MEIN WUNSCH

Von Doris Knecht
Foto Rosa Knecht

Es ist der 16. März, während ich das hier schreibe. Soeben wurden alle Flüge eingestellt, es herrscht strenge Ausgangsbeschränkung und es ist gerade unmöglich, sich etwas anderes zu wünschen, als dass diese Corona-Krise vorübergeht. Dabei hätte ich durchaus ein paar Wünsche: Eine vernünftige Verkehrspolitik, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt und nicht das Auto. Eine humane Flüchtlingspolitik. Und, vor allem anderen, eine verbindliche Frauenquote in allen Lebens-, Wirtschafts-, Kultur- und Politikbereichen, in denen Frauen noch nicht gleiche Rechte, gleiche Macht und gleiches Einkommen haben (also beinahe in allen): Weil alles andere bisher nicht funktioniert hat, trotz aller Beteuerungen. Aber der Wunsch, dass wir Corona in den Griff bekommen, überdeckt momentan alles andere.
Dabei hat sich für mich persönlich kaum etwas verändert: Ich sitze zuhause an meinem Arbeitstisch und schreibe, wie ich es jeden Tag tue, einen Espresso neben mir (die Kaffee-Vorräte sind ausreichend, gottlob), die Kinder machen mir gegenüber Homeschool und sind groß genug, dass sie dafür meine Hilfe nicht brauchen. Was wünscht man sich also, wenns einem also gerade eh ganz gut geht, während rundherum die Hiobsbotschaften durch die Timeline rollen? Man wünscht sich, dass sich keiner angesteckt hat, den man kennt, vor allem nicht die älteren Verwandten und Freunde. Man wünscht sich, dass all die Menschen, die jetzt Aufträge und Jobs verlieren, die ihre Lokale und Läden schließen, Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken und um ihrer Existenzen bangen müssen, alle Hilfe und Unterstützung bekommen, um diese Katastrophe zu überstehen. Man wünscht sich, dass es in den kasernierten Familien nicht zu Gewaltausbrüchen gegen Frauen und Kinder kommt. Man wünscht sich eine Zeitmaschine.
Man wünscht sich, dass die Zahl der Infizierten nicht mehr steigt und vor allem nicht die Zahl der akut Kranken. Man wünscht sich, dass die Kinder keinen Lagerkoller bekommen. Man ist auch viel dankbar für die Wünsche, die sich quasi schon erfüllt haben: für die Erfindung des Internets, der Telekommunikation, der Sozialen Medien und der Streamingdienste.
Draußen strahlt und blitzt ein sonniger Frühlingstag, aber etwas fehlt im üblichen Soundtrack, und jetzt wirds mir klar: Es fehlt das Geräusch des Ballkäfigs vor meinem Haus und das fröhliche Gekreisch der Kinder auf dem Spielplatz daneben, das sonst zu jeder Tageszeit zu hören ist. Es ist so still, zu still. Ich wünsche mir, dass es so still nicht lange bleibt.
Es ist der 17. März, während ich das hier fertigschreibe, und es ist gerade schwer, sich etwas anderes zu wünschen, als dass diese Krise bald vorübergeht, dass die Kurve abflacht, hier und auf der ganzen Welt, dass die Gesundheitssysteme nicht kollabieren. Momentan wünsche ich nur allen: Bleibt gesund. 

Doris Knecht ist Schriftstellerin und Kolumnistin („Falter“, „Vorarlberger Nachrichten“.) Ihre Romane „Gruber geht“, „Besser“, „Wald“, „Alles über Beziehungen“ und „weg“ sind bei Rowohlt Berlin erschienen; „Gruber geht“ wurde zudem mit Manuel Rubey in der Hauptrolle fürs Kino verfilmt. Sie wuchs in Rankweil, Vorarlberg auf und lebt jetzt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel. Sie twittert nicht, fährt gern Rad und kann ziemlich gut jassen.

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