Nichts berührt uns wie das Unberührte

Neusiedler See-Seewinkel. Foto Stefan Leitner
Nationalparks Austria koordiniert als Dachverband den Austausch und die Zusammenarbeit der sechs österreichischen Nationalparks sowie die Umsetzung gemeinsamer Projekte.
Ein wichtiger Aufgabenbereich neben Forschung und Bildung ist die gemeinsame Kommunikation. Im Mittelpunkt steht dabei die Sensibilisierung für die Bedeutung der Schutzgebiete und ihrer Besonderheiten als ökologisch wertvollste Naturräume unseres Landes. Naturschutz und Arterhalt genießen hier oberste Priorität und sorgen für eine weitgehend ungestörte Entfaltung der charakteristischen Tier- und Pflanzenwelt. Indem all das auch für Besucher:innen erfahrbar gemacht wird, leben die Nationalparks ihre Botschaft: „Nichts berührt uns wie das Unberührte“.
Die kürzlich gestartete Imagekampagne von Nationalparks Austria soll das Bewusstsein für die österreichischen Nationalparks und ihre Arbeit stärken. Die Hauptrolle darin spielen die Natur und ihre wilden Bewohner. Ohne Worte sprechen sie für unser Naturerbe und machen den kostbaren Schatz sichtbar, der in den sechs österreichischen Nationalparks bewahrt wird: seltene Tier- und Pflanzenarten, wertvolle Naturräume. Indem die scheuen Bewohner der Nationalparks als „Darsteller“ sichtbar werden, erlaubt die Kampagne dem Publikum ganz besondere Einblicke. Denn bei einem Besuch der Nationalparks ─ oft die letzten Rückzugsgebiete seltener Arten ─ sollen diese nicht gestört werden und bleiben zumeist im Verborgenen. Umso mehr berühren die Bilder und wecken Neugierde und Interesse. Und das, ohne Rotwild, Murmeltier, Alpensalamander und Wildkatze aufzuschrecken oder die sensiblen Flusslandschaften von Enns und Donau zu beeinträchtigen, deren Auen und Schotterbänke einer Vielzahl von Pflanzen und Tieren als Lebensraum und Brutgebiet dienen.
Nationalpark Hohe Tauern
Von den Tallagen bis zu den Gipfelregionen der mächtigen Dreitausender wahrt das älteste und größte Schutzgebiet Österreichs Lebensräume von enormer Artenvielfalt. Mit 342 Gletschern, dem international anerkannten Wildnisgebiet Sulzbachtäler und traditionsreichen Kulturlandschaften ist der Hochgebirgs-Nationalpark ein Natur-, Forschungs- und Erlebnisraum der besonderen Art.
Die höchsten und bekanntesten Gipfel Österreichs und die größten Gletscherflächen der Ostalpen prägen das Gesicht des Naturraums ebenso wie Wasserfälle, stille Bergseen und tosende Gletscherbäche.

Mit ihren vier Höhenstufen, die von den Tälern auf 600 bis 700 Metern Seehöhe bis ins oberste Stockwerk jenseits der Dreitausender-Marke reichen, bildet die Hochgebirgslandschaft gleichsam ein Mosaik vielfältiger Lebens- und Klimaräume. Sie zu durchqueren, entspricht einer 4.000 km langen Reise von Mitteleuropa in die Arktis.
Mit 15.000 Tierarten beheimatet das Schutzgebiet rund ein Drittel der in Österreich nachgewiesenen Fauna. und eine faszinierende Welt der Superlative. Neben imposanten Greifvögeln und Großsäugern beheimatet das Schutzgebiet auch winzige Tiere wie den kleinsten heimischen Singvogel (Wintergoldhähnchen) und echte Überlebenskünstler wie das Alpenschneehuhn. Murmeltiere kann man in den Hohen Tauern sehr häufig beobachten. Die Tiere leben in größeren Familienverbänden in unterirdischen Bauten, die sich auf alpinen Rasen, Blockfeldern und Almflächen von 1.400 m bis 2.700 m Höhe befinden. Mit Pfiffen warnen sich die Murmeltiere gegenseitig bei Gefahr. Eine Pfeifserie kündigt Gefahren am Boden an. Ein einzelner Pfiff bedeutet Gefahr aus der Luft, meist durch einen Adler. Murmeltiere nützen die kurzen Sommer, um sich genug Reserven für den Winter anzufressen, den sie in ihren gut gepolsterten Bauen schlafend verbringen.

