Fridays For Future-Kolumne

Klimaschutz: Zwischen Albtraum und Utopie


Von Michael Spiekermann

Würde ich die Aussagen des Bundeskanzlers vom vergangenen Monat ernst nehmen, müsste ich mich von nun an als einen der Drahtzieher der größten steinzeitlichen Bewegungen bezeichnen, die unser Planet je gesehen hat. Gemeinsam mit weltweit Millionen Jugendlichen gehe ich auf die Straße und kämpfe für das Überleben meiner Generation. Es geht um Klimaschutz, eine klimagerechte Welt. Ein Thema, das leider immer noch stark polarisiert, auch in der Politik. Kanzler Sebastian Kurz denkt beim Klimaschutz offenbar an eine Rückkehr in die Steinzeit, an eine Zeit des Verzichts. Wenn ich hingegen von Klimaschutz spreche, denke ich an eine positive Zukunft – an das, was viele von uns als „das gute Leben“ verstehen.


Der österreichische Bundeskanzler wollte mit seiner Aussage die Verzichts-Debatte aus den 1980er Jahren wiederbeleben, doch die ist wissenschaftlich nicht haltbar. Forscherinnen und Forscher versichern nämlich genau das Gegenteil: Die Klimakrise zerstört Heimat und Eigentum, kostet schon heute Millionen Menschenleben im globalen Süden, erzeugt immer mehr Klimaflüchtlinge, verstärkt geopolitische Krisen, raubt Kindern und Frauen die Chance auf Bildung und Emanzipation, kann Fundamentalismus fördern, welcher politische Freiheit und Demokratien gefährdet. Die Klimakrise wird Kriege verursachen – womöglich auf allen Kontinenten. Kinder haben heute nicht mehr die Gewissheit, glücklich alt zu werden oder später sorgenfrei eine Familie gründen zu können. Es ist die Klimakrise, die unseren Wohlstand bedroht und sie ist es, die uns zurück in die Steinzeit katapultieren wird, wenn wir zu langsam dagegen ankämpfen.


Klimaschutz hingegen rettet uns nicht nur vor der Klimakatastrophe. Er wird uns auch in eine schöne und lebenswerte Zukunft führen. Ein Ende der Verbrennung fossiler Kraftstoffe würde sauberere Luft bedeuten. Und das tut not, wenn man bedenkt, dass in der EU knapp jede Minute ein Mensch an den Folgen von Luftverschmutzung stirbt. Weniger Autos hieße weniger Lärm und um zehntausende weniger Tote im Straßenverkehr. Eine klimafreundliche, überwiegend pflanzliche Ernährung ist zugleich gesünder und könnte den häufigsten Zivilisationskrankheiten Einhalt gebieten. Auch Fahrradfahren und Gehen macht gesund. Mehr Radfahren würde der österreichischen Bevölkerung Gesundheitskosten von täglich über drei Euro pro Person ersparen. Klimaschutz schafft zehntausende Jobs. Klimafreundliche Raumplanung mit kürzeren Wegen und weniger Autos bringt das Leben in den Ortskern zurück, schafft Geselligkeit und ermöglicht Kindern, wieder auf der Straße zu spielen.


Aber seien wir ehrlich. Ja, Klimaschutz bringt auch Unannehmlichkeiten mit sich: Die Vielflieger, also die reichsten Prozent unserer Bevölkerung, werden deutlich seltener fliegen müssen. Unsere Autos werden wegen des Energieverbrauchs deutlich kleiner sein. Intensiver Konsum wird gesellschaftlich nicht mehr gutgeheißen werden. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im fossilen Energiesektor müssen umgeschult werden und einen neuen Job annehmen. Und die Umstellung auf klimafreundliche Heizungen und Industrieanlagen kostet den Staat viel Geld. Zumindest kurzfristig sind das reale Nachteile – langfristig könnte die Klimakrise aber ohnehin all das in den Schatten stellen.


Als Gesellschaft haben wir nun die Wahl zwischen zwei Optionen: Möchten wir das Pariser Klimaabkommen einhalten und die ökologische Transformation mit allen Vor- und Nachteilen einleiten? Oder möchten wir noch zwanzig Jahre so weitermachen, die Klimakrise eskalieren lassen, allen Wohlstand verlieren und dann so tun, als hätte uns niemand vor einem verwüsteten und kaum bewohnbaren Planeten gewarnt?
Für mich ist die Entscheidung klar. Ich will keine Dystopie, sondern eine Perspektive für mich und meine Generation. Ich hoffe auf diese gesellschaftliche Veränderung, die die schönste und aufregendste Veränderung unserer Zeit werden könnte. Ich will ein von fossilen Energien befreites klimaneutrales Österreich. Das ist möglich, es tut nicht weh und bringt uns zahlreiche Vorteile. Wir werden als Gesellschaft voranschreiten und jedenfalls nicht zurück in die Steinzeit. Doch solange Politiker und Politikerinnen wirksame Gesetze blockieren und verzögern, müssen wir auf der Straße und in den Medien für Klimaschutz kämpfen. Jede Person ist eingeladen, politisch aktiv zu werden. Jede Person mit ihren Talenten und Ideen. Denn unsere Zukunft braucht uns jetzt.


Michael Spiekermann, geb. 1999, studiert Umwelt- und Bioressourcenmanagement an der Boku Wien und ist als Aktivist bei Fridays For Future Österreich zuständig für Klimagesetze und politische Gespräche.



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