KITCHEN-COW!

Das Wiener Designstudio EOOS leistet in Puncto Kreislaufwirtschaft Pionierarbeit. Mitbegründer Harald Gründl erklärt, wie aus Küchenabfällen Gas zum Kochen entsteht und was er kürzlich bei einem Meeting mit Bill Gates besprochen hat.
Von Franziska Dzugan
Fotos Ursula Röck

Die Kiste könnte von Ikea sein. Harald Gründl kramt einen Glasbehälter hervor, orange Plastikschläuche, Tischbeine zum Anschrauben. Zusammengebaut ergeben die Teile einen Küchentisch samt Abfallsystem und Gasherd. „Intelligente Verschwendung“ ist das Ziel der Kitchen-Cow: Nahrungsabfälle landen in einem Trichter mit integriertem Fleischwolf, mittels Kurbel werden sie zerkleinert. Über eine „Speiseröhre“ aus Glas gelangt der Brei in einen gläsernen Magen. Der Fermenter erzeugt aus 1,5 Kilogramm Biomüll innerhalb von 20 Tagen 132 Liter Biogas, das sich in einem schwarzen Plastiksack sammelt und anschließend zum Kochen verwendet werden kann. Drei Kilogramm Biomüll befeuern den starken Gasbrenner eine Stunde lang. Die Transparenz des gläsernen „Kuhmagens“ ist für EOOS-Mitbegründer Harald Gründl essentiell: „Dadurch bekommen die Menschen ein Verständnis für biologische Abläufe.“ Die
Kitchen-Cow wäre ideal für Schulprojekte, findet er: Eine Klasse sammelt eine Woche lang ihre Bioabfälle, nimmt in den verschiedenen Fächern Gärprozesse, Kreislaufwirtschaft sowie Nahrungsmittelproduktion durch und kocht am Ende gemeinsam eine Mahlzeit. Für Entwicklungsländer sind Pilotprojekte geplant. Bei Ausstellungen kam die Kitchen-Cow gut an; Besucher regten an, damit beim schwedischen Möbelhaus Ikea anzuklopfen. Keine schlechte Idee, meint Harald Gründl. „Die Konsumenten sind weiter, als die Industrie glaubt.“

„Die Konsumenten
sind weiter, als die Industrie glaubt“

Begleitet wurde die Entwicklung der Kitchen-Cow vom Institut für Umwelttechnologie der Universität für Bodenkultur (Boku) in Tulln. „Technisch gesehen kann sie überall dort eingesetzt werden, wo Speisereste vorhanden sind und wo Energiebedarf besteht. Grundvoraussetzung ist zudem ein gut eingeschulter Benutzer“, sagt Luděk Kamarád von der Boku.

Das Projekt heißt „Generation 2 Reinvented Toilet“ (G2RT). Das Projekt wird von der Georgia Tech University geleitet und unsere Toilette ist ein zentraler Teil des Projekts. Sie trennt Urin und Fäkalien, bedarf keiner Kanal- oder Wasseranbindung und kann vor Ort hergestellt werden. Der Urin wird in Wasser umgewandelt, die Fäkalien zu Asche verbrannt. In die nachhaltige Küche passt auch der Kühlschrank Greenfreeze 2. Sein Korpus besteht aus Holz, die Innenverkleidung aus Keramik oder Stein, isoliert wird er mit Schafwolle. Er kann fast zur Gänze in Österreich produziert werden, was heimischen Tischlern, Steinmetzen und Schafbauern zugute kommen soll. EOOS ist eine regionale Produktionskette sehr wichtig. Das Interesse der Industrie steige, sagt Harald Gründl, ein großer Steinbetrieb habe sich bereits gemeldet. Handwerklich Begabte können die Open Design-Version des Kühlschranks selbst nachbauen. Die Kühleinheit ist ein eigener kleiner Bauteil, den man jederzeit austauschen kann, ohne das ganze Gerät wegzuschmeißen. Gründl: „Jeder Österreicher produziert pro Jahr 20 Kilogramm Elektroschrott, das muss nicht sein.“

„Jeder Österreicher produziert pro Jahr 20 Kilogramm Elektroschrott, das muss nicht sein.“

Kühlschrank Greenfreeze 2, Foto EOOS

Sie saßen kurz vor Weihnachten in Seattle mit Bill Gates an einem Tisch. Worum ging es?