Um 1800 kam es in den Hohen Tauern zur Ausrottung der Murmeltiere. Dies lag vor allem am „Mankei-Schmalz“, dem Fett des Murmeltieres, das nach wie vor als universelles Heilmittel geschätzt wird. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts kamen die Murmeltiere in das Gebiet der Hohen Tauern zurück. Heute gehört es zu den wild lebenden Säugetieren, die in den Hohen Tauern am häufigsten beobachtet werden können.
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Nationalpark Kalkalpen
Im stark verkarsteten Sengsen- und zerklüfteten Reichraminger Hintergebirge schützt der Nationalpark Kalkalpen Österreichs größte Waldwildnis. Die Wälder verfügen über eine herausragend hohe Naturnähe. So finden sich im Nationalpark einige der wenigen Urwaldreste Österreichs, welche seit der letzten Eiszeit vom Menschen unberührt geblieben sind. Die alten Rotbuchenwälder sind 2017 zum UNESCO Weltnaturerbe erklärt worden.

Mächtige alte, knorrige Bäume sind selten geworden in den Wäldern Österreichs. In einem natürlichen Wald gibt es Pflanzen aller Altersstufen und einen natürlichen Totholzanteil. Im Nationalpark erleben die Wälder auch die zweite Lebenshälfte. Bäume wachsen, werden alt und mächtig, so wie der Lauf der Natur es vorsieht. Alte, abgestorbene Bäume sind ein wichtiger Lebensraum für viele Tiere wie zum Beispiel Käfer und Spechte. Während auf vermodernden Stämmen die nächste Baumgeneration heranwächst, zersetzen Insekten und Mikroorganismen die Reste des Totholzes zu fruchtbarem Humus. 200-jährige Tannen beherbergen über 250 verschiedene Tierarten mit über 2000 Individuen. Von den rund 13.000 im Wald lebenden Pflanzen-, Pilz- und Tierarten sind 4.500 im Laufe ihrer Entwicklung auf alte und tote Baumstämme angewiesen.
Durch die hohe Naturnähe der Nationalpark Wälder, bieten sie seltenen Urwaldrelikt-Arten einen sicheren Lebensraum. Dazu gehören Urwaldvogelarten wie der Weißrückenspecht, der Raufußkauz und der Zwergschnäpper. Sie sind im Nationalpark in besonders hoher Dichte nachgewiesen.
Alpenbockkäfer, Drachenkäfer, Scharlach Plattkäfer und verschiedene Hirschkäferarten wie der Kopfhornschröter oder der Rindenschröter – sie alle brauchen Urwälder. Durch die rückkehrende Waldwildnis vergrößert sich ihr Lebensraum ständig und sie konnten sich bereits gewaltig vermehren.
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Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel
Gemeinsam mit dem bereits 1991 gegründeten Fertö-Hanság Nemzeti Park auf ungarischer Seite umfasst der erste grenzüberschreitende Nationalpark Österreichs insgesamt rund 300 km² Schutzgebiet. Am Ostrand der Alpen und Westrand der Pannonischen Tiefebene gelegen, schützt der Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel einen Grenzraum enormer Artenvielfalt. Die unterschiedlichen klimatischen Einflüsse schaffen ein Mosaik an vielfältigen und seltenen Landschaftstypen: großflächige Feuchtgebiete grenzen an Weideflächen, Wiesengebiete, Trockenrasen, Sandsteppen und Salzstandorte.

