Gegen das große Wegwerfen

Immer mehr Initiativen und Geschäftsideen bewahren Ausrangiertes vor dem Schrottplatz, machen Kaputtes wieder funktionstüchtig und bringen alte Dinge zurück in den Kreislauf. Wir haben einen findigen Unternehmer sowie ein Repaircafé besucht.

Text Simone Fürnschuß-Hofer, Fotos Sarah Mistura

„Schon der Großvater hat rostige Nägel mit der Drahtbürste gereinigt und wieder geradegebogen. Er hat sehr bescheiden gelebt. Tief in mir drin steckt dieses Erbe, jede Schraube ist mir wichtig“, sagt Denis Vellacher, 54, der sich mit seinem „Studio Thalbach“ in Bregenz nicht nur einen Lieblingsort, sondern auch seinen Lieblingsberuf geschaffen hat. Hier verkauft er seit über drei Jahren Lampen- und Leuchtenklassiker aus vergangenen Epochen, die er mit viel Liebe, Zeit und Kunstsinn restauriert. Die Auswahl reicht von Tisch- und Stehleuchten über Hänge-, Wand- und Deckenlampen bis hin zu Industrie- und Werkstattleuchten, von elegant bis funky, und das in allen Formen und Farben.

„Eigentlich ist das das Schönste – mit Menschen zusammen etwas zu entwickeln und individuell zu gestalten.“ ( Denis Vellacher)

Kleine Veränderung, große Wirkung

Mit dabei im Vintage-Sortiment: Unikate der Marke Eigenbau, die der architekturaffine Lampen- und Lichtdesigner mithilfe von Stoff, Glas, Messing, Kupfer, Aluminium, Holz und Stein upcycelt beziehungsweise modifiziert. In all seinem Tun lässt er sich vom Grundgedanken der Wiederverwertung und Abfallvermeidung leiten. Dabei hat er auch keine Scheu, die charakteristischen Stile der 50er, 60er und 70er mit zeitgenössischen Elementen aufzumischen – allerdings nur, so Vellacher, „sofern es das Design erlaubt beziehungsweise die Notwendigkeit gegeben ist, etwas zu ersetzen.“ Er hat einen Blick dafür, was sich selbst aus Einzelteilen wie Lampenfüßen und -schirmen noch machen lässt. Das treffe sich umso besser, da alten Dingen eine unvergleichlich hohe Qualität zu eigen sei: „Es gibt wunderschöne Glasschirme aus den 70er Jahren, sie sind noch handgemacht, das hat richtig Stil. Es wäre schade, sie wegzuschmeißen, nur weil der Rest kaputt ist“, sagt einer, der die Kurzlebigkeit von Produkten kritisch sieht und es sich zur Lebenseinstellung gemacht hat, lieber „zurückzukurbeln und zu restarten“, als sich von der Rastlosigkeit der „Ständig-mehr-Maxime“ vereinnahmen zu lassen. Die investierten Handwerksstunden ließen sich freilich nicht immer weiterverrechnen, gibt er offen zu. Aber bei allem Anspruch nach Rentabilität sei „manches einfach Herzensangelegenheit“, Aufwand hin oder her.

So freue er sich auch, wenn jemand mit einer ausgedienten Lampe vorbeikomme, um gemeinsam zu überlegen, wie sie sich neu akzentuieren lasse. Denis Vellacher: „Eigentlich ist das das Schönste – mit Menschen zusammen etwas zu entwickeln und individuell zu gestalten.“ Mit dem „Studio Thalbach“ könne er jedenfalls genau „sein Ding“ machen – dank eines Jobs, den er im Grunde selbst kreiert habe. Und für den es neben handwerklichem Geschick und dem Sinn fürs Schöne vor allem noch zwei Dinge brauche: „Beharrlichkeit und Improvisationstalent.“

