Gekonnte Reibung als Erfolgsrezept

COO Faigle, Friedrich Faigle. Foto Cornelia Hefel

Von Daniela Egger

Friedrich Faigle liebt die Berge, die Handschlagqualität und bricht eine Lanze für hochwertigen Kunststoff. Täglich lassen sich an die zwei Milliarden Menschen durch die Produktpalette der faigle Group bewegen, meist ohne es zu wissen. Seit acht Jahren gestaltet der junge COO der Unternehmensgruppe das Familienunternehmen maßgeblich mit, erreicht ambitionierte Ziele und streckt die Fühler nach neuen, globalen Standorten aus. Im Interview berichtet er vom Rolltreppenfahren und antibakteriellen Haltegriffen im öffentlichen Verkehr.

Fühlen Sie sich auf jeder Rolltreppe weltweit gut getragen? Oder hören Sie schon, wenn etwas nicht ganz geschmiert läuft?
Friedrich Faigle: Auf ungefähr zwei von dreien fühle ich mich sehr wohl – das entspricht in etwa unserem Marktanteil weltweit, der in Rolltreppen zum Tragen kommt. Mit unseren Produkten bewegen wir Menschen – daher sind Sicherheit durch Qualität und in diesem Falle Fahrkomfort ganz essenziell. Es ist schon sehr angenehm, wenn die Rolltreppe ruhig läuft und auch nach dem Stillstand ohne ruckeln anfährt. Reibungsverhinderung gehört zu unserem Kerngeschäft, ich steige also beruhigt auf Rolltreppen.

Wie entstehen die Ideen und Prototypen für Ihre Produkte – wird alles aus dem Markt generiert oder träumen Sie manchmal einfach von optimalen Produkten, die das Leben leichter machen?
Gezielte Produktentwicklung ganz spezifisch für unsere Kunden ist ebenso wichtig wie unser Eigenprogramm, mit welchem wir Industriestandards in unseren Branchen setzen – nicht zu vergessen die Grundlagenentwicklung. Das Tüfteln und Erfinden liegt in unserer DNA – und daher nimmt Innovation bei uns einen zentralen Stellenwert ein. Man muss sich ständig weiterentwickeln und da gehört das Träumen und Kreative definitiv dazu, bevor ein neues Geschäftsmodell oder Produkt entsteht.

Wie kommt man den Bakterien auf die Schliche und entwickelt dann eine Halteschlaufe mit antibakterieller Wirkung als Antwort?
Die Halteschlaufe ist eines der Beispiele für die kreative Initiative unserer Entwicklungsabteilung. Im öffentlichen Verkehr lässt sich Sicherheit unter anderem durch Haltegriffe gewährleisten – sofern sie benutzt werden. Deshalb haben wir ein Material entwickelt, das Bakterien keine Grundlage bietet, egal wie lange die Halteschlaufe im Einsatz ist. Sie sind in vielen europäischen und asiatischen Städten im Einsatz und unsere Kunden vertrauen auf uns. Diese Griffe werden von tausenden Händen berührt und minimieren durch unsere Materialentwicklung das Übertragungsrisiko von Krankheiten.

Was machen Sie richtig, um innovative Köpfe und zuverlässige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Unternehmen zu holen und zu halten?
Das halte ich für einen wesentlichen Erfolgsfaktor, denn die Menschen im Unternehmen entscheiden darüber, wie weit wir kommen. Wir legen Wert auf ein gutes Miteinander. Ich bin auch sicher, dass die Kombination eines Familienunternehmens und einer international erfolgreichen Firmengruppe ziemlich attraktiv ist. Wir alle arbeiten einen Großteil unseres Tages – das sollten wir gerne tun und auch spüren, wie wir selbstwirksam werden. Dazu kommen die Erfordernisse des Markts. Eine erfolgreiche Verbindung dieser Realitäten ist uns ein wichtiges Anliegen. Wir bieten die nötigen Freiräume, um neue Produkte zu entwickeln und kreativ zu sein. Aber wir müssen auch anpacken und suchen immer nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit uns gemeinsam etwas bewegen wollen. Außerdem feiern wir unsere Erfolge – seit es wieder möglich ist. Das halte ich für wichtig. Handschlagqualität ist ebenso wichtig – und das sehen wir vor Ort an der hohen Loyalität der Mitarbeitenden. Werte wie Vertrauen kann man nicht fordern, sie müssen entstehen. Entscheidend ist, was die Menschen im Alltag erleben.

Welche Rolle spielen Intralogistik-Systeme in unserem Alltag?
Unser Alltag würde schnell zusammenbrechen, wenn diese Systeme ausfielen. Wir alle kennen beispielweise die Gepäcksausgabe am Flughafen oder die großen Paketverteilungszentren. Viele Pakete, die wir versenden oder bekommen, hatten vermutlich Berührung mit unserer Technologie. Allein im Jahr 2020 wurden circa 300 Millionen Pakete allein in Österreich transportiert. Das sind etwa 40 Millionen mehr als vor der Pandemie. Wir liefern Rollen und Bauteile für diese zentralen Nervensysteme der Logistik.