Fast ein Drittel der Nationalpark Fläche besteht aus Wasser – Österreichs größter See und die periodisch austrocknenden Lacken des Seewinkels. Darunter zahlreiche Sodalacken – diese extremen Lebensräume sind im europäischen Binnenland einzigartig. Fauna und Flora haben faszinierenden Anpassungen entwickelt, um mit den teilweise unwirtlichen Bedingungen zurechtzukommen. Mit dem markanten Schilfgürtel des Neusiedler Sees verfügt das Schutzgebiet außerdem über den zweitgrößten zusammenhängenden Schilfbestand Europas
Auch die durch jahrhundertelange Nutzung des Menschen entstandene Kulturlandschaft beherbergt eine vielfältige Pflanzen- und Tierwelt. Dank dem Flächenmanagement sind in der Bewahrungszone auch Begegnungen mit alten Haustierrassen (wie Ungarischen Graurindern, Weißen Eseln und Wasserbüffeln) möglich. Damit schützt der Nationalpark Natur- und Kulturerbe in einem.
Für abertausende Vögel ist der einzige Steppen-Nationalpark Österreichs wertvolles Brutgebiet oder unverzichtbarer Rastplatz: Reiher, Löffler, Großtrappen, Kiebitze, Seeadler, Grau- und Blässgänse sowie Bienenfresser sind nur einige der 350 nachgewiesenen Arten. Auch der Seeregenpfeifer, eigentlich an Meeresküsten-Lebensräume gebunden, hat hier durch die Salzlacken sein einziges Brutgebiet in Österreich. Weniger augenscheinlich, aber ebenso bemerkenswert ist auch die Vielfalt der übrigen Tier- und Pflanzenwelt. Wärmeliebende Insekten, wie die Gottesanbeterin, extrem selten gewordene Säugetierarten wie das Ziesel, und mikroskopisch kleine Krebsarten zählen zu den Besonderheiten rund um den Neusiedler See.
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Nationalpark Donau-Auen
Die Donau ist dominierendes Gestaltungselement und Lebensader des Schutzgebietes. Auf der gesamten Fließstrecke des Nationalparks darf sie frei und ungestaut fließen. Bei Hochwasser durchströmt sie den Auwald, schafft neue Schotterbänke und bringt Nährstoffe ein. Sie darf Inseln bilden und Altarme verlanden lassen und so dynamisch eine Vielzahl an Lebensräumen erschaffen und zerstören. Das Steigen und Fallen des Wasserspiegels bestimmen den Lebensrhythmus von Flora und Fauna – sie sind an die wechselnden Wasserstände angepasst und brauchen die extremen Au-Bedingungen zum Überleben.

Die Artenvielfalt ist charakteristisch für flussbegleitende Aulandschaften. 800 höhere Pflanzenarten finden sich hier, darunter die Schwarzpappel, welche ein Alter von 300 Jahren erreichen kann und Brutstätte ist, für große Horstbauer wie Schwarzstorch und Seeadler. Sie sind nur zwei der etwa 100 Brutvogelarten des Nationalparks. Die vielfältigen Seitenarm- und Altgewässertypen sind Heimat für fast alle österreichischen aquatischen Wirbeltiere; 74 % aller in Österreich vorkommenden Fischarten und 67 % der Amphibienarten finden sich hier. Dazu über 30 Säugetier-, 13 Reptilien- und tausende Insektenarten. Eisvogel, Biber und Europäische Sumpfschildkröte zählen zu den geschützten Tieren des Nationalparks.
Ein Schwerpunkt im Naturschutz-Management des Nationalparks liegt in Gewässervernetzungs- und Uferrückbau-Maßnahmen, um harten Eingriffen in der Vergangenheit gegenzusteuern. Mit seiner Position am Donaukorridor leistet das Schutzgebiet außerdem einen besonderen Beitrag zu Biodiversität und Arterhalt im gesamteuropäischen Kontext.
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Nationalpark Gesäuse
Fels, Alm, Wald und Wasser – Der Naturraum von Österreichs jüngstem Nationalpark ist facettenreich und von Extremen geprägt: von den Auwäldern an der Enns bis zum höchsten Kalkgipfel des Hochtors findet sich auf nur wenigen Metern horizontaler Distanz ein Höhenunterschied von 1.800 Metern. Entsprechend groß ist die Vielfalt an Vegetations- und Landschaftsformen: Sie reicht von Felsspaltenvegetationen, Schuttfluren, Zwergstrauchgesellschaften und Latschenfeldern bis zu bunten Almwiesen, großflächigen, fichtendominierten Wäldern und Wildflüssen.