Reparieren geht über Ausrangieren

Schauplatzwechsel zur „Macherei“ in Wolfurt, einem Repaircafé, in dem jeden vierten Samstag im Monat nicht nur kaputtes Elektrogerät wieder zum Surren gebracht, sondern auch geleimt, gehämmert, geflickt, genäht, getauscht und gebastelt wird. Ins Leben gerufen hat das Angebot vor drei Jahren die Wolfurterin Angelika Purin, 48. Ein begeistertes Team fand sich schnell und mit dem ungenutzten Werkraum der Mittelschule auch eine fixe Bleibe, die die Gemeinde kostenlos zur Verfügung stellt. „Hilfe zur Selbsthilfe“, so das „Macherei“-Prinzip: Wer Bedarf hat, kommt einfach mit einem kaputten Gegenstand vorbei, schaut den Expertinnen und Experten beim Reparieren über die Schulter und legt bestenfalls gar noch selbst Hand an. Es gehe auch um Befähigung, sagt Angelika Purin: „Zu viel wird zu schnell weggeworfen. Oft auch, weil man sich selbst nicht darüber hinaus sieht, es zu reparieren, und weil es einfacher ist, ein neues Produkt zu kaufen. Aber es gibt Menschen, die die Fertigkeit besitzen, Altes zu reparieren, und dieses Wissen und Können möchten wir wieder unter die Leute bringen.“ Man würde nicht glauben, wie leicht manche Dinge wieder instand gesetzt werden können, weiß die Macherin. Und je mehr man sich davon abschaue, desto mehr wachse ein Grundverständnis in einem – und die Motivation, es selbst zu probieren.

„In diesem Raum ist immer eine besondere Stimmung. Oft hängt man ja emotional an den Dingen und wenn man dann sieht, mit wie viel Hingabe ein Lieblingsstück wieder ganz gemacht wird, dann überträgt sich diese Freude auf die anderen.“ (Angelika Purin)


Schraubenschlüssel und Kuchen

Die Idee der Repaircafés geht auf die niederländische Umweltaktivistin Martine Postma zurück, die das allererste Repaircafé 2009 in Amsterdam organisierte. Die Werkstatt-Angebote sind ehrenamtlich konzipiert, klare Hausregeln sorgen für ein entspanntes Miteinander. In der „Macherei Wolfurt“ sind regelmäßig neun bis zehn Reparateure und Näherinnen vor Ort, die ihr Wissen und Geschick weiterschenken. Zudem wird zu jedem Termin ein Bastel-Workshop angeboten. Alles, was durch die „Macherei“ geht, repariert oder geflickt wird, wird dokumentiert. Rund 100 Gegenstände waren es im vergangenen Jahr. Wertschätzungsbeiträge sind willkommen und ermöglichen den Kauf neuer Werkzeuge und Verbrauchsmaterialien. Angelika Purin: „In diesem Raum ist immer eine besondere Stimmung. Oft hängt man ja emotional an den Dingen und wenn man dann sieht, mit wie viel Hingabe ein Lieblingsstück wieder ganz gemacht wird, dann überträgt sich diese Freude auf die anderen.“ Der soziale Faktor ist überhaupt ein wesentlicher. Auch ohne reparaturbedürftiges Stück sind Gäste willkommen. Einfach, um sich bei Kaffee und Kuchen auszutauschen oder sich von den Fachmännern und Fachfrauen ein paar Tricks abzuschauen, während sich die Kinder beim Basteln vergnügen. Man muss im Übrigen nicht in Wolfurt wohnen, um das Angebot nützen zu dürfen. Repaircafés, wie es sie an noch mindestens 20 Orten in Vorarlberg gibt (siehe reparaturfuehrer.at), sind immer offen für alle und stehen teilweise auch im Austausch miteinander. 

studiothalbach.com, macherei-wolfurt.at


Tipp!

Auch der Reparaturbonus für Elektrogeräte hilft, Umwelt und Ressourcen zu schonen. Das Klimaschutzministerium übernimmt 50 Prozent pro Reparatur beziehungsweise bis zu EUR 200,-. Regionale Partnerbetriebe finden Sie unter: reparaturbonus.at


Als Einzelheft oder Abo erhältlich

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