„Nachhaltigkeit ist Chefsache”
Der Vizepräsident des Vereins respACT, Heinz Felsner. Foto Florian Lechner
Der Verein respACT, auch bekannt als „Austrian Business Council for Sustainable Development“, beging heuer sein 25-jähriges Jubiläum. Er versammelt etwa 370 kleine, mittelständische und industrielle Unternehmen und berät sie im Bereich der „Sustainable Development Goals“, bei Fragen von sozialen Standards in der Lieferkette und Umweltschutz. Im Interview erklärt Heinz Felsner, Mitbegründer und Vizepräsident von respACT, wie der Verein entstand und welche Nachhaltigkeitsbemühungen der Unternehmer und Investor im industriellen Bereich wahrnimmt. Von Sarah Kleiner
Sie blicken auf eine langjährige unternehmerische Karriere zurück, waren Vorstandsvorsitzender der Landis & Gyr AG Österreich und in anderen Führungspositionen. Was hat Sie Mitte der 1990er Jahre dazu bewogen, eine Organisation für Nachhaltigkeit einzurichten?
Heinz Felsner: Ich war damals Vorstandsvorsitzender von Landis & Gyr Österreich. Der Mehrheitsaktionär der Schweizer Muttergesellschaft, Stephan Schmidheiny, wurde 1992 beim Summit of Rio, einer Versammlung von 40 Industriellen anlässlich der dortigen Klimakonferenz, zum offiziellen Sprecher gewählt. Die Industrie ist damals zum ersten Mal in einer weltweiten Umweltkonferenz aufgetreten und hat sich angeboten, an umweltbezogenen Problemlösungen mitzuwirken. Zweifelsohne waren viele davon auch Mitverursacher von gewissen Problemen. 1995 wurde aus diesem losen Zusammenschluss von Industriellen das „World Business Council for Sustainable Development“ unter dem Präsidenten Stephan Schmidheiny, der mit dem österreichischen Umweltminister Martin Bartenstein beschloss, dass Österreich eine lokale Vertretung des „World Business Councils“ braucht. Seit der Gründung des Vereins bin ich Vizepräsident und damit schon ein gewisses Fossil, wobei wir nicht auf fossile Treibstoffe setzen. (lacht)
Inzwischen sind mehr als 370 Unternehmen Mitglieder, von Großindustrie bis Ein-Personen-Unternehmen. Sagen wir, ein Betrieb will Mitglied werden. Was geschieht dann, was macht respACT?
Als wir 1997 den Verein „Austrian Business Council for Sustainable Development“ gegründet haben, hatten wir gewisse Vorerfahrung in der Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeitsberichterstattung, 2008 entstand durch die Zusammenführung mit CSR Austria die gemeinsame Plattform respACT. Dadurch, dass wir äußerst diverse Mitglieder haben, sind die Abläufe differenziert. Der Beitrag für große Unternehmen ist, dass wir in Österreich exklusive Netzwerkpartner sind, von der UNO-Organisation „Global Compact“, von CSR Europe, einem Organ der EU in Brüssel, und vor allem des „World Business Councils“. Diese Vernetzung ermöglicht uns, global Informationen zu sammeln, die selektiv oder im Gespräch mit einem neuen Mitglied oder bestehenden genutzt werden, um dort einen Mehrwert einzubringen.
respACT gibt an, in den fünf Bereichen Reporting, Green Recovery, Kreislaufwirtschaft, Klima und Energie beratend tätig zu sein. Nehmen wir das Beispiel des voestalpine-Konzerns, der Mitglied im Verein ist. Was wurde hier erarbeitet?
Die Rahmenbedingungen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung sind sehr dynamisch, sie verändern sich permanent. Hier konnten wir mit den Experten der Voest und unter Einbezug der Experten des „World Business Council“ erarbeiten, in welche Richtung man sich vorbereiten muss, bevor die entsprechenden Regularien der EU kommen. Diese Vorbereitung und Informationen sind für ein professionelles Team wie bei der Voest sehr wichtig.
Sie sagten in einer Podiumsdiskussion bei der Energiefachtagung „Impact Lech“, Sie hätten sich dazu entschieden, in Wasserstoff zu investieren. Welches Potenzial räumen Sie ihm ein?
Als privater Aktienkäufer werde ich investieren, weil Wasserstoff für bestimmte Segmente eine Technologie sein wird oder schon ist, die über das Versuchsstadium hinausgeht. Man kann mit grünen Energien Wasserstoff gewinnen und ihn als Speichermedium oder als Energieform verwenden. In der Metallverarbeitung wird das eine große Rolle spielen, weil man mit Wasserstoff hohe Temperaturen erreichen kann, man muss jetzt nur auch die Möglichkeit einer ökonomisch rentablen Nutzung schaffen. Vor allem sollte man die Energieform Gas nicht in der unsinnigsten Form verwenden, indem man sie bei 2.000 Grad verbrennt, um Raumwärme von 20 Grad zu erzeugen. Dafür wird aber ein erheblicher Teil des Gasverbrauchs in Österreich aufgewendet. Wir haben laut Schätzungen zwischen 900.000 und 1.100.000 Gasheizungen und wir haben es geschafft, im Jahr 2021 noch 47.000 neue zu installieren. Etwa 20 Prozent dieser Gasheizungen wird man aus verschiedenen Gründen nie ersetzen können, aber was man jetzt machen kann, ist den Einbau von Gasheizungen in Neubauten zu untersagen. Und da ist die Politik dringendst gefordert.
