Green Investments
Die EU-Taxonomie oder: was alles „grün“ ist
Von Katharina Muner-Sammer
Auch wenn es noch etwas dauert bis der Frühling ins Land zieht und die ersten grünen Blätter sprießen, am Finanzmarkt finden sich immer mehr „grüne“ Fonds. Der Hintergrund für den rasanten Anstieg an nachhaltigen Finanzprodukten liegt, neben der steigenden Nachfrage vonseiten der Investoren und Investorinnen, an der EU-Kommission mit ihrem 2018 lancierten EU-Aktionsplan „Finanzierung Nachhaltigen Wachstums“. Die EU hat erkannt, dass zur Erreichung der Klimaschutzziele und der „Sustainable Develeopment Goals“ der UN mehr Investitionen auch von privater Seite benötigt werden.
Die EU-Taxonomie ist das Herzstück des EU-Aktionsplans. Seitdem wird daran gearbeitet, Nachhaltigkeitskriterien für die unterschiedlichen Branchen zu definieren. Im Hintergrund stehen folgende sechs Umweltziele: Klimaschutz, Klimawandelanpassung, Schutz von Wasser und Meer, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung von Umweltweltverschmutzung und Schutz der Biodiversität und Ökosysteme. Aus Sicht der EU wird eine Wirtschaftsaktivität dann als nachhaltig definiert, wenn sie zur Erreichung eines dieser Umweltziele wesentlich beiträgt, keinem anderen Umweltziel schadet und auch soziale Mindeststandards, zum Beispiel internationale Arbeitsrechte, erfüllt werden. Für die ersten beiden Umweltziele (Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel) wurden diese Kriterien in einem delegierten Rechtsakt bereits festgelegt und sind seit Anfang dieses Jahres anzuwenden. Durch die EU-Taxonomie sollen mehr Investitionen in Richtung Nachhaltigkeit fließen.
Aber wer muss die EU-Taxonomie zukünftig anwenden? Die Taxonomie betrifft sowohl die Real- als auch die Finanzwirtschaft. Unternehmen, die zu einer Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet sind, müssen den Anteil des Umsatzes und der Betriebskosten von ökologischen, nachhaltigen (taxonomiekonformen) Aktivitäten angeben sowie auch Investitionen in diese. Anbieter von „grünen“ respektive nachhaltigen Anlageprodukten müssen den Anteil des Investments angeben, der taxonomiekonform investiert ist und auch den Beitrag zum jeweiligen Umweltziel angeben.
Natürlich ist es keine einfache Sache, sich innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten darauf zu einigen, welche wirtschaftliche Tätigkeit als nachhaltig gilt und welche nicht. Ein großer Streitpunkt mit einem aktuell bitter scheinenden Ausgang, sind die Themen Nuklearenergie und Erdgas. Die EU-Kommission stuft Investitionen in Atomkraft und Erdgas unter bestimmten Auflagen als nachhaltig ein. Damit werden vor allem die Interessen der zwei größten und wichtigsten Mitgliedsstaaten unterstützt: Frankreich, welches seinen Strom zu 70 Prozent aus Kernkraft bezieht und Deutschland, das Erdgas als wichtige nachhaltige Übergangstechnologie im Vergleich zur klimaschädlichen Kohleverstromung ansieht.
Österreich plant, gemeinsam mit Luxemburg, eine Nichtigkeitsklage beim Gerichtshof der Europäischen Union gegen diesen delegierten Rechtsakt einzureichen. Formal gibt es jetzt noch eine maximal sechsmonatige Frist für den Rat und das Europaparlament, um den Rechtsakt zu prüfen. Es ist allerdings sehr unwahrscheinlich, dass dieser nicht durch Rat und Parlament gewunken wird, wenn auch noch mit heftigen Debatten.
Mit der Entscheidung der EU-Kommission, Nuklearenergie und Erdgas als nachhaltig einzustufen, schadet sie der Glaubwürdigkeit der Taxonomie insgesamt.
Mit der Entscheidung der EU-Kommission, Nuklearenergie und Erdgas als nachhaltig einzustufen, schadet sie der Glaubwürdigkeit der Taxonomie insgesamt. Denn unter privaten und institutionellen Investorinnen und Investoren in Österreich und auch anderswo, die am Thema Nachhaltigkeit interessiert sind, sind Investitionen in Nuklearenergie ein No-Go und auch Investitionen in Erdgas werden durchaus kritisch gesehen. Selbst die Europäische Investitionsbank will zukünftig nicht in Nuklearenergie investieren, selbst wenn diese als nachhaltige Investition eingestuft wird.
Zum Glück gibt es aber auch im Finanzbereich glaubwürdige Nachhaltigkeitslabel, die einen bestimmten Standard garantieren. Das österreichische Umweltzeichen vom Klimaschutzministerium, als auch das FNG-Siegel zertifizieren nur Finanzprodukte, die Nuklearenergie zum Beispiel in einem Fonds ausschließen. Beide Labels verfolgen einen ganzheitlichen Nachhaltigkeitsstandard. Die Taxonomie selbst ist kein Nachhaltigkeitslabel, sie wird zukünftig lediglich den Anteil angeben, der in nachhaltig wirtschaftliche Aktivitäten fließt. Momentan sind das nur taxonomiekonforme Aktivitäten im Bereich Klimaschutz und Klimawandelanpassung. Dieses Jahr soll auch ein EU-Ecolabel herauskommen, welches sich auf die EU-Taxonomie bezieht. Auch hier darf man gespannt sein, welche Nachhaltigkeitsstandards gesetzt werden. Insgesamt steht die EU-Taxonomie aktuell vor dem großen Praxistest, ob sie den eigenen Anspruch eines „Goldstandards“ für Nachhaltigkeit gerecht werden kann.
Katharina Muner-Sammer ist wissenschaft-liche Projektmanagerin in der ÖGUT und Leiterin der Weiterbildung „Nachhaltige Geldanlagen“.
sustainable-investment.eu, oegut.at