Mobiles Ländle
Von Sarah Kleiner
Das Land Vorarlberg arbeitet seit Jahren am Ausbau des öffentlichen Verkehrs und der Elektromobilität. Wir haben nachgefragt, wie die Verkehrspolitik nach dem Corona-Jahr 2020 weiterentwickelt werden soll.
Mobil sein heißt im bergigen Ländle doch etwas anderes als in der österreichischen Hauptstadt. Während in Wien vor allem weite horizontale Strecken durch U-Bahn und S-Bahn in beachtlicher Geschwindigkeit zurückgelegt werden können, dürften den Besucher in Vorarlberg wohl auch die rasch absolvierten Höhenmeter interessieren. Vom Bahnhof in Dornbirn gehen nicht nur Busse nach Vaduz und damit ins EU-Ausland, auch zur Talstation der Karren-Seilbahn kann man in einigen Minuten mit den Öffis gelangen. Von der 500 Meter höher gelegenen Aussichtsplattform eröffnet sich eine eindrucksvolle Sicht über den Bodensee, das gesamte Rheintal und damit über ein Netz aus Schienen, Radwegen und Straßen.
Der Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes wurde in Vorarlberg in vergangenen Wahlprogrammen und Landesbudgets groß geschrieben, in dem Sinne auch die Elektromobilität. Umfassender Investitionen zum Trotz ist der Verkehrssektor in Österreich sowie in Vorarlberg aber jener, wo Energieverbrauch und CO2-Emissionen weiter ansteigen. Die Initiatoren des Klimavolksbegehrens bezeichneten den Verkehr im Umweltausschuss als „Sorgenkind“, der Klimaschutzbericht des Umweltbundesamts gibt einen Anstieg der Treibhausgase aus dem Verkehr um über 70 Prozent seit 1990 an. Dass im Corona-Jahr 2020 aufgrund der Lockdowns weniger Fahrgäste in den öffentlichen Verkehrsmitteln verzeichnet wurden, wird die Investitionspläne des Lands Vorarlberg daher nicht beeinflussen.
Im Landesbudget wurden die Ausgaben für öffentlichen Verkehr heuer um fast ein Viertel gegenüber dem Vorjahr erhöht und mit rund 47 Millionen Euro beziffert. 62 Millionen Euro wollen Bund und Land in enger Abstimmung mit dem Bahnausbau in das Radwegenetz fließen lassen, die ÖBB werden den Großteil der 66 Millionen geplanten Euro vorweg in die Infrastruktur stecken. Das betrifft zum Beispiel den Ausbau der Bahnstrecke Lustenau – Lauterach oder die Modernisierung des ÖBB-Kraftwerks Spullersee.
„Das Rückgrat der Elektromobilität ist seit Jahrzehnten die Bahn, sie ist in Vorarlberg gänzlich elektrifiziert“, sagt Christian Vögel. Er ist Leiter des Fachbereichs Energie und Klimaschutz beim Land Vorarlberg und seit über zwanzig Jahren beruflich im Bereich Energieautonomie und Elektromobilität tätig. „Das Jahr 2020 wird im Bezug auf Energieverbrauch und Emissionen Covid-bedingt ein Ausreißer nach unten sein, aber das wird sich vermutlich wieder einpendeln“, sagt Vögel. „Unser Ziel ist es deshalb weiterhin, möglichst viele Wegstrecken vom Auto auf den Umweltverbund zu verlagern, das heißt auf Bus, Bahn oder auch Zufußgehen und Fahrradfahren,“ sagt er.
Eine bedeutende Rolle spielen bei der verkehrspolitischen Weiterentwicklung Vorarlbergs auch Elektrofahrzeuge. Im Sommer vergangenen Jahres erhöhte das Umweltministerium die Förderungen für private E-Fahrzeuge – eine Maßnahme, die im Ländle Früchte trägt. Bis zum Jahresende 2020 waren mehr als 3.000 Elektroautos in Vorarlberg unterwegs, das sind etwa um eintausend mehr als im Jahr zuvor. Im Dezember 2020 lag der Anteil bei 17 Prozent aller Neuzulassungen, außerdem sind vier elektrisch betriebene Busse im öffentlichen Verkehr im Einsatz. Ziel der Elektromobilitätsstrategie 2020, die Christian Vögel mit ausgearbeitet hat, wären 20 gewesen. „Aber bei den großen Bussen, den Überland- und Gelenkbussen, ist schlichtweg die Technologiefrage noch nicht geklärt“, sagt er. Man forsche hier in alle Richtungen, auch in Richtung Wasserstoff, denn „je größer die Fahrzeuge, desto eher müssen andere Technologien zum Einsatz kommen.“
Klimaexperten wie beispielsweise die renommierte Forscherin Helga Kromp-Kolb sprechen sich dezidiert dafür aus, das E-Auto auch als Teil des öffentlichen Verkehrs einzusetzen, um den Ressourcenaufwand in der Herstellung auf lange Sicht wett zu machen. Eine Ansicht, die der für Umwelt und Nahverkehr zuständige Landesrat Johannes Rauch (Grüne) teilt. „Das ökologische Problem, das wir mit der Mobilität haben, wird nicht dadurch gelöst, dass man alle fossilen Fahrzeuge durch Elektroautos ersetzt“, stimmt er den Überlegungen zu. „Es macht nur Sinn, wenn es Flottenfahrzeuge gibt und Car-Sharing-Modelle, die nachhaltig aus erneuerbaren Energien gespeist werden“, so Rauch. Er nennt die E-Mobilität „nicht das Ende der Fahnenstange“, es sei eine Brückentechnologie, die es brauche, um aus der CO2-Phase im Bereich Mobilität herauszukommen.
Auch hinsichtlich der Energieautonomie-Ziele des Landes sind im Bereich Mobilität noch Umwälzungen nötig. Vorarlberg hat sich hier hehre Ziele gesetzt, bis zum Jahr 2050 sollen Hundert Prozent des Energiebedarfs mit Erneuerbaren abgedeckt werden – eine große Herausforderung für den Mobilitätssektor, der regulär etwa 30 Prozent des jährlichen Energieverbrauchs ausmacht. „Ich bin überzeugt, dass diese Ziele erreichbar sind“, sagt Landesrat Johannes Rauch, „aber es braucht noch einen deutlichen Anschub beim Einsatz von erneuerbaren Energien.“ Vor allem durch das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) auf Bundesebene, das die erweiterte Nutzung von erneuerbaren Energieträgern forciert, soll der Ausbau von Wasserkraft und Photovoltaikanlagen in Vorarlberg weiter voranschreiten.
„Vo Mello bis ge Schoppornou bean I gloufo, d’Füaß himmor weh tau“, sang der Holstuonarmusigbigbandclub (HMBC) in seinem zehn Jahre alten Erfolgssong. Hätte die Band den Bus genommen, wäre sie nach einer knappen Viertelstunde am Ziel gewesen. Die österreichische Bevölkerung wäre dann aber um einen Ohrwurm ärmer geblieben und um
die Frage, ob der Sänger vom „way down“ oder tatsächlich von seinen schmerzenden Füßen spricht.