Kunst unter freiem Himmel

Kunstwerke im öffentlichen Raum sind wie Geschenke, die uns allen überall unvermutet zuteil werden können. Sie haben etwas zu sagen und stehen in Beziehung zu ihrer Umgebung. Damit geben sie auch uns die Gelegenheit, sie neu und die Landschaft anders zu sehen. Schön, dass das an so vielen Orten in Vorarlberg möglich ist. Ein paar dieser Orte möchten wir hier vorstellen. Von Carina Jielg

Vom Süden Richtung Sonnenuntergang am See …

Montafon

Bielerhöhe – „Erdenlicht“ beim Schützen-Schacht Silvretta-Stausee, Installation von Miriam Prantl
Steht man im Rund dieser Anlage, hat das was Mystisches: die Umgebung spiegelt sich im polierten Stahl, der Himmel, die Berge, der türkis-kalte See … die Welt steht kopf und ist weit und schön. Beugt man sich hingegen über das Fernrohr am Boden, blickt man ins Erdinnere. In die Tiefe des Schützenschachts, mit dem der Wasserlauf des Stausees reguliert wird. Prantl bespielt das 50 Meter tiefe, technisch hochkomplexe, unterirdische Bauwerk mit farbigem Licht und märchenhaftem Sound – und macht so daraus ein überdimensionales Kaleidoskop.
Foto David Murray


Silvrettastaumauer – „Signatur 02“ von Gottfried Bechtold
Um ein technisches Bauwerk monumentalen Ausmaßes handelt es sich auch bei der Sil­vretta-Staumauer. Die hat Gottfried Bechtold mit riesigen Buchstaben aus Stahl signiert. G. Bechtold ist da also zu lesen. Wer etwas signiert, eignet es sich an. Das hat hier etwas Provokantes, ist aber gerade auch deshalb grandios. Bechtold verweist damit auf die „vergessene“ Tatsache, dass beim Bau der Staumauer während des II. Weltkriegs. Zwangsarbeiter eingesetzt wurden. Bechtold gibt ihnen (s)einen Namen und macht damit möglich, sich an sie zu erinnern.
Foto Gottfried Bechtold


Bludenz – „Alpine ART“ mit Werken von Liddy Scheffknecht, Marbod Fritsch, Monika Grabuschnigg, Maria Anwander, Markus & Christoph Getzner, Alfred Graf
Der Muttersberg wurde schon im 14. Jahrhundert von Walsern bewohnt. Lange wurden hier Höfe bewirtschaftet, bis 1969 der letzte Bauer ins Tal zog. Heute dient der Muttersberg der Freizeit. Bei Spaziergängen kann man nun auch auf Kunst treffen: das ist witzig, wenn man an einem Haufen aus markierten Wegsteinen vorbeikommt oder einen Jäger-Hochstand beim Weglaufen ertappt; das ist märchenhaft, wenn man in der Ferne einen knallroten Schlitten entdeckt und gespenstisch, wenn man Gesichter im Gestein ausmacht. Eine spannende Kunst-Schnitzeljagd am Berg! Foto Oliver Lerch


Großes Walsertal

Lutzschwefelbad von Walserherbst, AO& – Philipp Furtenbach und Martin Mackowitz
Von der heilenden Wirkung schwefelhaltigen Wassers weiß man seit Urzeiten. Nahe Buchboden am Lutzbach befindet sich eine der stärksten Schwefelquellen Österreichs, als Kneippbecken zugänglich. Trotzdem war es in Vergessenheit geraten. Bis das Kunstfestival Walserherbst die Anlage erneuerte und um ein beheizbares Bassin erweiterte.
Vor einiger Zeit hat sich zum Schwefelbad eine mobile Sauna hinzugesellt. Ein Holzofen wurde in einen alten Kiosk-Wagen eingebaut, die Vorderfront mit Fenstern versehen. Die garantieren nun beste Aussicht auf die Landschaft des jeweiligen Standorts.
Foto Nikolaus Walter


Kleinwalsertal

Mittelberg
Am Dorfplatz von Hirschegg steht ein achteckiger Brunnen. Der Künstler Detlef Willand hat die Bronzeplatten der Außenseiten gestaltet. Darauf zu sehen: Szenen, die Sprichwörter aus dem Walsertal darstellen: „Je älter der Bock, umso härter das Horn“ etwa. Werken von Willand kann man auch an anderen Orten im Tal begegnen, ebenso wie Arbeiten von Hubert Berchtold. Der bekannte Maler schuf zahlreiche Fassadengestaltungen für Gebäude in Mittelberg. Wunderschön sind etwa die Glasfenster in der Aufbahrungshalle Riezlern.
Foto Stefan Heim