Sie sind Marktführer in Ihren Kernbereichen – der Beginn des Unternehmens lag in den Händen Ihres Großvaters. Was hat ihn damals dazu bewogen, Kunststoffe herzustellen?
Er war sicher einer dieser klassischen Erfindertypen: ein wacher Geist mit einem starken Interesse an Physik und Chemie und hohem Interesse an neuen Werkstoffen. In den Nachkriegsjahren hat er sich selbst alles beigebracht, was ihn und schlussendlich das Unternehmen zum respektierten Kunststoffexperten gemacht hat. Das Unternehmerische lag und liegt bei uns in der Familie. Auch vor meinem Großvater gab es diesen Geist in unserer Familie, Kunststoff hat ihn als vielseitigen Werkstoff sicherlich speziell fasziniert. Wir haben uns in unserer fast 80-jährigen Unternehmensgeschichte auch mehrere Male neu erfunden – so hat mein Großvater ursprünglich mit „Kasperle“-Figuren aus Pappmaché gestartet. Bald darauf fertigte er die nächste Generation aus Kunststoff. Danach folgten die ersten technischen Produkte und Anwendungen, die uns heute noch auszeichnen. Heute führen wir vier Standorte in Österreich, der Schweiz und China und beschäftigen über 400 Mitarbeitende weltweit. Eine coole Geschichte, wenn man sich diese Entwicklung ansieht. Auch mein Vater hat wesentliche Impulse in der weiteren Unternehmensentwicklung gesetzt und er ist immer noch Teil des Vorstands. Der Übergangsprozess läuft gerade, wir nehmen uns dafür die Zeit, die es braucht.

Positive Reibung auch hier?
Friedrich Faigle (lacht): Ja genau, davon verstehen wir was.

Wächst man als Enkel und Sohn ungefragt in das Unternehmertum hinein oder gab es auch andere Ideen für Ihre persönliche Laufbahn?
Ich hatte durchaus andere Ideen, auf eigenen Beinen zu stehen und unabhängig zu sein war mir immer sehr wichtig. Ich bin meinen Eltern sehr dankbar, dass sie mich nie gedrängt haben, so war es am Ende auch eine ganz bewusste und persönliche Entscheidung, ins Familienunternehmen einzusteigen. Die vielen Ferialjobs seit den Jugendjahren und Gespräche übers Unternehmen am Küchentisch haben dabei sicher geholfen. Bevor ich aber wirklich hier eingestiegen bin, war ich zwölf Jahre im Ausland und habe dort unter anderem in London, Zürich und Berlin gearbeitet. In meiner Zeit in Berlin habe ich auch mein eigenes Unternehmen gegründet.

Kunststoff und Nachhaltigkeit – müssen diese beiden Begriffe sich widersprechen?
Keineswegs – die beiden Begriffe lassen sich bestens vereinen. Kunststoff ist ein sehr interessanter Werkstoff und hat auch aus ökologischer Sicht viele Vorteile. Allein schon der Ersatz von Metall lässt unsere Kunden durch unsere Lösungen energieeffizienter arbeiten. Durch die guten Gleiteigenschaften lässt sich auch der Schmiermitteleinsatz deutlich reduzieren und die Lebensdauer erhöhen. Das Material ist leichter, was ebenfalls die Energieressourcen schont – und es lässt sich recyceln. Wir haben beispielsweise bereits eine Öko-Rolle lanciert, die vielseitig einsetzbar ist. Ergänzend schauen wir auch, dass wir die Infrastruktur unserer Standorte energieeffizient gestalten. Wir haben bereits an allen Firmenstandorten PV-Anlagen und nutzen Wärmerückgewinnung – da ist noch vieles möglich. Das Thema Nachhaltigkeit ist mir ein persönliches Anliegen und wir gehen proaktiv in das Thema hinein. Mir ist das übliche Greenwashing zuwider, deshalb nehmen wir uns auch hier die Zeit, um Nachhaltigkeit bis in die Tiefe auszuloten. Dabei gilt es, auch die kritischen Aspekte offen anzusprechen.

Was steht in den kommenden Jahren an?
Unsere Tätigkeitsbereiche liegen zum Glück genau im Einklang mit den globalen Megatrends. Das bedeutet wachsende Märkte, weitere Standorte und neue Aufgaben. Wir sind jetzt in Europa und Asien vertreten, aber ich denke, unsere Produkte können noch weit mehr bewegen. Daran arbeiten wir jeden Tag mit viel Enthusiasmus. Organisatorisch sehe ich in Zukunft mehr Frauen in der Führungsebene – natürlich kompetenz- und nicht quotengetrieben – hier möchte ich, dass wir als Unternehmen auch attraktiver werden. In der ersten Führungsebene haben wir noch deutlichen Nachholbedarf. Nachhaltigkeit und Personal-Entwicklung sind weitere Zukunftsthemen.


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