Holzweg

Die Holzpreise haben heuer in Österreich ein Rekordhoch erreicht, obwohl genügend Rohstoff im Land zur Verfügung stünde. Der Klimawandel und die Globalisierung des Holzmarkts führen zunehmend zu einer instabilen Versorgung mit Holz.
Von Sarah Kleiner

Bewegt man sich im Herbst durch‘s Waldviertel, so kann man mancherorts von Weitem sehen, wie der Mensch die Wälder geprägt hat. In die dunkelgrünen Flächen auf den Hügeln, oft Fichten und Tannen, stehlen sich selten Farb-Kleckse in Dunkelrot, saftigem Orange oder einem satten Gelb. Früher war der ganze Bestand hier Mischwald, weite dunkelgrüne oder auch kahle Flächen gab es nicht. Der Mensch hat vor einigen tausend Jahren Holz als Bau- und Brennstoff für sich erkannt und, dass manche Hölzer schneller wachsen als andere. Die Monokultur war das Ergebnis dieser Erkenntnis, die Laubbäume sind heute in der Unterzahl.

Rohstoff Holz

Rundholz, Schnittholz, Konstruktionsvollholz, Sägespäne, Pressspan, Pellets und Papier: Die Produktpalette, die auf dem Rohstoff Holz aufbaut, ist seither lang geworden. Angesichts der Tatsachen, dass beinahe die Hälfte des österreichischen Bundesgebiets aus Wald besteht und jedes Jahr 4,2 Millionen Kubikmeter mehr Holz nachwachsen als genutzt wird, sollte man meinen, dass der Rohstoff und alle darauf aufbauenden Produkte in Österreich ausreichend zur Verfügung stehen. Wie abhängig die heimische Wirtschaft bei Holzprodukten aber vom ständigen Fließen internationaler Warenströme ist, machte sich in der Corona-Pandemie bemerkbar.

Preise der Superlative
„Rekordhoch für Holzpreise“, „Holzpreis geht durch die Decke“, „Holzpreise ziehen weiter an“ titelten Tageszeitungen und Branchenblätter im Frühling und Sommer dieses Jahres. Die Preise für Holz sind heuer zeitweise um bis zu 400 Prozent gestiegen. Mittlerweile sind die Preise für Holzwerkstoffe gefallen und der Holzbau ist wieder konkurrenzfähig. Die Frage, wie bei den hiesigen Waldbeständen eine Knappheit entstehen konnte, bleibt. Und wer hat eigentlich an den gestiegenen Holzpreisen verdient?

Die Antworten auf diese Fragen sind so komplex wie der Holzmarkt selbst. Einen rein österreichischen Markt gibt es dabei schon lange nicht mehr, er ist international diversifiziert, umspannt Mitteleuropa und immer stärker auch den ganzen Globus. Zu den Abnehmern heimischer Produkte zählen in erster Linie EU-Mitgliedstaaten und Resteuropa, aber auch Entwicklungsländer wie China. Das heimische Holz und alle Folgeprodukte sind Teil des globalen Warenkarussells geworden.

„Aus unserer Sicht ist vergangenes Jahr mehr Rund- und Schnittholz in den Export gegangen“, sagt Matthias Ammann, „wobei in Österreich nicht alle Betriebe den Export hochgefahren haben, sondern vor allem Unternehmen in Deutschland.“ Der 62-jährige Vorarlberger ist seit 2005 selbstständiger Verbandsmanager und seit über 20 Jahren Geschäftsführer der Vorarlberger „Holzbau_Kunst“, einem Zusammenschluss aus dutzenden Holzbaumeisterbetrieben und Zimmereien, Architekten und Betrieben aus der Holzbauindustrie sowie dem Baustoffhandel.

In den USA wird zur Zeit aufgrund niedriger Zinsen verstärkt gebaut, während die dortige Holzindustrie nach Jahren der Dürre und Schäden durch den Bergkiefernkäfer den Bedarf nicht mehr decken kann. Auch China hat wegen des dortigen Baubooms in den vergangenen Monaten verstärkt am europäischen Markt Holzprodukte nachgefragt. Das sei aber nur einer von vielen Faktoren für die Preissteigerung gewesen, meint Ammann. Auch die günstigen Preise der Vorjahre und schlechte Wetterbedingungen, aufgrund derer generell weniger Einschlag gemacht wurde, seien mitverantwortlich. Die Gewinner der Entwicklung seien einige Big Player der Sägeindustrie.

