Mein Wunsch

Ich wünsche mir die Wertschätzung und Pflege der Phantasie. Ich wünsche mir, dass die derzeitige Situation das Vorstellungsvermögen ankurbelt, bezüglich dessen, was unbedachtes Handeln anrichten kann. Ich wünsche mir, dass die Phantasie, die sich in Verschwörungstheorien und Fake News niederschlägt, lieber liebevoll genutzt wird. Ob Leute Komponenten für lebenswichtige Beatmungsgeräte auf dem 3D-Drucker erzeugen oder Gläser an Stangen binden und es damit schaffen, von Balkon zu Balkon mit einer einsamen Person auf deren Geburtstag anzustoßen – es ging doch gerade noch im Großen und im Kleinen aufmunternd oft darum, sich um andere zu kümmern, für Gemeinsamkeit einzutreten und eben Phantasie dafür aufzuwenden.

Nun aber scheint wieder die Normalität einzukehren, die mit dem Abstand, den wir jetzt haben, eigentlich nicht normal erscheinen dürfte. Plötzlich geht es nicht mehr ums Retten und Sorgen. Es wird sogar diskreditiert. Was würden Außerirdische von uns denken, die hierhergekommen sind, um unsere Werte und unsere Fähigkeiten zum logischen Denken zu erforschen? Sie würden sehen, dass das Kaufen von nicht benötigter Kleidung in unserer Ordnung wichtiger ist als der Schutz von Menschen, die nur leben dürfen, wenn sie für deren Produktion sterben. Sie würden sehen: Manches dieser Objekte wird hierzulande ca. 1,5 Tage getragen, bevor es weggeworfen wird. Oft ist es aus Kunstfaser, die in zig Jahren nicht zerfällt. Müssen diese Außerirdischen nicht denken, dass es für uns oberstes Gebot ist, möglichst haltbaren Müll zu erzeugen? Müssen sie nicht denken, dass da Leute mit allen psychologischen Tricks bearbeitet werden, Müll zu kaufen, mit dem sie nichts anzufangen wissen? Und dann trägt dieses Objekt noch zum Klimacrash bei und damit zur Herstellung eines Weltzustands, in dem Menschen womöglich nicht mehr lebensfähig sind. Welche Schlüsse würden diese Außerirdischen daraus ziehen, dass Leben – auch einem Virus – geopfert werden, um solche Mechanismen zu erhalten? Diese Menschen, würden sie denken, hängen einer Untergangsreligion an. Und sie sind so in dieser Religion befangen, dass ihre Phantasie wie gefesselt ist. Sonst müssten sie, die daran forschen, künstliche Intelligenz zu entwickeln, doch fähig sein, sich ein anderes Funktionieren auszudenken. Sind wir dazu fähig? Ich wünsche mir Phantasie, eine wilde, eine, die zum Beispiel Plastikmüllteile in Müllplastiken verkehrt und diese dann zu antiker Kunst erklärt, weil keine mehr hergestellt werden müssen.

Lisa Spalt geb. in Hohenems, lebt in Linz. Arbeiten zum Handeln in Sprache, Bildern und Objekten. Einzige feste Mitarbeiterin des „Instituts für poetische Alltagsverbesserung“ (IPA), Galeristin der Hosentaschen-Kunstedition und Betreuerin der Wandlungsform „Manisoft des Psittacismus“. Seit 2017 Editorin der „Edition kleine Brötchen“. Letzte Einzelpublikation: „Das Institut“, Czernin Verlag 2019. Gemeinsam mit Otto Saxinger derzeit Arbeit an der Video-Installation „YOUTOPIA / Plan B“: gemeinschaftliches Storytelling zu einer guten Zukunft mit Menschen aus Österreich, Deutschland, der Schweiz und Rumänien. Informationen zum IPA unter www.lisaspalt.info/ipa/

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