ORIGINAL Kolumne
Krieg und Klima
Von Sarah Kleiner
Manchmal sehen wir den Wald vor lauter Bäumen nicht. Während global ein wirtschaftlicher und auch privater Schwenk hin zur Einsparung von CO2 stattfindet, Menschen über die Wahl ihres Verkehrsmittels und ihren Fleischkonsum streiten, ist eine der größten klimatischen Bedrohungen ein Gespenst, dessen Bekämpfung der Bürger ohne die Gunst der Politik nicht im Stande ist: der Krieg.
Für das Jahr 2021 registrierte die Arbeits-gemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) der Universität Hamburg 28 kriegerische Auseinandersetzungen weltweit. Kriege herrschten zum Beispiel in: Äthiopien, Kamerun, Kongo, Mali, Mosambik, Nigeria, Somalia, Zentralafrika, Afghanistan, Ägypten, Irak, Jemen, Syrien, Türkei, Indien, Myanmar, Pakistan, Philippinen, Kolumbien und in der Ukraine. Bewaffnete Konflikte wurden außerdem in Indonesien, Thailand, Chile und Südsudan registriert.
So primär es aufgrund der menschlichen Opfer und des enormen Leids, das Kriege verursachen, gilt, sie zu verhindern, so wichtig ist es auch, die Auswirkungen von Kriegen auf das globale Klima zu betrachten – weil das noch weitere Opfer nach sich zieht und eine Krise, bei deren Bekämpfung wir mit Panzern nicht weit kommen werden. Für uns mag es so aussehen, als würde der Mensch Krieg gegen den Menschen führen, doch die Bomben reißen Krater in die Erde. Der Mensch greift den Planeten genauso an, wie seinesgleichen.
Die „Scientists for Future“ beschäftigten sich in der Serie „Klima und Friedenspolitik“ mit den belegbaren Auswirkungen des Kriegs auf die Umwelt und bringen einige Beispiele. Während des zweiten Golfkriegs, im Jahr 1991, brannten in Kuwait Ölfelder. Etwa 4,6 Millionen Barrels verbrannten jeden Tag. Das verursachte CO2-Emissionen im Ausmaß von zwei Prozent des weltweiten Ausstoßes des gesamten Jahres. Der Ruß setzte sich sogar auf tibetischen Gletschern ab und beschleunigte so deren Schmelze, da die dunkle Oberfläche mehr Wärme aufnimmt.
Das während des Vietnamkriegs von den Amerikanern eingesetzte dioxinhaltige Entlaubungsmittel „Agent Orange“ verursachte den Verlust von 14 bis 44 Prozent der vietnamesischen Waldfläche, je nach Schätzung. 2021 stellte ein französisches Gericht erneut fest, dass Herstellerfirmen wie zum Beispiel Monsanto (Bayer) nicht für Schadenersatzansprüche aufgrund der gesundheitlichen Schäden haften müssen, weil sie im Auftrag der US-Regierung produziert hatten.
Der zweite Irak-Krieg verursachte laut der Studie „A Climate of War“ Emissionen im Ausmaß von 141 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent – so viel, wie ein Land wie Neuseeland oder Kuba in einem Jahr. Die Studienautoren errechneten auch, dass die Ausgaben der US-Regierung für den Krieg genügt hätten, um ein Viertel der Energieproduktion der USA durch Windkraft zu ersetzen. Das hätte die Emissionen des „Land of the Free“ um ein Sechstel gesenkt.
Zweifelsohne den größten Impact – und das weiß auch das österreichische Klimaministerium – hat aber immer noch die atomare Waffengewalt. Eine vom Klimaschutzministerium (BMK) beauftragte Literaturstudie von Professorin Sigrid Stagl aus dem Jahr 2020 setzte sich mit den möglichen Folgen und Risiken der Regelungen der Taxonomie-Verordnung auseinander. Sie erinnern sich, Kernenergie kann in er EU seit einiger Zeit als nachhaltiges Investment gelten.
Die Studie stellt fest, dass mit dem Ausbau der Atomkraft in einem Land auch die Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung von atomfähigen Waffen steigt. „Das größte Risiko der Kernkraft im Zusammenhang mit Energie- und Umweltsicherheit ist das Risiko der Waffenproliferation“, heißt es in dem Papier, und: „Die Zunahme der Kernkraftnutzung hat Staaten vermehrt in der (sic!) Lage versetzt, Plutonium zu gewinnen oder Uran zur Herstellung von Atomwaffen anzureichern. […] Die Kernkraft schafft eine Infrastruktur von Material und Fachwissen, das für die Waffenherstellung genutzt werden kann.“
Das abgereicherte Uran („depleted uranium“, kurz DU), ein Abfallprodukt aus Atomkraftwerken, wird von der Rüstungsindustrie zur Herstellung von Uranwaffen und -munition genutzt. Bestätigt ist zum Beispiel, dass Uranmunition von der NATO im Jugoslawienkrieg eingesetzt wurde. Die Folgen, die das Kriegsgerät für Mensch und Tierwelt hat, sind verheerend und können lange nachwirken. Umso wichtiger scheint es angesichts dieser Risiken, dass Ministerin Gewessler gegen die Taxonomie-Verordnung Klage ankündigte.
Auch auf die Gefahr hin, in einer zunehmend zynischen Welt pathetisch zu klingen, aber wir brauchen eine friedfertige Antwort auf die zahlreichen Kriege, die unsere Zukunft nachhaltig zerstören. Wir brauchen eine starke Friedensbewegung. Eine Politik, die sich nicht aktiv für Abrüstung, für Waffenstillstände, für Friedensverträge einsetzt, ist keine Politik, die behaupten kann, sich tatsächlich gegen den Klimakollaps einzusetzen. Selbst wenn alle Österreicherinnen und Österreicher saisonal und regional einkaufen, keine Lebensmittel mehr wegwerfen, kein Fleisch mehr essen, mit dem Radl nach Griechenland auf Urlaub fahren – selbst dann könnten die Kriege unsere Bemühungen zunichte machen. Anstatt eines „Global War on Terror“ brauchen wir eine Friedensbewegung, die nicht zu überhören und nicht zu übersehen ist. In dem Sinn: Peace!
Sarah Kleiner, geboren 1991 in Oberösterreich, arbeitet in Wien als freie Journalistin. Sie ist Chefin vom Dienst des ORIGINAL Magazins, engagiert sich ehrenamtlich bei der Redaktion „andererseits“, die sich für Inklusion im Journalismus einsetzt, und schreibt nebenher für Medien wie Der Standard oder das Wiener Monatsmagazin DATUM.