„Bisher kannten wir immer das Match zwischen der Sägeindustrie und den Waldbesitzern, das ist so alt wie die Geschichte der Holzverarbeitung selbst“, sagt Matthias Ammann. Die Sägebetriebe sind gegenüber den Waldeigentümern aufgrund des internationalen Markts im Vorteil. Wollen letztere gewisse Preisbedingungen nicht schlucken, weicht das Sägewerk auf ausländische Lieferanten zum Beispiel in Osteuropa aus. „Heuer sind zum ersten Mal die Zimmerer unter die Räder gekommen, weil die globalen Märkte für Sägeindustrie und Holzhandel noch nie dagewesene Gewinnchancen ermöglichten. Es ergab mehr Gewinn, die Latte nach Amerika zu verschiffen, als sie hier zur Verarbeitung zur Verfügung zu stellen.“

Große Bauprojekte als auch kleine Häuslbauer hierzulande standen vor dem Problem, kein Holz mehr auf dem Markt zu finden, und wenn doch, zu horrenden Preisen. Den Waldbesitzern blieb in dem Gefüge dabei nicht viel von den gestiegenen Preisen. Ähnlich wie im Lebensmittelbereich landen Gewinne eher beim Handel und der verarbeitenden Industrie als bei den Urproduzenten. Die österreichische Sägeindustrie zählt dabei mit Unternehmen wie Binderholz, der HS Timber Group, Pfeifer Holz oder Mayr-Melnhof Holz zu den größten Europas.

Durch die gesamte Wertschöpfungskette Holz ging in der Krise ein Raunen – immer lauter wurden Rufe nach Regularien. Importbeschränkungen einerseits, um das Schadholz, das die heimischen Lager füllte aber weniger gewinnbringend ist, abzuarbeiten; Eingriffe in den Außenhandel andererseits, um Versorgungssicherheit für österreichische Betriebe zu gewährleisten. Die Holzindustrie sprach sich in dem Zusammenhang deutlich gegen Markteingriffe aus.

„Wenn wir die Waldzerstörung stoppen, großflächig aufforsten und mit Holz statt Beton bauen, wird der Bausektor vom Klimasünder zum Klimafreund.“

Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber

Haus in Eichenberg, Nominierung beim Vorarlberger Holzbaupreis 2019. Foto Adolf Bereuter

Faktor Klimawandel
Ein Kriterium, das an dieser Stelle ins komplexe Handelsringelspiel kommt, ist die Schadholzmenge, die in den Wäldern entsteht. Der Borkenkäfer und strukturell anfällige Monokulturen sind mit ein Grund, warum immer mehr Holz aus Österreichs Wäldern nicht von höchster Qualität ist. 81 Prozent Schadholz verzeichnete die Österreichische Bundesforste AG (ÖBf) vergangenes Jahr auf ihren 510.000 Hektar Waldgebiet. In den 1990er Jahren bewegten sich diese Mengen noch bei etwa 20 Prozent.

„Diese Mengen sind ein Novum der letzten beiden Jahrzehnte und es wird sicher trotz aller Gegenmaßnahmen, die wir setzen, noch länger keinen signifikanten Rückgang geben“, sagt Susanne Langmair-Kovács, Nachhaltigkeitsbeauftragte bei den Österreichischen Bundesforsten. Zudem sei der Preis, den man dafür bekommen kann, sehr niedrig, da in Österreich und seinen Nachbarländern gleichzeitig große Mengen Schadholz anfallen würden. Die beiden ÖBf-Vorstände Rudolf Freidhager und Georg Schöppl betonten erst im September in einem Interview mit dem Kurier, dass das Schadholz – trotz niedrigerer Preise für die Waldbesitzer – aus den Wäldern geholt werden müsste.

„Aus Nachhaltigkeitssicht liegt die Herausforderung, wenn man mengenmäßig eine nachhaltige Holznutzung betreibt, darin, die anfallenden Schadnutzungen zu kompensieren“, sagt Susanne Langmair-Kovács. „Das heißt, die geplanten Ernteeinsätze müssen zurückgefahren werden, was sehr oft die gesamte Planung über den Haufen wirft.“ Das Management der hohen Schadholzmengen sei eine besondere Herausforderung für die gesamte Forstwirtschaft.

Auch in Zusammenhang mit dem Klimawandel zeigt sich immer deutlicher, dass vor allem monokulturelle Wälder nicht gewappnet sind für die Herausforderungen der Zukunft. Erst im Oktober wütete im Rax-Gebiet der größte Waldbrand in der Geschichte des Landes und vernichtete im Süden Niederösterreichs mehr als 120 Hektar Wald. Klimaforscher sehen die klimawandelbedingte Trockenheit als entscheidende Ursache. Der Umbau in Richtung Mischwälder ist deshalb ein wesentlicher Punkt des von der Regierung aufgestellten Waldfonds, über den 350 Millionen Euro für „klimafitte“ Wälder bereitgestellt werden.

„Die Monokulturen, die wir heute haben, sind in den 1950er und 1960er Jahren etabliert worden und entsprachen dem damaligen Stand der Forstwissenschaft“, sagt Susanne Langmair-Kovács. „Wenn zum Beispiel Fichten an Standorten gepflanzt werden, an denen sie nicht von Natur aus vorkommen, zum Beispiel im Waldviertel, sind diese Wälder dann auch anfälliger für Schadereignisse wie etwa Stürme und den anschließenden Befall durch den Borkenkäfer.“ Insofern würden wir zurzeit ein durch den Klimawandel beschleunigtes Ende der Monokulturen erleben. „Die derzeitigen Herausforderungen sind aber nicht auf ein Versäumnis der Forstwirtschaft zurückzuführen, sondern haben sich aufgrund der rasch voranschreitenden klimatischen Veränderungen jetzt erst in dieser Form gestellt“, sagt sie.

