Green Investment
Der Bitcoin und die Umweltkosten
Von Thomas Martinek
Die Kryptowährung verbraucht weltweit jährlich so viel Strom wie ganz Österreich. Die Zukunft der digitalen Währung wird auch von der Lösung dieses Problems abhängen.
Der Bitcoin lässt niemanden kalt. Spekulationsobjekt, Abzocke, Geldwaschmaschine für Mafia und Drogenbarone meinen die
einen. Unabhängigkeit vom Diktat der Notenbanken, Inflationsschutz, digitales Gold sind die Argumente, die Befürworter der Kryptowährung ins Treffen bringen. Charly Munger, kongenialer Partner der Investorenlegende Warren Buffett meint: „Bitcoin ist Rattengift“. Und Bill Miller, ein ebensolcher Starinvestor in den USA, sagt: „Ja, Bitcoin könnte tatsächlich Rattengift sein. Aber die Ratte ist das Bargeld.“ Der eine sieht die Kryptowährung als Gift, das man nicht anrühren sollte. Der andere als Bargeldkiller – und als digitale Währung der Zukunft.
Ob der hoch volatile Bitcoin, der Anfang Jänner des Jahres auf über 42.000 US-Dollar stieg, um dann in einer Woche wieder auf 37.500 US-Dollar zu fallen, bereits als Währung taugt, ist fraglich. Kritiker sehen, anders als bei Aktien, keinen „inneren Wert“ bei der Kryptowährung. Doch das kann auch anders betrachtet werden. Für den inneren Wert des Bitcoin können zum Beispiel die Kosten für seine Transaktionen herangezogen werden. Die sind gigantisch und haben einen bedeutenden ökologischen Aspekt. Für die Übermittlung eines Bitcoins von einem Absender zu einem Empfänger wird nämlich extrem viel Strom verbraucht. Aktuell müssen laut der Plattform BitEnergyConsumption.com jährlich knapp über 77 Terawattstunden (TWh) an Strom dafür eingesetzt werden. Zum Vergleich, in Österreich verbrauchen wir knapp 70 TWh pro Jahr. Der Bitcoin mag vielleicht das neue digitale Gold sein, grün ist er aber nicht.
Die Ursache dafür liegt in dem sogenannten Mining (zu Deutsch Schürfen), einem Begriff der passenderweise seinen Ursprung im ökologisch ebenso umstrittenen Bergbau hat. Bei der mit der Blockchain verbundenen Kryptowährung Bitcoin sind die „Schürfer“ jene Personen, die das System durch Bereitstellung ihrer Hardware, Rechenleistung und Vernetzung funktionsfähig machen. Miner haben die Aufgabe, die in den Blocks der Blockchain festgehaltenen Bitcoin-Transaktionen zu prüfen und sie dann mit einem vereinfachten Prüfalgorithmus, dem sogenannten „Hash“, zu versehen. Die Erstellung eines Hashes erfordert einen enormen
Rechenaufwand, der nur in gigantischen „Mining-Farmen“ geleistet werden kann. Und nur der erste Miner, der einen Hash für eine Bitcoin-Transaktion in der Blockchain erstellen kann, erhält derzeit 6,25 Bitcoin (rund 234.000 US-Dollar). Das führt wiederum zu einem zunehmenden Wettrüsten in Sachen Rechen-Power – und damit zu mehr Stromverbrauch. Derzeit dürfte das Mining für Bitcoin-Transaktionen etwa 0,4 Prozent der globalen Stromproduktion verbrauchen. Doch der Anteil nimmt mit steigendem Bitcoin-Kurs zu.
Stellt man den Energieverbrauch der bekanntesten Blockchain-basierten Krypto-währung als CO2-Fußabdruck dar, kommt man ebenfalls zu erstaunlichen Zahlen. Laut Bitcoin Energy Consumption Index der Plattform Digiconomist produziert jede einzelne Bitcoin-Transaktion knapp 300 Kilogramm CO2 – so viel wie ein neu zugelassener Mittelklasse Pkw auf einer 2400 Kilometer langen Fahrtstrecke.
Natürlich ist diese Ökobilanz verheerend. Jedoch bietet die den Bitcoin-Transaktionen zugrundeliegende Blockchain-Technologie
extrem hohes innovatives und konstruktives Potenzial. Vorausgesetzt, dass sie künftig ökologisch nachhaltiger funktionieren kann. Das hängt nicht zuletzt mit der Frage zusammen, wie und wo der benötigte Strom produziert wird. Die größten Mining Farmen findet man in den USA, Russland, der Schweiz und auch China. Die niedrigen Stromkosten im Norden des Landes sind ideal für den Bau riesiger Rechenzentren. Auch wenn das Land der Mitte zumindest bis 2060 die Klimaneutralität anstrebt, wird dort aber immer noch weitgehend in umweltfeindlichen Kohlekraftwerken produziert.
Für Rechenzentren mit extrem hohem Energieverbrauch bietet sich beispielsweise zunehmend Island an, wo Strom nur CO2-neutral aus Geothermie und Wasserkraft gewonnen wird. Generell haben Länder rund um den Polarkreis den entscheidenden Vorteil, dass in der arktischen Kälte Rechenzentren leicht und somit umweltfreundlich gekühlt werden können. Auch Sibirien könnte sich als Standort für Rechenfarmen eignen. Dort stehen riesige Wasserkraftwerke, die einst der Stromversorgung der heute eher brachliegenden russischen Aluminiumproduktion dienten. Beim Mining könnte zu 100 Prozent Wasserkraftstrom genutzt werden, der zudem kostengünstig ist.
Um den Erfolg der 2008 in einem eigenen White Paper auf 21 Millionen Bitcoin begrenzten und definierten Kryptowährung weiter fortführen zu können, werden also unabhängig von der Schaffung höheren Standards für die Finanzmärkte, auch ökologisch verträglichere Schürfmethoden notwendig sein. Sonst könnte sich die Meinung, dass die Kryptowährung Rattengift sei, tatsächlich bewahrheiten. Nur dass sie dann an sich selbst zugrunde geht.
Thomas Martinek ist langjähriger Leiter des Finanzressorts im Wirtschaftsmagazin trend.