Die Enns prägt das Gesicht des Schutzgebietes dabei ganz besonders. Laut tosend durchbricht sie die Schluchtstrecke des Naturdenkmals am Gesäuseeingang und bahnt sich weiter ihren Weg an den steilen Felswänden zwischen Buchstein und Hochtorgruppe vorbei. Auf ihrer letzten freien Fließstrecke formt sie Lebensräume für viele seltene Tier- und Pflanzenarten. Ihr lautes Sausen und Rauschen führte zum Namen „Gesäuse“.

Nirgendwo in Österreich gibt es mehr Endemiten als im Gesäuse, also Arten, die geographisch auf einer sehr begrenzten Fläche vorkommen. In Flora und Fauna sind es 200 Arten, darunter die Zierliche Federnelke, der Nordöstliche Alpenmohn oder der steirische Höhlenlaufkäfer.
Daneben finden auch typische Gebirgsbewohner wie Gams, Auerhahn oder Steinadler im Nationalpark ein gesichertes Auskommen und der Flussuferläufer hat hier sein größtes Brutvorkommen. Diese besonders rare Watvogelart legt ihre Eier gut getarnt zwischen den Steinen am Ufer der Enns ab und zieht auch ihre Jungen dort auf. Daher ist das Betreten der Schotterbänke abseits gekennzeichneter Aus- und Einstiegsstellen strikt verboten.
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Nationalpark Thayatal
Natur kennt keine Grenzen – Zusammen mit seinem tschechischen Nachbarn, dem Národní Park Podyjí schützt der Nationalpark Thayatal eine der schönsten und artenreichsten Tallandschaften Europas. Der ‚Todesstreifen‘ des ehemaligen Eisernen Vorhangs ist heute ein Aushängeschild der Artenvielfalt und der Biodiversität; 40% der heimischen Flora finden sich hier auf nur 0,016% der Landesfläche.

Neben den dichten Wäldern, die rund 90% der Nationalparkflächen bedecken, prägen die langgezogenen Schlingen der Thaya das Gesicht des Schutzgebiets besonders: Dass sich die Thaya über Millionen von Jahren tief ins harte kristalline Gestein der Böhmischen Masse grub, sorgte für die Entstehung vielfältiger Hanglagen und Biotope, die ihren Status als Lebensader des Durchbruchstals bekräftigen. Der ‚Green Canyon‘ Österreichs ist ein einzigartiger Naturschatz.
Im grenzüberschreitenden Schutzgebiet kommt knapp die Hälfte aller heimischen Pflanzenarten vor. Die Bandbreite reicht dabei von so prächtigen Vertretern wie den Türkenbundlilien, die im kühlen Halbschatten des Waldes unter nährstoffreichen Bedingungen gedeihen bis hin zu genügsamen Wegerich-Grasnelken, die zu den fragil-schönen Spezialisten der Trockenwiesen zählen.
Dass 2007 erstmals die Präsenz von Wildkatzen im Nationalpark nachgewiesen werden konnte, gilt als kleine Sensation, denn viele Jahrzehnte galten die extrem scheuen Waldbewohner als aus Österreich verschwunden. Obwohl sich die Tiere in freier Wildbahn kaum zeigen, bietet ein Nationalparkbesuch Gelegenheit, den Samtpfoten zu begegnen: Im Gehege des Nationalparkhauses sind mit Carlo und Frieda gleich zwei Vertreter dieser seltenen Art zu beobachten.
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