Offene Türen in die Pflegeausbildung

Tabea Berkmann. Foto Angela Lamprecht.

„Musik ist wie Medizin“, sagt Tabea Berkmann, eine junge angehende Fach-Sozialbetreuerin für Altenarbeit, die mit Unterstützung der „connexia“ Implacementstiftung ihre Ausbildung an der Schule für Sozialbetreuungsberufe Bregenz (SOB) absolviert. Das „Welcome Center Pflege & Soziales“ berät und begleitet Menschen in jedem Lebensalter bei der Berufswahl in diesem Bereich und bietet mit der „connexia“ Implacementstiftung finanzielle Unterstützung an.

Von Daniela Egger

Die 21-jährige Bregenzerwälderin begann zunächst Lehramt in Wien zu studieren, merkte aber sehr bald, dass ihr der Kontakt zu älteren Menschen mehr liegt. Nach einem geplanten Auslandsjahr in Spanien, das durch die Pandemie nur drei Monate währte, arbeitete Tabea Berkmann zur Überbrückung in einem Pflegeheim in Schwarzenberg – ein kleines Heim mit nur 14 Bewohnerinnen und Bewohnern im Bregenzerwald. „Das war ein Glücksfall – sonst hätte ich die Pflege vielleicht gar nicht kennengelernt“, sagt Berkmann. „Damals stellte ich zwar schon fest, dass die Betreuung von alten Menschen eine schöne Aufgabe ist, meinte aber, dass ich lieber mit Kindern arbeiten würde. Das war ein Irrtum, wie sich während des Studiums herausstellte.“

So hat sie im September 2023 mit der Ausbildung zur Altenarbeit in der SOB Bregenz
angefangen. Nach zwei Jahren wird sie die Schule als Pflegeassistentin und Fach-
Sozialbetreuerin für Altenarbeit abschließen. „Dann könnte ich noch das Diplom machen und wäre diplomierte Fach-Sozialbetreuerin. Das dauert ein weiteres Jahr“, sagt sie. Die Unterstützung durch die Implacementstiftung der „connexia“ ist zwar vor allem für Menschen gedacht, die sich neu orientieren und sich die zusätzliche Ausbildung sonst nicht leisten könnten – für Tabea Berkmann ist diese aber ebenso wichtig. Sie wohnt noch zu Hause und hat keine Mietkosten zu bezahlen, weshalb sie schon jetzt etwas für eine spätere Weiterbildung ansparen kann. Ihre zweite Leidenschaft ist Musik, und eigentlich wäre sie auch gerne als Musiktherapeutin tätig, denn damit macht sie im Pflegealltag die schönsten Erfahrungen. Schon ihre Vorwissenschaftliche Arbeit hat sie zum Thema Musik und Demenz geschrieben, weil sie damals ihre demenzkranke Großmutter mit Musik begleitet hat. Ihre Forschungsergebnisse bestätigten alles, was sie selbst beim Singen und Musizieren mit Menschen mit Demenz beobachtet. Die Musik wird in einem Teil des Gehirns gespeichert, der erst ganz am Ende von Demenz betroffen ist, deshalb bleibt die Erinnerung an Liedtexte und Melodien, wie auch an damit verknüpfte Emotionen, sehr lange erhalten. „Ich konnte mit meiner Großmutter über die Musik kommunizieren – auch als sie schon sehr weit abgetaucht war. Ich habe mit ihr Wälderlieder gesungen, unsere Heimat ist der Bregenzerwald, und die alten Lieder haben sie immer abgeholt. Das waren immer die Momente, in denen sie ganz klar anwesend war. Das ist mein Herzensthema, ich bin sicher, dass es auf diesem Weg noch viele Möglichkeiten gibt, die wir erst noch erforschen müssen.“

Die Begeisterung, mit der Tabea Berkmann von ihrem Berufsalltag erzählt, ist ansteckend – und man würde sich wünschen, dass es viel mehr junge Frauen und Männer wie sie in diesen Beruf zieht. Auch für sie war der körperliche Aspekt im Pflegealltag zuvor nur schwer vorstellbar, sie dachte, dass es ihr schwerfallen würde, bei der Körperpflege zu helfen. Aber da mit der täglichen Begleitung der Menschen schöne vertraute Momente entstehen und langfristige Beziehungen, fällt dieser Teil der täglichen Pflege nicht mehr ins Gewicht, berichtet sie. „Daran habe ich mich so schnell gewöhnt, dass es mich selbst erstaunt. Was diesen Beruf für mich so einzigartig macht, ist die Begleitung eines Menschen bis zum Ende eines Lebens.“

Darin unterscheidet sich der Pflegealltag im Altenwohnheim zu dem im Spital, wo die Menschen in der Regel nur einen kurzen Aufenthalt haben und dann wieder gehen. Berkmann schätzt die Zeit und die Ruhe, das langsame Abschiednehmen vom Leben, sogar das Sterben. „Für mich ist es einfach bereichernd, einen Menschen in seinen letzten Stunden zu begleiten und ihm diese so schön wie möglich zu machen“, sagt sie. „Auch das Sterben ist etwas ganz Besonderes, das Abschied nehmen, das Loslassen – auch da hatten wir schon sehr berührende Erlebnisse mit der Musik. Bei einem sterbenden Mann bin ich beispielsweise lange gesessen und als ich spürte, dass er geht, habe ich ihm eines der Lieder vorgesungen, das er so gern mochte. Er ist noch einmal kurz aufgetaucht und hat Danke gesagt. Ich weiß, dass man schon dafür gemacht sein muss, das kann man nicht in der Schule lernen – das ist man oder eben nicht. Solche Momente machen für mich das Leben sinnvoll.“
Es gibt viele Menschen, vor allem Frauen, die darüber nachdenken, etwa nach der Kinderzeit in ein neues Berufsfeld einzusteigen. Sie brauchen eine Anlaufstelle in der Orientierungsphase. Durch die finanzielle Unterstützung bietet die Stiftung mehr als das – sie ermöglicht wirklich offene Türen, damit Interessierte unkompliziert in das Berufsfeld der Pflege finden. So können auch alleinerziehende Frauen die Ausbildung finanziell schaffen – das ist ein wesentlicher Beitrag zum Fachkräftemangel im Pflegebereich für Vorarlberg. Durch die umfassende Beratung im Vorfeld wird sichergestellt, dass die Fachrichtung sorgfältig gewählt wird und die Interessierten ein realistisches Bild ihrer zukünftigen Tätigkeit erhalten. Vielen ist gar nicht bewusst, wie viele Möglichkeiten dieses Berufsfeld bietet.