Die Regeln für das Treffen waren streng. Wie haben Sie sich vorbereitet?

Seit gut zehn Jahren leistet EOOS Pionierarbeit. Um diese weiter zu vertiefen, haben Harald Gründl, Martin Bergmann und Gernot Bohman im Februar das Start-up EOOS NEXT gegründet, das sich explizit um nachhaltiges Design und Kreislaufwirtschaft kümmern wird. Dass die Wiener Unternehmer bei der Entwicklung eines Produkts das Davor und das Danach grundsätzlich mitdenken, hat auch das Interesse von Microsoft-Gründer Bill Gates geweckt.

Es war wie ein Staatsbesuch angelegt. Wir wurden vorher instruiert: Selfies waren genauso verboten wie Händeschütteln oder Schwafeln. Es dauerte 70 Minuten, der Raum war voll mit Menschen. Vertreter von Universitäten, Gates’ Projektleiter und sein Beraterstab. Wir waren die einzigen Designer am Tisch. Wir hatten 3D-Modelle einer Sitz- und einer Hocktoilette mitgebracht und einige Zahlen vorbereitet.

Gab es eine kreative Diskussion?

Nein, es war verboten zu sprechen, wenn Bill Gates einen nicht ausdrücklich fragte. Ich brachte es auf zwei kurze, mit Zahlen gespickte Antworten. Normalerweise überlässt Gates solche Meetings seinen Direktoren, aber das Toiletten-Projekt liegt ihm sehr am Herzen. Er wollte das Team persönlich sehen. Gates war extrem gut vorbereitet und hatte am Ende ein großes Blatt Papier mit Notizen vollgekritzelt.

Was haben Sie mit Gates vereinbart?

Weitermachen! Eines unserer Modelle wird derzeit in einer großen Textilfabrik in Indien getestet, andere in Südafrika.

Sie arbeiten seit 2011 mit der Bill & Melinda Gates Stiftung zusammen. Wie kam es dazu?

Wir begannen 2008, uns verstärkt mit sozialem und nachhaltigem Design zu beschäftigen. Eines Tages fuhr ich zum Wasserforschungsinstitut Eawag an der ETH Zürich und fragte, ob man uns dort brauchen könnte. Die Antwort war ja. Die Wissenschafter suchten nach einer Toilette, die Urin separat sammelt. Als Bill Gates Hygiene in Entwicklungsländern in den Fokus rückte, kam die Eawag und damit auch wir ins Spiel.

Was bringt die Urin-Separation?

Es kostete viel Zeit, die Industrie davon zu
überzeugen. Das ist uns nun als Erstes mit
Laufen gelungen.

Foto: SAFE! Laufen

In europäischen Küstengebieten gibt es mehr als 50 Totzonen ohne Lebewesen, die durch den Stickstoffeintrag von Abwasser und Überdüngung aus der Landwirtschaft verursacht werden. Anstatt das Meer zu verseuchen, sollte man Urin als Dünger einsetzen. In der Schweiz könnte durch Nährstoffrückgewinnung aus Urin der gesamte Mineraldünger für die Landwirtschaft gewonnen werden. So könnte man den Kreislauf schließen.

Demnächst wird die von Laufen hergestellte Toilette „Save!“ endlich im Handel sein. Warum hatdas volle zehn Jahre gedauert?

Es kostete viel Zeit, die Industrie davon zu überzeugen. Das ist uns nun als Erstes mit Laufen gelungen. Derzeit arbeiten wir auch mit einem Unternehmen in Südafrika an kostengünstigen Toiletten, die Urin separieren. Wir versuchen, weltweit weitere Partner zu finden. Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft waren für die Industrie lange kein Thema. Das hat sich erfreulicherweise geändert, der Klimawandel ist endlich ins Bewusstsein gerückt. Design und Wirtschaft übernehmen mehr und mehr Verantwortung.

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