Mein Wunsch

Von Konstantin Arnold

Ich halte nichts von großen Wünschen wie Weltfrieden, Lottogewinnen und Mitteln gegen Aids. Nicht, dass ich mir das nicht auch alles wünsche, aber es bringt eben nichts, sich das alles zu wünschen, man muss schon etwas tun, im ganz Kleinen, im Detail, ganz bei sich. Wer alles ändern will, ändert nichts, und wer das Detail ändert, ändert das Nichts und das All.
Ich interessiere mich nicht für Geld, denn ich habe keins. Ich lebe in Lissabon, schreibe Geschichten, die alle toll finden und keiner verlegen will, und versuche mich von meinen Leidenschaften zu ernähren. Ich lebe nicht über meine Ansprüche, sondern um ihnen gerecht zu werden, ähnlich wie Krull, Larbaud, Roth oder Ripley, und doch wie alle, die wir uns als jemand ausgeben, der wir nicht sind, bis wir es werden, weil wir einfach lange genug so getan haben als ob.
Als Schriftsteller muss man sich jeden Tag selber schaffen. Man muss Absagen aushalten, nicht nur eine pro Woche, sondern zehn, zwanzig, Geldnöte, Selbstzweifel und den ständigen Zwang, sich beweisen zu müssen, beweisen, dass man doch ist. Es ist wie in der Liebe. Es reicht nicht, es hundert Mal zu tun, man muss es hundertundein Mal tun, erst dann hat man seine Atempause. Man muss Entscheidungen treffen, wie jeder Mensch, früher oder später.
Anfang des Jahres habe ich mich aus einer langjährigen Beziehung gelöst. Ich glaube, Silvester war ich am Eiger, in Mailand, St. Moritz, München oder Bamberg, ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass ich in dieser Zeit oft aufwachte und nicht wusste, wo ich bin. Meine Adresse in Rom war ein Hotel, in Lissabon eine altehrwürdige Pastelaria. Seitdem habe ich gelitten, gelacht und viel gezweifelt. Seit ein paar Wochen habe ich eine kleine Mansarde. Der Boden ist krumm. Man sieht Lissabon vom Dach, das ist schön, aber seit der Herbst da ist, regnet es auch durch dieses Dach hinein.

Mein Leben lag brach, alle Schienen schienen gesprengt, die Geburtstage vorläufig abgesagt. Es war eine dunkle, schwere Zeit, von der ich, weiß Gott, nicht sagen konnte, dass man die eines Tages für gut erklärt. Ich fühlte mich schlecht, wollte die Verantwortung für das Schlechte aber nicht selbst übernehmen, sondern das Schlechte verantwortlich machen. Der Aufstieg. Zur Sonne, Ikarus, zur Sonne. Man fragt sich, warum man all die Zweifel brauchte, wenn jetzt alles so ist, aber es ist nur so, weil es die Zweifel brauchte.
Das Leben kennt nur eine Geschichte und es ist immer die gleiche: Ich verliebte mich in eine neue Frau, hätte nichts für unmöglicher gehalten. Ich verstand, dass es alle Tage und Nächte brauchte bis hierhin. Mein Wunsch ist deshalb einfach: immer weitermachen zu dürfen, ohne Instagram und Nebenjobs, die es braucht, um Bücher oder Geschichten zu schreiben. Ich wollte nie mehr nicht sehen, was ich habe, weiter finden, nicht suchen, dankbar sein und erkennen, wofür ich das bin. Vielleicht ein Dach über dem Kopf, durch das es nicht regnet. Ich habe das Bohemenleben satt, es geht seit Jahren immer gleich. In ein paar Stunden besichtige ich ein Haus, das nicht das ihrer Eltern ist oder mit Fremden und auch kein Hotel. Ich habe aus meinen Fehlern gelernt. 

Konstantin Arnold ist freier Autor, lebt in Lissabon und schreibt Reportagen, aus aller Welt, für Tageszeitungen und Magazine (NZZ, F.A.Z, Spiegel, Die Welt), um sich freitags gute Oliven und portugiesischen Rotwein leisten zu können. Sein erstes Buch „Briefe aus Lissabon“ erschien 2020. Arnolds Geschichten drehen sich um Liebe, Leben, Lissabon, Kunst und Hotels.


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