Klare Linie

Das Wiener Swim- und Sportswear-Label Margaret and Hermione setzt auf nachhaltige Stoffe aus Italien und stellt die Produkte unter fairen Bedingungen in Kroatien her. Die Altersspanne der Kundinnen: Mitte Zwanzig bis über 70 Jahre.
Von Jutta Nachtwey
Ein Bikini von Margaret and Hermione ist nicht nur ein Bikini, er erzählt auch eine Geschichte: Sein Stoff basiert auf recyceltem Plastik, darunter auch – je nach Verfügbarkeit – Fischernetze, die im Mittelmeer herumtreiben. Barbara Gölles, Modedesignerin und Gründerin von Margaret and Hermione, entschied sich für den Stoff, allerdings nicht nur wegen des Anteils an Fischernetzen, sondern vor allem auch wegen seiner hohen Funktionalität. „Econyl“ ist dehnbar, strapazierfähig und langlebig. Die stylischen Badeanzüge und Bikinis, die für viele verschiedene Figuren zugeschnitten sind, geben dem Körper Halt, ohne ihn einzuengen oder einzuschnüren.
Fotos Anna Breit
Auch die Sportswear des Labels entstand zunächst aus „Econyl“, aber die Modedesignerin suchte parallel nach einem dünneren Material aus nachwachsenden Rohstoffen, das für sportliche Aktivitäten noch besser geeignet ist. Dabei stieß sie auf eine spannende Hightech-Faser, die zu 77 Prozent aus Rizinusöl hergestellt wird. Die Pflanze, die das Öl liefert, heißt Wunderbaum und gehört zur Familie der Wolfsmilchgewächse. Sie schießt schnell in die Höhe und kommt dabei mit wenig Wasser aus, sodass sie in trockenen Gebieten angebaut werden kann, wo sonst keine Landwirtschaft möglich ist.
Im Frühjahr brachte Margaret and Hermione die erste Sportswear-Kollektion aus diesem biobasierten Polyamid heraus, die der italienische Textilspezialist Brugnoli per sogenannter Br4-Technolgie entwickelt. Hierbei verarbeitet er das aus dem Rizinusöl hergestellte Garn Evo vom Hersteller Fulgar zu Stretchgewebe und reduziert dabei im Produktionsprozess den Wasser- und Energieverbrauch um 20 Prozent. Der Stoff hat
erstaunliche Eigenschaften: Die Kleidungsstücke sind sehr leicht, äußerst elastisch, temperaturregulierend, atmungsaktiv und geruchsneutralisierend, sie trocknen sehr schnell und haben eine samtige Textur.
Ökologische Werte spielen bei Margaret and Hermione allerdings nicht nur bei der Materialwahl eine zentrale Rolle. Barbara Gölles hat sich inzwischen bewusst gegen wechselnde Kollektionen im klassischen Rhythmus der Modeindustrie entschieden. „Dieses System erzwingt eine Sale-Strategie, die aus meiner Sicht mit dem Nachhaltigkeitsgedanken nicht vereinbar ist“, erklärt sie.
Gölles hat in Wien an der Universität für angewandte Kunst bei Raf Simons und Veronique Branquinho Modedesign studiert, bevor sie unter anderem beim britischen Modedesigner Alexander McQueen Erfahrungen sammelte. Mit ihrem eigenen Label möchte sie den hektischen Rhythmus der Modeindustrie hinter sich lassen. Stattdessen bietet sie eine klassische Kollektion an und sorgt hin und wieder durch limitierte Editionen für neue Impulse.
Als aufgrund der Pandemie Liefertermine nicht eingehalten werden konnten, disponierte sie auf kreative Weise um: Sie entwickelte ein Patchwork-Design für die Bademode, bei dem sie die im Lager noch vorhandenen Stoffe für kontrastreiche Farbkombinationen nutzte. Aus der Corona-Zeit hat sie – trotz aller Schwierigkeiten – auch in anderer Hinsicht neue Energien gezogen: „In dieser Krise mussten wir alle flexibel sein und neue Wege erfinden. Ich habe beschlossen, mir diese Freiheit zu bewahren, kurzfristig und flexibel auf gesellschaftliche Veränderungen zu reagieren und sie in mein Label einzubinden.“

Ein wichtiges Thema ist für Barbara Gölles, durch die Bildwelten ihres Labels ein anderes Frauenbild zu zeichnen. Sie zeigt darin selbstbestimmte Frauen, die keinem aufgezwungenen Schönheitsideal hinterherrennen. Dieses natürliche Körpergefühl kann sie wohl auch deshalb so überzeugend vermitteln, weil sie weiterhin den direkten Kontakt zu ihren Kundinnen sucht. Neben dem Online-Vertrieb setzt sie auf Pop-Up-Events und temporäre Shop-in-Shop-Konzepte, bei denen sie kleine Flächen in ausgesuchten Geschäften selbst bespielt. „Dort lässt sich am besten überprüfen, wie die Formen und die Gradierung der Schnittmuster funktionieren“, erklärt sie. „Außerdem mag ich es sehr, wenn mir die Frauen zu diesen Produkten ihre persönlichen Geschichten erzählen.“
Immer höher, immer schneller, immer weiter, das sei eben einfach nicht ihr Ding. Aber da könnte man bezüglich eines dieser Aspekte durchaus widersprechen: Mit ihrem stilvollen, klaren Design und ihrer Vorliebe für innovative, nachhaltige Stoffe hat sie die Swim- und Sportswear in ihrem eigenen Rhythmus eben doch ein gutes Stück weiter gebracht.

