Mein Wunsch
Foto: Minitta Kandlbauer
Von Michael Stavarič,
Mit Wünschen sollte man vorsichtig sein, manche von ihnen könnten ja schließlich wahr werden – las ich schon als Kind irgendwo sinngemäß, und nahm mir ernsthaft vor, mich niemals leichtfertig und unüberlegt diesbezüglich zu äußern. Man wünscht sich wohl unentwegt und so vieles im Leben, doch die immer auch präsenten profanen, weil ausschließlich materiellen Gedanken, sollte man lieber hinter sich lassen. Materielles allein kann keinesfalls als Motivation dienen, etwas im Leben zu erreichen.
Ich wollte als Kind beispielsweise beruflich alles Mögliche werden; wünschte mir vor allem eine Ausbildung als Meeresbiologe, mitunter auch Astronaut oder, ja doch, Zahnarzt. Weil ich sie selbst unangenehm empfand, die Besuche bei Herr und Frau Doktor, und ich mich künftig lieber auf eigene Faust behandeln wollte. Dass ich Schriftsteller werden würde, es stand auf meiner Wunschliste nie ganz oben – das sollte sich erst später ändern. Obendrein hat es eine geraume Weile gedauert, bis ich mir diesen Wunsch wirklich erfüllen konnte. Bücher schreiben und publizieren, es erschien lange Zeit vollkommen unrealistisch.
Irgendwann hatte ich allerdings realisiert, dass ich mir nahezu alles, was ich mir einst wünschte, auch mit Hilfe von Büchern umsetzen kann. Meeresbiologie? Kein Problem, schreibst du dir eben selbst fundierte Bücher über Meerestiere. Erzählst dabei allen etwas vom großen Ganzen, der Faszination, die du dabei empfindest, wenn du etwas über Umwelt und Tiere liest – und wie alles miteinander zusammenhängt.
Solche Projekte sind in der Tat mit vielen Lektüren und Gesprächen verbunden, bisweilen könnte man durchaus behaupten, man absolviert dabei nun tatsächlich ein Studium der Meeresbiologie. Oder Bionik. Oder Astronomie. Die Auseinandersetzung mit diversen Komplexitäten nimmt jedenfalls beim Schreiben kein Ende. Und diese intensiven Auseinandersetzungen bedingen unentwegt neue Wünsche, die mir wirklich am Herzen liegen.
Stichwort: Artensterben! Ich wünsche mir sehr, dass die Menschheit es insgesamt noch schafft zu erkennen, welche Tiere und Pflanzen ihr gegenwärtig verloren gehen (oder verloren zu gehen drohen), und dass dieser Verlust durch nichts zu rechtfertigen, zu beschönigen oder sonst wie zu relativieren ist. Wir befinden uns in einem schleichenden Massenaussterben, und zum ersten Mal in der Geschichte dieses Planeten ist es durch Menschen verursacht. Ob wir heimische Singvögel, Feldhamster, Ziesel und Co. betrachten, oder die Bestände vieler exotischer Tiere heranziehen, die Roten Listen des dokumentierten Artensterbens werden immer umfangreicher. Aktuell drohen die maritimen Nahrungsketten aus unterschiedlichsten Gründen zu kollabieren, die Folgen für uns Menschen werden natürlich verheerend sein.
Ich wünsche mir daher zutiefst ein ökologisches Bewusstsein in unserer Gesellschaft, dass es ermöglicht, diesen Entwicklungen entgegenzutreten. Dieser Wunsch ist gewissermaßen auch ein Grundmotiv in all meinen Büchern geworden, sei es nun in der Kinderliteratur, oder in diversen Romanen, Gedichten und Essays. Vielleicht darf ich ja zu Weihnachten den einen oder anderen Wunsch äußern, der tatsächlich wahr wird? Ich habe mich nämlich anlässlich der anstehenden Feierlichkeiten in die Lage diverser Tiere versetzt, mich gefragt, wie sie wohl unser Weihnachtsfest sehen – und wie sie es zelebrieren würden. Ich bin absolut davon überzeugt, dass der Mensch erst etwas zu schätzen und zu schützen bereit ist, wenn er sich in andere Lebewesen und Problematiken hineinversetzt. Überhaupt ist ja Literatur generell ein wunderbares Mittel, um Empathie zu fördern, wo man mit Hilfe diverser Protagonistinnen und Protagonisten in die Leben und Gedankenwelten anderer eintaucht. In diesem Sinne wünsche ich mir, dass wir alle es noch in der Hand haben, unseren Planeten als den wunderbaren Ort zu bewahren, der er ist. Und dass wir das Lesen als einen Weg dorthin erachten!
Michael Stavarič wurde 1972 in Brünn, Tschechien, geboren und schreibt Romane, Kinderbücher, Theaterstücke und Gedichte. In seiner jüngsten Publikation, „Tierisch wilde Weihnachten” (Leykam Verlag), lassen er und Co-Autorin Martina Stuhlberger 24 Tiere selbst Adventgeschichten erzählen.