Komiker, fertig mit den Nerven
Von Verena Roßbacher
Dirk Stermann, der 1965 geborene Kabarettist und Moderator und bekannt aus Funk und Fernsehen, hat ein lustiges Buch geschrieben. Das ist soweit nicht verwunderlich, das Lustig-Sein ist natürlich sein Metier, interessanterweise hat er aber nicht nur ein lustiges, sondern ein zugleich – fernab aller Komik – ziemlich gutes und enorm unterhaltsames Buch geschrieben.
Dirk Stermann, gleichnamiger Protagonist, hat ein Problem, als seine Frau Nina ihm mitteilt, ein Jobangebot angenommen zu haben, für das sie einige Monate in New York verbringen wird. Auf seine Frage, wie sie sich das vorstelle, meint sie: „Wie die letzten vier Jahre. Nur umgekehrt.“
Klar, dass Stermann sich in den letzten vier Jahren eher nicht um den gemeinsamen Sohn Hermann gekümmert hat, er war ja dauernd unterwegs, auf Bühnen in der österreichischen Provinz, im Radio- oder Fernsehstudio oder sonst wie gestrandet vor einem Mikrofon. Klar ist auch, dass das folgende Jahr schon komplett durchgeplant ist, nichts, was man einfach so absagen könnte. Ein Babysitter, denkt Stermann optimistisch, wird das Problem lösen, mit einem Babysitter an meiner Seite wird das alles gar kein Problem werden.
Dirk Stermann
Maksym
Roman
320 Seiten
ISBN: 978-3-498-00267-1
Rowohlt Verlag, 2022
Tatsächlich entsprechen die – ausschließlich weiblichen – Kandidatinnen irgendwie nie den Erwartungen – was bei über vierzig Bewerbungen immerhin bemerkenswert ist. Entweder sie sind zu vierschrötig – „…sah aus, als könnte sie eine Kuh hochheben“ – zu schmollmundig oder überhaupt verdächtig jung, womöglich gar Brillenträgerin („Was ist deine Sorge, dass sie zu sehbehindert ist, um Hermann auf dem Spielplatz zu finden?“ – „Ich weiß nicht, aber ich hätte lieber eine ohne Brille. Ist nur so ein Gefühl.“ Man ahnt, dass der Weg zur erfolgreichen Kindsbetreuung ein steiniger sein wird. Jedenfalls legt unser Held die Babysitterfrage erstmal auf Eis, tourt zu seinen Auftritten, palavert launig mit Freunden und auch sonst mit jedem, der ihm in die Quere kommt, und mäandert erzählend geschickt von seinem irgendwie erschöpften Komikerleben zu Anekdoten und Gesprächen mit Freunden über die späte Vaterschaft, ohne dabei seine Geschichte aus den Augen zu verlieren. Vielmehr baut er leichthändig seinen Kosmos aus Nachbarschaft, Erinnerungen und einem Ich-Erzähler, dem langsam und insgesamt der Schnauf ausgeht.
Als ein Maksym unter all den Bewerbungen auftaucht („Suche Arbeit. Mache alles.“), eindeutig nicht weiblich, vielmehr ein Ukrainer, der aussieht wie das Klischee eines Türstehers, ist Stermann zwar schon deutlich unter Zeitdruck – die Abreise seiner Gattin steht kurz bevor –, jedoch keineswegs gewillt, diesem Brutalo seinen zarten Sohn anzuvertrauen. Da wir dem Stermann-Paar schon eine Weile beim Paar-Sein zugeschaut haben, ahnen wir es: Nina engagiert ihn natürlich sofort.
Fortan ist Stermann Strohwitwer, der Türsteher wohnt in seinem Arbeitszimmer und, wen wundert‘s, Sohn Hermann liebt ihn vom ersten Augenblick an abgöttisch. Maksym bringt ihm Boxen bei und den Kampf mit dem Bären und was man sonst halt noch so können sollte im Leben.
Es kommt, wie es in einer guten Geschichte kommen muss: Allen Vorurteilen (Stermanns und unseren eigenen, wenn einer nicht nur aussieht wie ein Bärenbezwinger, sondern auch einer ist) zum Trotz ist dieser Babysitter mehr, als seine äußere Erscheinung vermuten lässt – und nicht nur kümmert er sich hingebungsvoll um Sohn Hermann, nein, irgendwann auch nicht weniger hingebungsvoll um Vater Stermann – und der hat es leider auch alsbald nötig, als ihm nämlich sein eigenes Leben um die Ohren fliegt.
Dass er sich dank Maksym wieder derrappelt und überhaupt alles mehr oder weniger gut ausgeht, ist eine feine Sache. Und dass er dabei so lustig ist, mag zwar zu seinem Job-Profil gehören, es ist aber trotzdem recht selten. Und super.