Mit Sindbad durch stürmische Zeiten

Sindbad der Seefahrer erreicht mit Sicherheit neue Ziele und gibt auch im Sturm nicht klein bei – Ähnliches leistet die gleichnamige Initiative: In einem Förderprogramm begleiten Mentorinnen und Mentoren zwischen 20 und 35 Jahren Jugendliche durch die herausfordernde Zeit der Selbst- und Berufsfindung. Von Daniela Egger

Viele Schülerinnen und Schüler haben kaum eine Vorstellung, wie viele unterschiedliche Berufe es gibt, und wenn sie nach ihren Berufswünschen gefragt werden, nennen sie alle dieselben zehn oder 15 Tätigkeiten. Auch kennen sie ihre eigenen Fähigkeiten oft noch nicht. Im Mentoringprogramm „Sindbad“, in Vorarlberg von Wolfgang Eller und Diana Panzirsch ins Leben gerufen, stehen diesen jungen Leuten ehrenamtlich Erwachsene für eine gewisse Zeit zur Verfügung: Sie begleiten sie bei Firmenbesuchen und loten mit ihnen neue Möglichkeiten aus. „Wir besuchen Schulen und stellen uns den Schülerinnen und Schülern vor“, erzählt Wolfgang Eller. „In eine HTL oder in die Gymnasien gehen wir nicht. Wir wenden uns an die Jugendlichen, die eher bildungsfern aufgewachsen sind, und schauen, was sie brauchen. Manchmal handelt es sich um mangelnden Selbstwert, manchmal brauchen sie Orientierung und jemanden, mit dem sie außerhalb der Familie über ihre Wünsche und Ängste reden können. ‚Sindbad‘ ist in erster Linie ein Beziehungsangebot und die Begleitung durch eine heiße Phase des Erwachsenwerdens.“

Das Sindbad Vorarlberg-Team:
Diana Panzirsch, Wolfgang Eller und Sara Becirspahic.

Foto Alexander Panzirsch

Die begleitenden Erwachsenen sind zwischen 20 und 35 Jahre alt und berufstätig. Häufig stellen auch die Partnerunternehmen ihre jungen Mitarbeitenden für diese ehrenamtliche Tätigkeit zur Verfügung, denn diese können dabei Leadership-Erfahrung in der Praxis sammeln. „Wer Jugendliche motivieren kann, der hat die Königsdisziplin gemeistert“, sagt Sara Becirspahic, eine angehende Kommunikationspsychologin, Mitarbeiterin und selbst Mentorin bei „Sindbad“. „Man lernt wirklich viel über sich selbst. Die eigenen sozialen Kompetenzen werden erweitert, wenn man Jugendliche durch eine so wichtige Phase in ihrem Leben begleitet“, erzählt sie. „Viele haben einen ordentlichen Rucksack dabei – ich bin derzeit mit einem jungen Mann mit Fluchterfahrung auf der Suche nach einer Lehrstelle. Hier geht es auch stark um den Spracherwerb, damit sich seine Chancen am Arbeitsmarkt verbessern. Manche haben keinen familiären Rückhalt. Mit den Jugendlichen gemeinsam so lange zu navigieren, bis sie eine für sie passende Ausbildung gefunden haben, ist für mich persönlich sehr wertvoll und sinnstiftend.“

Wesentlich für den Erfolg der Zweierteams ist, dass sich die Jugendlichen ihre Mentorinnen und Mentoren selbst auswählen können. Diese stellen sich in kurzen Videos vor. Die „Sindbad“-Organisation bietet den Erwachsenen sowohl Ausbildungsmodule als auch laufend Reflexionsgespräche mit dem Team und Supervision von externen Coaches. Oft entstehen aus der gemeinsamen Zeit Freundschaften und Wolfgang Eller betont in diesem Zusammenhang eine Besonderheit – nämlich die, dass bei dieser Konstellation in Zweierteams die eigene Blase bewusst durchbrochen würde. „Diese beiden Menschen hätten sich ohne das Programm vermutlich nie kennengelernt. So schließen beide Seiten Bekanntschaft mit ganz anderen Lebenswelten. Das erhöht die Sozialkompetenz und das Verständnis füreinander.“

Für Unternehmen ist das Angebot insofern interessant, als sie durch die Firmenbesuche potenzielle Lehrlinge kennenlernen – durchaus wichtig in Zeiten des Fachkräftemangels. Die Jugendlichen nehmen freiwillig an dem Programm teil, sie sind motiviert und wollen etwas erreichen, auch wenn sie bisher in der Schule vielleicht noch nicht zeigen konnten, was in ihnen steckt. Für sie entsteht eine neue Gemeinschaft: Innerhalb des Begleitzeitraums werden gemeinsam Ausflüge und Events veranstaltet, sie treffen auf neue Leute, schließen Freundschaften und gewinnen neue Perspektiven. „Sindbad“ steht grundsätzlich allen Jugendlichen zwischen 13 und 19 Jahren offen, auch wenn der Kontakt über die Mittelschulen und die Polytechnischen Schulen gesucht wird. Der Fokus richtet sich vorwiegend auf die Übergangszeit von der Schule in das Berufsleben.
„Wir arbeiten eng zusammen mit der Jugendsozialarbeit, den Kinderdörfern und überall dort, wo Profis mit bildungsbenachteiligten Jugendlichen in Kontakt sind. Viele erfahren von ‚Sindbad‘ über andere. Wenn wir in den vierten Klassen einer Mittelschule oder im ‚Poly‘ zu Besuch sind, dann melden sie sich eher an, als wenn sie nur einen Flyer bekommen.“

„Sindbad“ wurde 2016 in Wien gegründet. Seit 2021 gibt es den Standort Vorarlberg auf Initiative von Wolfgang Eller, der Bildungswissenschaften, soziale Arbeit und Sozialwirtschaft studiert hat. „Wir können eine ganze Reihe Erfolgsgeschichten vorweisen, weil über unser Programm schon viele Jugendliche eine sorgfältig gewählte Lehrstelle gefunden haben. Für mich ist das eine sehr schöne Aufgabe. Wir suchen natürlich laufend neue Unternehmen und auch Mentorinnen und Mentoren, damit wir unser Angebot ausbauen können. Vor allem brauchen wir noch mehr Diversität in unserem Pool an Erwachsenen. Wir haben ein Jugendschutzkonzept, die angehenden Mentorinnen und Mentoren durchlaufen einen Onboarding-Prozess und werden im Umgang mit herausfordernden Situationen geschult. Wir begleiten sie auch fortlaufend bei ihren Fragestellungen.“ Sara Becirspahic weist auch darauf hin, dass Stiftungen oder Unternehmen die Möglichkeit haben, Patenschaften zu übernehmen. Sicher eine sinnvolle Investition in die Zukunft.█

Weitere Informationen: sindbad.co.at

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