Pflegeberufe bedeuten vor allem, Beziehungen zu pflegen und sich Zeit zu nehmen. Fotos Angela Lamprecht


„Das Stiftungsmodell bietet viele Vorteile“, sagt Bernhard Bereuter, Landesgeschäftsführer Arbeitsmarktservice (AMS) Vorarlberg. „Neben der professionellen Beratung und Begleitung durch die Mitarbeiterinnen der „connexia“ wird die finanzielle Existenz abgesichert – so konnten wir im Jahr 2023 insgesamt 221 neue Auszubildende aufnehmen. 937 Interessierte haben sich beraten lassen – auch das ist ein wertvoller Beitrag für das zielgerichtete Maßnahmenpaket, das wir so dringend brauchen. 172 Personen haben im Jahr 2023 die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen und stehen uns jetzt als Fachkräfte zur Verfügung.“Pflegeberufe bedeuten vor allem, Beziehungen zu pflegen und sich Zeit zu nehmen.

Das Angebot ist eine Kooperation des Landes, des AMS, der „connexia“ und der Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen. Es ermöglicht jungen Leuten ebenso wie Wiedereinsteigerinnen und Umsteigenden, die passende Ausbildung zu finden – dabei werden sie auch bei der Suche nach Praktikumsplätzen unterstützt und bei Problemen und Fragen unkompliziert begleitet. Natürlich gibt es inzwischen auch noch andere Unterstützungsangebote, wie das Pflegestipendium oder eine monatliche Ausbildungsförderung – aber durch die Präsenz des „Welcome Centers“ mit der umfassenden Informationsarbeit erhält der Beruf allmählich wieder das positive Image, das er verdient.

Dieser Meinung ist auch Tabea Berkmann, wenn sie sagt: „Es ist schade, dass viele junge Leute gar nicht wissen, was der Pflegeberuf alles mit sich bringt, auch an Familienfreundlichkeit und in meinem Fall an anderen Interessen. Ich finde damit entgeht ihnen etwas ganz Wichtiges. Ich bin froh, dass ich ihn im Rahmen eines Ferialjobs kennengelernt habe, denn ich hätte mir das vorher auch nie vorstellen können. Ich gehe jeden Tag gerne zur Arbeit – aber wir haben auch wirklich ein sehr tolles Team und wir bewegen uns alle auf Augenhöhe. Wir sind ein kleines Haus, mir ist bewusst, dass das selten der Fall ist. Die jungen Männer machen durch den Zivildienst oft prägende Erfahrungen und ergreifen danach einen Beruf im Sozialbereich – für junge Frauen wäre das aus meiner Sicht auch ein wichtiges Erfahrungsfeld. Ein soziales Jahr könnte da viel bewirken, und es würde den Pflegeberuf auch wieder aufwerten, wenn junge Menschen zumindest für eine gewisse Zeit in der Pflege präsent sind.“

Reingard Feßler, Leiterin der zuständigen Abteilung bei „connexia“, betont auch die Wichtigkeit eines solch umfassenden Angebots: „Wir können im Rahmen des ,Welcome Centers Pflege & Soziales‘ und der „connexia“ Implacementstiftung Menschen wie Tabea von der ersten Idee, in den Pflegebereich einzusteigen, bis hin zum erfolgreichen Ausbildungsabschluss begleiten. Dieser Prozess basiert auf einer vertraulichen Beziehung und kann oft über mehrere Jahre gehen. Die positiven Rückmeldungen unserer Absolventinnen und Absolventen bestätigen die Bedeutung, die einer zentralen Anlaufstelle für alle Fragen zu den Ausbildungs-, Berufs- und Fördermöglichkeiten zukommt. Wenn wir die Pflegeberufe wieder attraktiv machen wollen, dann müssen wir neue Wege gehen und vor allem die Türen öffnen – deshalb finde ich Tabeas Idee von einem sozialen Jahr für junge Frauen wirklich überlegenswert!“
Landesrätin Katharina Wiesflecker sieht in dem Angebot einen wertvollen Weg zur Verbesserung des Fachkräftemangels: „Um die Herausforderungen der nächsten Jahre in der Pflege und Betreuung stemmen zu können haben wir zum Glück schon vor fast mehr als zehn Jahren mit dieser inzwischen bewährten Kooperation begonnen – seit der Gründung der „connexia“ Implacementstiftung im Jahr 2011 haben bereits 1.277 Personen die Ausbildung mit dieser Unterstützungsmaßnahme erfolgreich absolviert. Ein guter Teil dieser Menschen hätte vielleicht ohne die Stiftung nicht die Möglichkeit gehabt, diese Berufswahl zu verfolgen. Gut, dass sie jetzt bei uns in Vorarlberg als Fachkräfte zur Verfügung stehen.“


Weiterführende Informationen
Online-Informationsangebot jeden Montag um 16 Uhr unter vcare.at


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