MIT HIRN UND HERZ
Die ehemalige Grün-Politikerin und Umweltaktivistin Monika Langthaler über Sitzblockaden, Arnold Schwarzeneggers internationale Starqualitäten und Greta Thunberg als Glücksfall für die Klimadebatte
Interview von Wolfgang Paterno
Foto Ursula Röck
In einer Folge der Science-Fiction-Serie „Perry Rhodan“ wird der Titelheld gefragt, ob er heute schon die Welt gerettet habe. „Mitreißendes Gähnen“, so wird Rhodans Reaktion beschrieben. Wie reagieren Sie auf die Frage?
Mit halblautem Lachen, weil sie mich amüsiert. Fragen dieser Art kommen oft von Menschen, die mit dem Thema Umweltschutz wenig am Hut haben und sich gern über jegliche Form des Engagements für unseren bedrohten Planeten lustig machen.
Niemand macht sichhier lustig!
Geschenkt. Lachen ist ohnehin eine ausgezeichnete Antwort auf viele Fragen. Man signalisiert so, dass man gewisse Fragen nicht bierernst nehmen soll. Ich arbeite seit 30 Jahren im Klima- und Umweltschutz. Dazu gehören Humor und eine Portion Optimismus.
Weil sonst die Gefahr besteht, dass man sich irgendwann im Thema verbeißt?
Natürlich gibt es in der Umwelt-Community Vertreterinnen und Vertreter, die nicht nur ein oberlehrerhaftes Image pflegen, sondern deren Auftreten auch tatsächlich weitgehend spaßbefreit ist. Umweltschutz ist ein ernstes Thema. Dennoch ist es wichtig, Spaß und Freude an dem zu haben, was man tut.
Ein Katastrophenszenario der 1980er Jahre war das Waldsterben. Handelte es sich, retrospektiv betrachtet, um übertriebenen Alarmismus?
Es ist wichtig, die richtige Balance zu finden: Den Ernst eines Themas zu vermitteln, Menschen aber zugleich nicht in Hoffnungslosigkeit zu stürzen, ihnen gar zu vermitteln, es sei für sämtliche Bemühungen zu spät. Die Geschichte der Zivilisation zeigt uns deutlich, dass der Mensch schwierige Phasen meisterte. Mit Hirn und Herz zogen wir uns selbst immer wieder aus dem Schlamassel.
Jonathan Franzen sieht die Lage in seinem Essay „Wann hören wir auf, uns etwasvorzumachen?“ drastischer: Der US-Romancier geht davon aus, dass die Klimakatastrophe nicht mehr aufzuhalten sei.
Offenbar findet Franzen solche Ansagen schick – ohne ihm allzu nahe treten zu wollen. Ich habe einen bald 13-jährigen Sohn. Ich lehne es ab, mich auf solche Schwarzmalerei einzulassen.
Sie warnen seit 30 Jahren vor dem Klimawandel. Schaffen wir die Krise, oder schafft die Krise uns?
Es gibt unbestritten Bedrohungsszenarien. Dazu kommen weitere Krisenherde – Kriege, Krankheiten, Katastrophen –, die es nicht einfacher werden lassen, die globale Erwärmung in den Griff zu bekommen. Als ich Ende der 1980er Jahre erstmals öffentlich über den Klimawandel sprach, wurde ich ausgelacht. Inzwischen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass gegen den von uns allen verschuldeten Klimawandel etwas unternommen werden muss.
„Klimakatastrophe“ war vor mehr als zehn Jahren bereits das „Wort des Jahres“.
„Klimakatastrophe“ ist ein abstrakter Begriff, von dem noch immer viele glauben, dass er mit ihnen selbst wenig zu tun hätte. Menschen müssen Geld für Miete, Strom und Essen verdienen – weshalb sollen sie da noch Interesse für etwas Abstraktes wie die „Klimakatastrophe“ aufbringen? Wir versuchen in unserer Arbeit klarzumachen, dass es inzwischen um unser aller Zukunft geht – um etwas Substantielles, nicht um etwas Abstraktes.
War das Thema Umweltschutz früher einfacher zu vermitteln?
Die Besetzung der Hainburger Au vor 35 Jahren und der Kampf gegen das Kernkraftwerk Zwentendorf markieren in Österreich den Beginn der Umweltbewegung. Es war ein Ringen wie bei David gegen Goliath, die Themen waren in ihrer Kausalität jedoch noch verhältnismäßig einfacher und anschaulicher: Damals pumpte die Industrie vor aller Augen grauslichen Dreck in Flüsse.
Und heute?
Kohlenstoffdioxid ist in geringer Konzentration nicht giftig – zugleich ist CO2 die Hauptursache des Klimawandels. Die Nachrichten berichten jeden Tag von Stürmen, Überflutungen, flächendeckenden Buschfeuern. Wir alle sind Zeugen. In den Köpfen setzt sich unaufhaltsam die Erkenntnis durch, dass diese Katastrophen durch das Eingreifen des Menschen in Natur und Klima in Zusammenhang stehen.