Interview mit Barbara Gölles
Barbara Gölles sammelte in der klassischen Modeindustrie Erfahrungen, bevor sie 2015 in Wien das Swim- und Sportswear-Label Margaret and Hermione gründete. Foto HOOD
Die Nachhaltigkeit Ihrer Produkte haben Sie anfangs gar nicht so sehr in den Vordergrund gestellt – was waren Ihre Beweggründe?
Nachhaltigkeit war für mich von Anfang an zwar die DNA, aber 2015 war das Thema noch nicht so stark in den Köpfen verankert. Da war zwar bekannt, dass wir irgendwann in Plastik ersticken werden, aber das war alles zu weit weg. Viele dachten, das betrifft mich nicht persönlich. Damals wollte ich, dass die Kundinnen meine Produkte kaufen, weil sie ansprechend aussehen, weil sie gut funktionieren, weil sie bequem sind. Ich wollte nicht in einen Topf mit Öko-Labels geworfen werden, die das Thema dogmatisch und ohne jede Leicht-igkeit angingen. Inzwischen haben sich die Werte verändert, und die Gesellschaft ist für Umweltfragen sensibilisiert. Ökologische Aspekte lassen sich nun als Argumente sinnvoller nutzen – die Kriterien Design und Nachhaltigkeit halten sich bei Margaret and Hermione inzwischen die Waage.
Mit dem Patchwork-Konzept Ihrer Bademode haben Sie die Probleme der Pandemie elegant überwunden. Wie kamen Sie auf diese Idee?
Ich hatte überlegt, wie ich mit meinen eigenen Ressourcen weitermachen kann, wie ich sie im Sinne der Nachhaltigkeit aufwerten kann. Dabei wurde mir klar, dass sich das Patchwork auch gut mit Produkten aus älteren Kollektionen zusammenfügt. Es ermöglicht den Kundinnen ein Mix-and-Match-System, sodass sie nicht immer alles komplett neu kaufen müssen. Außerdem lässt sich mit dem Patchwork der Nachhaltigkeitsgedanke auch visuell transportieren.
Die Bilder zu Sportswear und Swimwear zeichnen ein anderes Frauenbild als das der Wettbewerber. Welche Intention steckt dahinter?
Bademode wird oft aus männlicher Sicht dargestellt. Sexyness spielt immer eine große Rolle. Diese Bilder von Models, die sich am Strand rekeln und in die Kamera lächeln, haben etwas sehr Anbiederndes und entsprechen überhaupt nicht der Realität. Die männliche Sicht ist der Gesellschaft aufgezwungen worden – wir haben inhaliert, dass Bademode etwas Laszives haben muss. Zugleich wird dabei ein Körperbild vermittelt, bei dem alles perfekt und schön sein muss. Es gibt aber unterschiedliche Sichtweisen und unterschiedliche Körper. Mir geht es um eine Rollenverschiebung, ich zeige selbstbestimmte Frauen, die sich nicht eintrichtern lassen, wie sie sich fühlen sollen – sie vermitteln ihr eigenes positives Körperempfinden.
Ist die aktuelle Gender-Debatte für Sie hilfreich? Oder stellt diese Sie vor neue Herausforderungen?
Ich finde das eher hilfreich! Diese Debatte sorgt auf jeden Fall dafür, dass sich die Blase erweitert. Solange ich mich in meiner Blase bewege, denke ich oft, das Körperbild hat sich ja wirklich schon verändert. Aber außerhalb erschrecke ich oft darüber, dass immer wieder die alten Rollenbilder genutzt werden. Insofern ist dieser Diskurs hilfreich, weil die Nachricht eine breitere Masse erreicht.
Beeinflusst die Gender-Debatte auch das Design der Produkte?
Ich wurde jahrelang gefragt, ob ich nicht „mal was für Männer“ machen kann. Ich hab mich erst mit Händen und Füßen dagegen gewehrt und immer wieder gesagt: Ich bin eine Frau und mache nur was für Frauen. Aber irgendwann habe ich mich dann weichklopfen lassen. Ich hatte auch immer wieder Anfragen von Frauen für eine Badehose, die die Oberschenkel bedeckt. Also dachte ich, jetzt schlag’ ich zwei Fliegen mit einer Klappe und entwickle ein Unisex-Produkt, das von unterschiedlichen Geschlechtern getragen werden kann. Die Badehose kam so gut an, dass sie derzeit ausverkauft ist – sie wurde übrigens vor allem von Frauen gekauft!

Fotos Vrinda Jelinek