Walgau

Ludesch – Kirche St. Martin
Hat man den leichten Anstieg hinter sich gebracht und steht vor der Kirche, weiß man, warum sie hier gebaut wurde: Es ist noch heute ein schöner Flecken Natur mit bester Aussicht auf die Berge des Rätikons. Wie es hier wohl damals ausgesehen haben mag, um 840, als die Kirche Teil eines herrschaftlichen Hofes war? Erst im 15. Jahrhundert bekam sie ihre heutige Form. Die Innenausstattung ist einzigartig, vor allem die farbintensiven Wandgemälde. Wer diese besichtigen möchte, muss sich anmelden. Das Beinhaus (eines der wenigen im Land) ist aber jederzeit von außen einsehbar.
Foto Gemeinde Ludesch


Rheintal

Feldkirch – Kunstbox
Die Kunstbox ist eine überdimensionale Vitrine, rund 20 Kubikmeter Raum für Kunst, platziert am Eingang zur Feldkircher Altstadt. Vom Architekturbüro raumhochrosen entwickelt, bietet die Box Platz für Installationen und künstlerische Aktionen. Ein Schaufenster, das zeitgenössische Kunst in den Alltag integriert, direkt erlebbar macht. Aktuell ist die Kunstbox mit Licht gefüllt, das an Meerwasser erinnert – oder ist es umgekehrt?
Foto Miro Kuzmanovic


Rankweil – Autobahnrastplatz Frutz – „Große Mutterfigur“ Herbert Albrecht
Es gibt viele Werke von Herbert Albrecht im öffentlichen Raum: der Römerkopf am Bodensee etwa oder das Tor der Mehrerauer Kirche. Seine „Große Mutterfigur“ nahe der Autobahn kennen wohl nur wenige. Einmal durfte ich Jugendliche auf einer Tour durch die Umgebung begleiten. Ihr Interesse für Kunst war überschaubar. Noch dazu regnete es an diesem Tag in Strömen. Trotzdem, bei dieser Figur gab es keinen, der sie nicht irgendwann betreten, berührt hätte. Vielleicht gefiel ihnen die Skulptur an sich, vielleicht auch das ganze Setting: eine Höhle aus Stein, die Regen, Lärm und Abgasen trotzt, ruhend zwischen Autobahn und Fluss.
Foto Judith Reichart


Hohenems, Altach – Jüdischer Friedhof
Friedhof bedeutet im Hebräischen „Haus der Ewigkeit“ oder „guter Ort“. In Hohenems liegt dieser am Rand der Stadt. Tritt man durch das Tor, wird man von Stille empfangen. Schmale Stufen führen an den Grabsteinen entlang, zum Teil sind sie 400 Jahre alt. Noch heute kommen neue hinzu.
Nicht unweit des Jüdischen Friedhofs, in Altach, liegt seit einigen Jahren der Islamische Friedhof: beide sind wichtige Stätten für die jeweiligen Glaubensgemeinschaften, aber auch für ganz Vorarlberg: historisch und in Bezug auf das Zusammenleben verschiedener Kulturen in unserer Gegenwart. Foto Gisinger


Dornbirn – Sägerbrücke, Skulptur
Hubert Lampert

Es ist eine Insel geworden, die der Architekt Hugo Dworak in Dornbirn geschaffen hat: Er hat die Sägerbrücke mehr breit als lang ausgestaltet und damit einen großzügigen Drehpunkt am Eingang zur Stadt kreiert. Im Gegensatz dazu strebt die Skulptur von Hubert Lampert in luftige Höhe. Zwei Stahllinien ragen nach oben. Die Windungen sind wohlgesetzt und folgen der Fibonacci-Zahlenreihe, die Wachstum in der Natur beschreibt. Die Lampert´schen Linien erinnern an die Doppelhelix der DNA. Ein signalgelbes Zeichen für den Ort und dessen Bewohner.
Foto Manfred Oberhauser


Arlberg

Lech – Skyspace Lech – James Turrell
Von außen wirkt der Skyspace wie ein Laboratorium. Oder ist die Kuppel ein Requisit aus einem Bond-Film? Was den Standort betrifft, könnte Bond hinkommen: ein Hügel oberhalb von Lech, vor atemberaubendem Berg-Panorama. In das unterirdische Bauwerk führt ein 15 Meter langer Tunnel, der in einen fast runden Saal mündet. Die umlaufende Sitzbank verleiht diesem etwas Sakrales. Man setzt sich, die Raumstrukturen beginnen sich aufzulösen. Die Zeit auch. Und wenn sich die Kuppel öffnet und den Blick auf den Himmel freigibt, dann ist es, als werde dieser Teil des Raumes. Ein spektakuläres und doch sehr intimes Nah-Himmel-Erlebnis. Foto Daniel Zangerl