Das könnten die Bundesländer sofort umsetzen. Warum geschieht nichts, ist hier der Föderalismus eine Bremse?
Ja, nachdem das Teil der Bauverordnung ist, könnten das die Länder jederzeit machen. Wir müssen hier aber sehr deutlich unterscheiden. Der österreichische Föderalismus führt zum Beispiel zu neun verschiedenen Bauordnungen, was in jedem Fall kein Vorteil ist. Er führt aber auch dazu, dass in einzelnen Bundesländern eine Strategie entwickelt wurde, wie erneuerbare Energien in bestimmten Formen forciert werden, die in anderen Bundesländern nicht eingesetzt werden. Aber für die Ziele Österreichs müssen die Bundesländer alle verfügbaren Möglichkeiten, erneuerbare Energie zu produzieren, nutzen und sie müssen unter Umständen auch bestimmte Regeln, die in dem Bundesland gelten, verändern. Ich bin beispielsweise ein absoluter Anhänger der Idee, dass die Bundesländer verfügen, alle Parkplätze in ihre Gewerbezentren mit Photovoltaikanlagen überdachen zu lassen.
Sie haben das bei einem Firmengebäude der EFH Beteiligung GmbH gemacht, die Sie und Ihre Frau besitzen. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Die besten! Ich hatte jetzt neun Jahre lang eine 100 Kilowatt-Peak-Anlage auf einem Hallendach in Betrieb, die im September auf 350 Kilowatt-Peak vergrößert wurde. Das bringt etwa 370.000 Kilowattstunden Energie pro Jahr, das entspricht dem durchschnittlichen Jahresverbrauch von knapp hundert Haushalten. Wir versorgen allerdings keine Privathaushalte damit, sondern ein Unternehmen. Die Wertschöpfung einer Photovoltaikanlage ist mittlerweile bis zu 50 Prozent österreichisch, die Wertschöpfung, die wir früher aus China importierten, zu einem erheblichen Teil europäisch. Ein Riesenproblem gesamtökonomisch betrachtet ist ja, dass wir mehr von Offshoring zu Onshoring kommen müssen, also dass wir mehr regional produzieren. Nirgendwo wird das deutlicher, als im Energiebereich, denn welche Wertschöpfung hat Österreich, wenn es einen Kubikmeter Gas importiert? Nahezu Null. Manche Unternehmer sagen, sie verstehen zu wenig von der Technologie. Ich antworte dann, holt euch das Wissen, legt konkret Planer und Umsetzer fest. Aber das ganze Thema Nachhaltigkeit und Energie ist Chefsache. Was ich auch höre von anderen, ist, dass die Einspeisung der Energie ins Stromnetz problematisch ist.
Inwiefern?
Die Einspeisemöglichkeit ist ein formaler Akt, man braucht einen Zählpunkt. Es heißt dann oft von Netzwerkbetreibern, die Netze seien überlastet, man müsse an einem bestimmten Tag zu bestimmten Zeiten Energiequellen wegschalten, was ein Mehraufwand sei. In meinen Augen ist das eine Verzögerungstaktik. Die Argumentation würde einerseits eigentlich zu dem Rückschluss führen, dass man die Anlagen nur für den Eigenverbrauch auslegt. Das zweite wäre sozusagen im „Worst Case“ Quellen ab einer gewissen Produktion tatsächlich abzuschalten. Aber dieses Problem wäre auf jeden Fall lösbar.
Zum Thema Onshoring: Würden Sie sagen, in der Industrie lässt sich dieser Trend beobachten, findet ein Schwenk zu regionaler Wertschöpfung, sozusagen eine Deglobalisierung statt?
Ja, das ist durchaus ein Trend, der beobachtbar ist. Das eine sind die geopolitischen Probleme, die jetzt mit der Gasversorgung mehr als offenkundig geworden sind. Geopolitische Überlegungen haben Europa hier bisher nicht viel gekümmert, wo das Gas billig war, wurde gekauft. Das andere ist, dass mit der Globalisierung nicht nur eine Abhängigkeit Europas im fossilen Energiebereich entstanden ist, sondern auf in der Lieferkette. Wenn die EU jetzt überlegt, beispielsweise Computerchips selbst zu fertigen, die Produktion in Europa anzusiedeln: Das ist sicherlich sehr löblich, wird aber nicht von heute auf morgen funktionieren. Dass Importe und Lieferungen hier ausblieben, bewirkte zum Beispiel, dass tausende Automobilarbeiter in Deutschland nicht arbeiten konnten. Solche Abhängigkeiten zu reduzieren, muss ein Ziel sein. Und Europa wäre auch groß genug dafür und hat die nötigen Kompetenzen.
Heinz Felsner wurde 1941 in Wien geboren und studierte Maschinenbau und Wirtschaftswissenschaften an der TU Wien. In den 1980er Jahren wurde er Vorstandsmitglied der Bull AG Austria, später Vorstandsvorsitzender. Seit 1999 war er neben seiner Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender von Landis & Gyr Österreich der Vizepräsident der Handelskammer Schweiz-Österreich-Liechtenstein, von 2011 bis 2021 hatte er die Funktion des Präsidenten inne. Die EFH Beteiligung GmbH, mit der Felsner gemeinsam mit seiner Frau Eva Felsner-Hahmann bis heute unternehmerisch tätig ist, investiert in den Bereichen Immobilien und Errichtung und Betrieb von PV-Anlagen. Heinz Felsner lebt heute in der Schweiz und in Österreich.