Wald und Holz als Schlüssel in der Wende
Mit der Holzinitiative wurde im Rahmen des Waldfonds auch eine Förderung für Neu- und Zubauten in Holzbauweise geschaffen, 20 Millionen Euro sind dafür vorgesehen. Denn während Wirtschaft und Politik darüber debattieren, wohin das heimische Holz gehen soll, steht für die Klimaforschung fest, dass es vermehrt in der Bauwirtschaft eingesetzt werden muss. Rund 40 Prozent des Ausstoßes von Treibhausgasen entstehen durch die Errichtung und den Betrieb von Gebäuden sowie der Infrastruktur. Zu einer möglichen Reduktion kann der Einsatz von Holz im Gebäudebau führen, es speichert erst im Wald und später als Baumaterial CO2.

Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber, Gründungsdirektor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, forderte deshalb im Sommer im Rahmen einer Konferenz des Österreichischen Biomasse-Verbandes eine weltweite Wende beim Bauen. Die Rückkehr zum Holzbau sei „der wichtigste Beitrag gegen die Erderwärmung“, erklärte er. „Wenn wir die Waldzerstörung stoppen, großflächig aufforsten und mit Holz statt Beton bauen, wird der Bausektor vom Klimasünder zum Klimafreund.“

Die gesteigerte Nachfrage könnte also weiterhin anhalten, die Sorge vor dem nächsten Beben macht die Forderung nach Versorgungssicherheit drängender. Die Initiative „Zukunft Holzbau” forderte in einer Petition einen Holzdeal für Österreich, der 1,5 Millionen Kubikmeter für heimische Holzbaubetriebe sichern soll. Der Vorstoß kommt vom Verein „Holzbau Austria“, der für 2.200 Klein- und Mittelbetriebe (KMUs) aus der Branche spricht und in dessen Geschäftsführung auch Matthias Ammann sitzt. Mehr als 10.000 Unterschriften kamen bis Ende August zusammen. „Was wir uns wünschen, ist, dass man sagt, Holz ist nicht irgendein ‚lebloses‘ Exportprodukt. Holz ist Lebensstoff im alpinen Raum“, sagt Matthias Ammann. „Wenn die Politik mehr Holzbau will und das in Europa mit dem ‚Green Deal‘ und dem ‚Neuen Europäischen Bauhaus‘ forciert wird, dann muss sie dafür Sorge tragen, dass genug europäisches Holz dafür zur Verfügung steht.“

Für weitere Umwälzungen am europäischen Markt könnte das geplante Waldschutzgesetz der EU sorgen. Es soll auf globaler Ebene der Zerstörung von Wäldern Einhalt gebieten. Es sähe vor, dass – ähnlich der Mentalität eines Lieferkettengesetzes – keine Produkte aus umweltbedrohlicher Forstwirtschaft auf dem europäischen Markt gehandelt werden dürfen. Produkte aus illegalen Rodungen oder Regenwaldabholzung könnten damit vom Markt verschwinden.

„Besonders Tropenhölzer stammen noch allzu oft aus zerstörerischen Forstwirtschaften“, sagt Lukas Meus, Waldexperte bei Greenpeace. Auch gängige Qualitätssiegel könnten die Herkunft der Holzprodukte aus nachhaltiger Bewirtschaftung oft nicht garantieren. „In erster Linie ist es aus unserer Sicht das Beste, bei Holz auf Recyclingprodukte zurückzugreifen, das heißt das Holz wiederzuverwenden“, sagt Meus. Vor allem beim Hausbauen ist das natürlich nicht immer möglich, weshalb hier der Fokus auf regionales Holz noch die beste Möglichkeit sei, die Herkunft aus nachhaltiger Waldbewirtschaftung zu sichern.

Ein erster Entwurf des Gesetzes sollte von der EU-Kommission im Sommer vorgelegt werden, wurde aber auf November und damit nach Redaktionsschluss verschoben. „Es gab schon erste Leaks von sogenannten ‚Impact Assessments‘“, sagt Lukas Meus, „das sind Vorstudien zum geplanten Waldschutzgesetz. Darin gibt es durchaus positive Ansätze und einige wichtige Rohstoffe sind bereits involviert, wie zum Beispiel Holzprodukte und Palmöl“. Allerdings müsse der jetzige Regulierungsrahmen nach Ansicht der Umweltschutzorganisation noch auf mehr Rohstoffe ausgeweitet werden.

Im Waldviertel finden sich neben Monokulturen auch noch die letzten Urwälder Österreichs. Der Urwald Hojná Voda an der tschechischen Grenze ist zum Beispiel eines der ältesten Naturreservate Europas. In ihm stehen Bäume, die mehr als 300 Jahre alt sind, auch das Totholz wird nicht aus dem Wald entfernt. Dass die europäischen Wälder in hundert Jahren im Herbst wie der Hojná Voda aussehen werden, ist unwahrscheinlich. Zumindest sollte es aber bis dahin einige Farbkleckse mehr im dunklen Grün geben.


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