Wir führen dieses Gespräch Ende Februar bei Frühlingstemperaturen.
Es ist um zehn Grad zu warm! Es gab zu wenige Niederschläge, die Böden frieren nicht mehr tief genug. Um die Folgen – mehr Schädlinge und Ernteausfälle – wissen die Bauern im Weinviertel bereits heute. Das ist höchst real, dennoch „nur“ der Vorgeschmack auf das, was noch alles kommen wird.
Ist Greta Thunberg für Ihre Arbeit ein Glücksfall?
Sie trifft den Puls der Zeit. Sie kennt keine Kompromisse und geht so weit, für ihre Überzeugungen ihr Leben zu riskieren – siehe die Atlantik-Überfahrt per Schiff. Sie setzt sich buchstäblich mit Haut und Haaren ein. Greta ist ein reiner Glücksfall für die Klimadebatte.
Seit 2017 findet in Wien alljährlich der „Austrian World Summit“ statt. Dem Initiator der Klimaschutzkonferenz sind Sie vermutlich erstmals im Kinosessel begegnet.
Arnold Schwarzenegger sah ich tatsächlich zum ersten Mal im Kino. Ich muss 16 gewesen sein, der Film hieß „Terminator“. Mein damaliger Freund war ein großer Fan. Er wollte Schwarzenegger unbedingt einmal persönlich treffen.
Inzwischen sind Sie im Besitz von Schwarzeneggers Handynummer.
Ich darf sagen, dass wir befreundet sind. Schwarzenegger ist für die Klima- und Umweltschutzdebatte ein ebenso großer Glücksfall wie Greta, weil er zu Bevölkerungsgruppen Zugang hat, die Umweltschützer nur schwer erreichen. Schwarzenegger hat in seinem Leben viele Karrieren absolviert – als Sportler, Schauspieler, kalifornischer Gouverneur. Man nimmt ihm ab, dass er sich einem Thema intensiv widmet. Er ist einer der wenigen internationalen Stars, der Menschen fesselt. Es gibt den Papst, die Queen – und Arnold Schwarzenegger.
Eine weitere Rolle Schwarzeneggers ist jene, so etwas wie der Antipode des Mannes zu sein, der im Weißen Haus den Klimawandel beharrlich leugnet.
Er trat für den Klimaschutz ein, da wusste Donald Trump nicht einmal, wie man das Wort „Umwelt“ buchstabiert. Schwarzeneggers Lebensziel war es aber nie, der Widersacher des aktuellen US-Präsidenten zu werden. Schwarzenegger legte in Kalifornien früh ein millionenschweres Dächer-Programm auf, um die Solarenergie zu fördern. Er agiert immer nach dem Motto: „There is no Republican water or Republican air, there is no Democratic water or Democratic air.“ Wasser und saubere Luft gehört uns allen. Jung und Alt, Reich und Arm, Links und Rechts müssen bei der Rettung des Klimas zusammenarbeiten.
Erinnern Sie sich an den Moment, an dem Sie den Entschluss fassten, sich ganz der Umweltarbeit zu widmen?
Mit 13 oder 14 begann ich mich dafür zu interessieren, wie die Erde funktioniert, wie sie entstanden ist. Die Lektüre von Hoimar von Ditfurths Buch „Im Anfang war der Wasserstoff“ ließ mich unglaublich beeindruckt zurück. Später studierte ich technische Chemie. Mich fasziniert bis heute, woraus Materie besteht, welche Wechselwirkungen zwischen Natur, Umwelt und Gesellschaft bestehen.
Von Ditfurth stammt auch das Buch„So lasst uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen“. Ihr heimliches Motto als ehemalige Grün Politikerin?
Ich darf mich glücklich schätzen, meine Leidenschaft zum Beruf gemacht zu haben. Es wird oft vergessen, dass ich schon seit 20 Jahren Unternehmerin bin und mich auf dieser Ebene für die Umwelt einsetze. Zu den Grünen stieß ich, nachdem die Partei bereits ihre erste Legislaturperiode im Parlament absolviert hatte. Politikerin wurde ich aus Zufall.
Aus Zufall?
Hainburg spielte in meiner Biografie eine untergeordnete Rolle: Ich nahm als eine von vielen an den Sitzblockaden teil und fror mir den Hintern ab. Später arbeitete ich als junge Wissenschaftlerin am Ökologieinstitut. 1989 stieß ich zu den Grünen, weil die Partei dringend jemanden suchte, der den Umweltbereich abdeckte.
„Spinnerin“ hörten Sie auf öffentlichen Diskussionen damals wohl öfter?