Bregenzerwald

Sibratsgfäll – Georunde Rindberg
Es ist der 18. Mai 1999, als sich die Dorfparzelle Rindberg in Bewegung setzt. Der Hang rutscht, Häuser, Wald, Wiesen und Straßen wandern bis zu 180 Meter talwärts. Zwei Wochen anhaltender Regen hatten den Murstrom in Gang gebracht. Noch heute bewegt sich das Dorf. Doch die Bewohner lernen, mit der Natur und nicht gegen sie zu leben. Die Georunde Rindberg ist als Erfahrungsweg konzipiert, der aufzeigt, wie ein Dorf sich seiner Geschichte und Zukunft stellt. Kein Disneyland einer Katastrophe, sondern echte Auseinandersetzung mit der Kraft der Natur und den Menschen, die sie bewohnen. Foto Alex Kaiser


Krumbach – Bus:Stop Bushaltenstellen
Begeh- und benutzbar sind auch die Buswartehäuschen in Krumbach. Es sind spektakuläre Architektur-Skulpturen, von namhaften Architekten aus sieben verschiedenen Ländern entworfen. Von Handwerkern aus dem Tal gefertigt. Heute sind die hohe Wendeltreppe, der geschindelte Aussichtsturm oder das zum Dach gefaltete Dreieck Anziehungspunkte für Architekturtouristen. Die Bus:Stops stehen exemplarisch für die Experimentierfreude und Handwerkstradition des Architekturlandes Vorarlberg. Das VAI bietet ausgewählte Touren und weitergehende Informationen zur „erstaunlichen Allgegenwart zeitgenössischer und traditioneller Bauten in Vorarlberg“ an. Foto Darko Todorovic


Schwarzenberg – Dorfplan Uwe Jäntsch
Im alten Tanzhaus in Schwarzenberg hat der Künstler Uwe Jäntsch sein sieben Meter langes und zwei Meter hohes Gemälde angebracht. Ein Dorfplan, in dem er malerisch Gegenwart, Geschichte und Zukunft des Dorfes verwebt. In der Tanzlaube tagte einst das Gericht und wurden Verlautbarungen verkündet. Noch heute ist sie wichtige Informationszentrale: begehbare Litfasssäule, Treffpunkt und Bushaltestelle in einem. Foto Adolf Bereuter


Rheintal-Bregenz

Heinz Gappmayr Rathausstraße, 0,0000000001 mm, 1997
Auf einem alten, denkmalgeschützten Haus in der Bregenzer Innenstadt steht die unbeschreiblich kleine Einheit 0,0000000001 mm
in riesigen Ziffern. Was aufgemalt die Breite einer ganzen Hausfassadenfläche einnimmt, meint eine mathematische Winzigkeit, die sich unserer Vorstellung entzieht. Foto Alexander van Stipelen


Ruth Schnell Hafen, Floating Signs, 2011
Umgekehrt verhält es sich bei der Lichtinstallation der Künstlerin Ruth Schnell. In eine extrem schmale Stele hat sie einen Lichtstab aus LED eingebaut. Auf den ersten Blick wirkt die Stele wie eine unscheinbare Lampe. Darin verbirgt sich aber eine ganze Welt von Bildern und Worten, die man nur aus der Bewegung wahrnimmt. Wer seinen Kopf schüttelt, sieht Häuser und Schiffe im Licht. Foto Alexander Pausch


Gerry Ammann, Lichttunnel, 2011
Am Ende des Molos hat Gerry Ammann sein Lichtobjekt positioniert. Es ist ein fünf Meter langer Tunnel aus Lichtrohren, die in der Dämmerung in unterschiedlichen Farben zu leuchten beginnen. Mit dem See als Hintergrund ist der Lichttunnel eines der beliebtesten Fotomotive im Hafen. Foto Christiane Setz


Cerith Wyn Evans – Festspielhaus Licht­skulptur
Wenn die Sonne über dem Bodensee untergegangen ist und das Dunkel des Alls uns umhüllt, wird die Lichtskulptur auf dem Dach des Festspielhauses sichtbar: eine Installation aus weißen Neonröhren, die den Zahlenzug „299.792.458 m/s“ bilden. Der britische Künstler Cerith Wyn Evans hat damit die Lichtgeschwindigkeit lesbar gemacht und eine Konstante den Veränderungen, die unseren Alltag beherrschen, gegenübergestellt. Eine tröstliche Relativierung, die wir gerade in Zeiten von Krise und Wandel gut gebrauchen können. Foto Christiane Setz

Teilen auf:
Facebook