Fridays For Future-Kolumne

Verdrängung heißer Aussichten

von Adrian Hiss

Das Klimaforschungsnetzwerk „Wegener Center“ vermeldete kürzlich, dass die österreichischen Emissionen für dieses Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit über denen von 2019 liegen werden, dem Jahr vor Corona. Während ich das las, stieg in mir eine Leere auf, ein kaltes Gefühl, das alle anderen Gedanken verdrängte. Mir kam die Headline eines Gastartikels der Klimaaktivistin Vanessa Nakate aus Uganda in den Sinn: „A rise of 1.2 degrees celsius is already hell for me“. Auf einmal fühlte sich meine tägliche stundenlange Fridays For Future-Arbeit unzureichend an.
Tage später kam die Meldung, dass in acht Jahren, selbst wenn alle derzeitigen Klimaschutzpläne umgesetzt werden, die weltweiten Emissionen anstatt um die nötigen 45 Prozent zu sinken um 16 Prozent steigen werden. Damit würde das von 196 Staaten vertraglich vereinbarte 1,5-Grad-Limit missachtet werden, und zwar so richtig. Jene Temperaturgrenze, die die „Allianz der Kleinen Inselstaaten“ erfolgreich in das Pariser Klimaabkommen hinein reklamiert hatte, damit die Auswirkung der Klimakrise auf ihr flaches Land möglichst gering bleibt und sie zusätzlich maximal viel Zeit für Anpassungs- oder Umsiedelungsmaßnahmen erhalten.
Was können wir tun, wenn die Welt auf Kurs ist, drei Grad heißer zu werden? Ausschlaggebend ist, dass wir mehr über die Klimakrise reden. Wir müssen betonen, dass wir schon heute und hier betroffen sind. Diese Vorgehensweise ist ein ausschlaggebender Grund, warum Fridays For Future eine so große Bewegung geworden ist. Junge Menschen weisen darauf hin, dass sie im Alter auf den Tod durch Hitze zusteuern. Wir sprechen aus, dass wir Angst und Sorgen vor den geopolitischen Auswirkungen von zunehmenden Dürren haben. Persönliche Betroffenheit wird als Frage der Gerechtigkeit am Essenstisch diskutiert, quer durch die Bevölkerung. Gepaart mit dem Verweis, dass alle Technologien existieren, um aus dem fossilen Zeitalter auszusteigen, aber der politische Wille bislang fehlt.
Es braucht mehr Menschen, die wütend über das sind, was uns genommen wird. Menschen, die diese Wut in Tatendrang umwandeln und gemeinsam die Personen, die an den vielen Schalthebeln sitzen, durch öffentlichen Protest dazu bewegen, endlich das Versprechen einzulösen, das sie vor sechs Jahren in Paris gemacht haben. Die Erde wird sich so lang aufheizen, so lange wir mehr CO2 emittieren als wir speichern können, das ist die banale Physik, mit der wir nicht verhandeln können. Aktuell verhandelt die Regierung über ein neues Klimaschutzgesetz. Ein wirksames Gesetz würde der Regierung einen Handlungsrahmen vorgeben und hätte vier zentrale Bestandteile.
Ausgehend von einem 1,5-Grad-Emissionsbudget wird ein jährlich sinkender Emissionspfad vereinbart. Gleichzeitig muss festgehalten werden, was passiert, wenn die Emissionen nicht sinken, also wie schnell die Bundesregierung zusammentritt, um Ausgleichsmaßnahmen zu beschließen. Und um all das kontrollieren zu können, braucht es einen unabhängigen wissenschaftlichen Rat, der Empfehlungen gibt und evaluiert. Und es braucht ein Recht auf Klimaschutz, falls die Regierung untätig bleibt. Bleiben diese vier Punkte aus, so wird die Klimakrise nicht wie eine Krise behandelt.
Wir dürfen die Klimakrise nicht länger verdrängen und sie nicht verschweigen. Wir könnten viel verlieren und noch mehr gewinnen, denn niemand mag es zu heiß.

Adrian Hiss ist 27 Jahre alt und studiert Neurobiologie an der Universität Wien. Seit fast drei Jahren engagiert er sich täglich als Aktivist bei Fridays For Future, um die Vereinbarungen des Pariser Klimaabkommens Realität werden zu lassen.


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