Ich nahm an Podiumsgesprächen teil, an deren Ende ich mir nicht sicher war, ob ich den Abend ohne Polizeischutz überstehen werde. Ein großes Abfallunternehmen verklagte mich wegen vorgeblicher Rufschädigung auf einen Millionenbetrag. Im Fernsehen wehrte ich mich medienwirksam und rief für Spenden für meine Anwaltskosten auf. Heute würde man das „Fundraising“ oder „Crowdfunding“ nennen. Ich gewann übrigens alle Prozesse.
In den Buchhandlungen stapeln sich inzwischen die Ratgeber zur Weltrettung, und im Fasching sah man Menschen mit „Greta-Zöpfen“. Wird die Klimakrise zum Geschäftsmodell?
Jedes Thema wurde noch irgendwann zu einem Geschäft. Umgekehrt brauchen wir die Wirtschaft und die Industrie, um die Probleme zu lösen, die diese Unternehmen teils mitverschuldet haben – wie übrigens wir alle. Es ist verführerisch bequem, im Supermarkt verpackte Artikel in den Einkaufskorb zu legen und mit dem Auto nach Hause ins Grüne zu fahren.
Was muss passieren, um das Ruder noch herumzureißen?
Zwei Dinge: All das, was die Umwelt verschmutzt, muss empfindlich teurer werden. Ich wage diese Aussage, weil ich mich nie mehr einer politischen Wahl stellen werde: Es wird klare Preissignale geben müssen. Ich bin Pragmatikerin. Ich kann davon träumen, wie ich mir die Welt vorstelle, dazu brauche ich am Ende aber die Mithilfe der Wirtschaft sowie eine breite demokratische Mehrheit, damit gewisse Dinge nachhaltig verändert werden können. In einer Öko-Diktatur will ich nicht leben.
Und der zweite Punkt?
Wir müssen unseren Lebensstil ändern. Man geht dramatisch fehl in der Annahme, man schone die Umwelt, nur weil man statt drei Autos in der Garage, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, auf drei Elektroautos umsattelt. Der alljährliche Karibikurlaub? Gestrichen. Brauche ich wirklich alle paar Wochen neue Klamotten vom Diskonter? Wohl kaum.
Umweltschutz muss man sich leisten können. Befürchten Sie manchmal, dass Ihre Botschaft von einem allzu exklusiven Kreis wahrgenommen wird?
Mein Sohn spielt im 21. Wiener Gemeindebezirk Fußball. Ich bin also mit den Lebenswelten von Menschen durchaus vertraut, die nicht im Intellektuellentürmchen wohnen. Gerade am Fußballplatz geht viel Positives von den Jungen aus. Viele zögern beim Kauf von Plastikflaschen. Bei der Urlaubsplanung argumentieren die Jungen gegen das Billigstangebot per Flugzeug. An der Seitenauslinie führe ich manchmal dieselben Diskussionen wie mit Managern, die in der fossilen Industrie arbeiten. Aber selbst bei denen ist eine gewisse Veränderung spürbar: Deren Kindern ist es mitunter peinlich, in was für Betrieben ihre Väter arbeiten. Es ist weitaus schicker, über ein Thema zu reden, das für Zukunft steht – und nicht für Vergangenheit.
Ihrem Sohn werden Sie wohl keine heile Welt hinterlassen.
Unsere kleine Initiative rettet nicht die Welt. Dennoch versuche ich, meinen Beitrag zu leisten. Das muss jeder für sich selbst entscheiden, was er seinen Kindern hinterlassen will. Ich kann meinem Sohn zumindest irgendwann in die Augen schauen und sagen: „Ich habe es probiert!“
Ihre letzte kleine Umweltsünde?
Ich sündige ununterbrochen. So konsequent wie Greta bin ich nicht. Vor zwei Tagen gab es zum Frühstück frische Früchte – in Plastik verpackt.
Monika Langthaler-Rosenberg, 54, arbeitete nach ihrer Studienzeit in London als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Österreichischen Ökologieinstitut. Von 1990 bis 1999 war sie Abgeordnete des Grünen Klubs im Parlament. Seit 2000 ist Langthaler geschäftsführende Gesellschafterin der Wiener Beratungsfirma brainbows. Vor vier Jahren startete sie gemeinsam mit Arnold Schwarzenegger die alljährlich ausgerichtete Klimainitiative „R20 Austrian World Summit“.
Die wichtigsten Fakten zum AUSTRIAN WORLD SUMMITund CLIMATEKIRTAG 2020
Eine der größten Umwelt-Konferenzen der Welt
Präsentiert praktikable Lösungen für mehr Klimaschutz
Verbindet Ideen mit den verfügbaren technischen und finanziellen Ressourcen
Motto 2020: „Be the Solution“
CLIMATE KIRTAG: Open-Air-Festival bei freiem Eintritt, wo berühmte österreichische Musiker, Prominente und Klima-Champions auftreten, die sich alle im Kampf gegenUmweltverschmutzung und Klimawandel engagieren.
Datum: 17. September 2020 Weitere Informationen sowie den genauen Ort und Zeitpunkt der Konferenz finden Sie online auf der Website:
www.austrianworldsummit.com