habe ich inzwischen auch erkannt, dass es ein besonderes Gewicht hat, wenn ich mich zu anderen Themen äußere. Grundsätzlich war mir auch bewusst, dass meine Bestellung gewisse Reaktionen hervorrufen wird, aber in diesem Ausmaß habe ich es dann doch nicht erwartet – auch deshalb, weil es sich um eine Position im Frauenfußball handelt und ich meine: Wenn im Frauenfußball keine Frau irgendwann einmal Cheftrainerin sein kann, wo denn dann?

Wer waren Ihre Vorbilder im Fußball?
Ich bin ja erst mit 20 Jahren in den Vereinsfußball gewechselt, davor habe ich nur im Käfig gespielt. Damals war Frauenfußball für mich nicht so greifbar und daher hatte ich keine großen Vorbilder. In der ÖFB Frauen-Akademie nehmen wir immer wieder junge Fußballerinnen auf und wenn wir früher gefragt haben: „Kennst du eine Nationalteamspielerin beim Namen oder hast du weibliche Vorbilder?“, dann kam da meistens nichts. In den vergangenen Jahren und vor allem seit dem Erfolg in der Fußball-Europameisterschaft der Frauen 2017 sind die Namen von Spielerinnen wie Laura Feiersinger, Viktoria Schnaderbeck und Carina Wenninger bekannt. Sie erscheinen immer wieder in den Medien und werden so zu Vorbildern, denen wiederum andere junge Spielerinnen nachstreben. Diese Entwicklung zeigt, wie wichtig mediale Präsenz für das Interesse an Fußball bei Mädchen ist.

Man kann mit Fußball viel Geld verdienen, vor allem wenn man im Profifußball und ein Mann ist. Wie ist das als Frau?
Frauenfußball ist immer noch ein Amateursport – außer bei gewissen Teamspielerinnen von uns, die bei Arsenal oder bei Bayern München spielen. Das sind Top-Klubs und da müssten sie nicht unbedingt nebenbei arbeiten oder eine Ausbildung machen – machen sie aber trotzdem. Ich glaube, weil sie neben dem Fußball auch etwas anderes machen und sich auf die Karriere danach vorbereiten möchten.

Im Männerfußball waren nicht immer so horrende Summen im Spiel. Uwe Seeler soll am Anfang seiner Karriere nebenbei Sportartikel verkauft haben, um sein Leben zu finanzieren. Verdirbt das viele Geld beziehungsweise die Industrialisierung des Fußballs den Sport?
Das Spiel ist stark kommerzialisiert. Für mich persönlich sind die Summen, die im Männerfußball genannt werden, überhaupt nicht mehr greifbar und ich bin auch der Meinung, dass da bald eine Umkehr stattfinden muss – wie auch immer das geschafft werden kann. Im Frauenfußball ist eine Bewegung in Richtung Normalität wünschenswert, nämlich dahin, dass Leistung auch angemessen bezahlt wird.

Wen sehen Sie als Favoriten bei der Fußball-Europameisterschaft der Frauen in England kommendes Jahr?
Ganz klar die großen Fußballnationen, wobei Deutschland jetzt einen starken Umbruch erlebt und ich gespannt bin, wie es in einem Jahr performen wird. Ich bin besonders gespannt auf England, weil sie zu Hause spielen, und darauf, wie sie mit dem Druck umgehen werden. Aber die Niederlande haben es bei der EM 2017 vorgezeigt, sie waren Gastgeberland und haben den Titel gewonnen und die Trainerin der Niederlande wird ja im Herbst Trainerin von England: Es wird also extrem spannend!

Wie schätzen Sie die Chancen des österreichischen Teams ein?
Die direkte Qualifikation an sich ist schon so ein großer Erfolg für uns. Es kann auch wieder gelingen, dass wir uns übertreffen. Dennoch müssen wir realistisch sein. Wir wissen auch, dass wirklich alles zusammenpassen muss, damit wir wieder ähnlich erfolgreich sein können wie bei der Europameisterschaft 2017.

Warum ist Frauenfußball in den USA so populär?
Frauenfußball ist in jedem amerikanischen College normal und nichts Außergewöhnliches. Es ist wünschenswert, dass wir in Europa und speziell bei uns in Österreich auch dahin kommen, dass Fußball für alle und nicht automatisch für Jungs ist. Als ich mit zehn oder elf Jahren das erste Mal in der Schule ins Freifach Fußball gegangen bin, hat man mir gesagt: „Ich glaube, du bist hier falsch.“ Ich habe geantwortet: „Nein, ich bin hier richtig.“

Andere hätte das bereits abgeschreckt.
Ja, aber für mich war es normal. An einer Schule mit Schwerpunkt Fußball in der Sportklasse haben sie gesagt: „Ein Mädchen im Fußball? Nein.“ Das hat mich dermaßen geärgert, dass ich dann in eine andere Schule gegangen bin.

Gibt es Länder, die in Bezug auf Frauenfußball und generell Frauensport ein Vorbild für Österreich sein könnten?
Frauenfußball ist nicht nur in Amerika, sondern auch in Schweden, Norwegen, Finnland, Dänemark und Holland beliebt und hat einen ganz anderen Stellenwert als hier. In diesen Ländern werden die vorhandenen Strukturen bestehender Klubs genutzt. Frauen haben dort aber an sich einen anderen Stellenwert als in Österreich. Bei uns beginnt es im Fußball auch langsam in diese Richtung zu gehen: Austria Wien und der SKN St. Pölten haben zum Beispiel Frauenteams, ebenso Wacker Innsbruck oder Sturm Graz, wir haben aber noch einen weiten Weg vor uns.

Was kann noch getan werden, um den Sport bei jungen Mädchen attraktiver zu machen?
Es braucht auf jeden Fall mehr Vorbilder in den Medien, damit der Sport greifbarer wird. Es muss auch in der Schule normal werden, dass ein Mädchen mit Burschen Fußball spielt oder dass Mädchenteams gegründet werden. Es gibt ein ganz tolles Projekt, das von der UEFA in Zusammenarbeit mit Disney entwickelt wurde, das sogenannte „Playmakers“. Es ist speziell für fünf- bis achtjährige Mädchen konzipiert. Wir gehen an Schulen und schaffen spielerisch einen Rahmen für den Erstkontakt von Mädchen mit Fußball.

Was würden Sie machen, wenn Österreich bei der Frauen-EM nächstes Jahr gewinnt? Würden Sie eine Wette darüber eingehen?
(lacht) Beim Wetten bin ich ganz schlecht! Aber ich würde mir auf keinen Fall die Haare abrasieren lassen oder Ähnliches. Es wäre jedenfalls extrem verrückt, wenn wir die EM gewinnen würden! Vielleicht werde ich irgendetwas machen, das muss ich mir noch überlegen.


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