Pflanzenproduktion vor erheblichen Herausforderungen

David Schidmayr. Foto Cornelia Hefel

Er forscht zu Pflanzenanbau unter kontrollierten Bedingungen. In unserem Gespräch berichtet David Schmidmayr, CEO und Gründer von „Better Plants R&D“, wie sich daraus Marktlösungen entwickeln lassen, und spannt den thematischen Bogen von Arzneipflanzen über Naturkosmetik bis zu Ernährungssicherheit. Von Natalie Kreutzer

Was bedeutet es, Pflanzen unter kontrollierten Bedingungen anzubauen?
David Schmidmayr: Das kann unterschiedliche Komplexitätsgrade haben. Der einfachste ist wohl das Gewächshaus. Wenn man in die höchste Komplexitätsebene geht, dann hat man komplett geschlossene Räume, ohne Tageslicht. Sprich, die Sonne wird durch modernes LED-Licht ersetzt. Das Volumen kann beheizt oder gekühlt, die Luftfeuchtigkeit kontrolliert und die Pflanze entsprechend mit Wasser und Nährstoffen versorgt werden. Das kann so weit gehen, dass wirklich jeder Einflussparameter gesteuert und kontrolliert werden kann. Im Wesentlichen möchten wir die investierte Energie, sei das jetzt in Form von Licht, Wasser oder Nährstoffen, maximal in Biomasse umsetzen – also in das, was die Pflanze dann produziert. Im Falle von pharmazeutisch relevanten Pflanzen wäre das zum Beispiel viel Wirkstoff. Im kontrollierten Anbau (Controlled Environment Agriculture, CEA) schaffen wir optimale Wachstumsbedingungen, damit die Pflanze möglichst ressourcenschonend ihre volle Kraft entfalten kann – und dazu forschen wir.

Wozu ein kontrollierter Anbau?
Wir sind mit Herausforderungen konfrontiert wie der wachsenden Weltbevölkerung, dem Klimawandel, der Bodenversiegelung, Ressourcenknappheit oder Verwendung von Kunstdünger. Und da steuern wir auf einen Punkt hin, an dem wir frische Lebensmittel nicht mehr in der benötigten Menge und Qualität verfügbar haben werden. Wir blicken auf eine Zukunft, in der die traditionelle Landwirtschaft nur noch begrenzt Lebensmittel produzieren kann. Daher sind Alternativen gefragt, womit wir beispielsweise bei der Pflanzenproduktion unter kontrollierten Bedingungen sind. Wir bei „Better Plants R&D“ forschen seit 15 Jahren, wie das Klima auf Pflanzen wirkt. Es ist eine komplexe Thematik.

Stichwort „Vertical Farming“.
Ich sehe „Vertical Farming“, wenn man es richtig angeht, als großes Zukunftsthema. Als Ergänzung zur industriellen Landwirtschaft. Es gibt aktuell wenige Beispiele für vertikale Farmen, in denen Lebensmittel produziert werden, die sinnvoll und rentabel unterwegs sind. Tatsache ist, dass das Kunstlicht, die Kühlung und die Entfeuchtung die großen Ressourcenverbraucher bei der Produktion unter kontrollierten Bedingungen sind. Um hier in Richtung Energieeffizienz steuern zu können, brauche ich die Laboranalyse, wie sie Teil unserer Arbeit ist. Sie zeigt mir Grenzen bei der Pflanze auf, etwa wann eine Lichtsättigung erreicht ist oder ab welcher Temperatur sie ineffizienter wird. Pflanzen schwitzen auch stark. Bleibt diese Feuchtigkeit in der Luft, kann die Pflanze nicht mehr transpirieren und wächst in Folge auch nicht mehr.

Und bei diesen Fragestellungen setzt ihr gezielt an?
Genau, hier setzen wir an, in Zusammenarbeit mit dem „Vertical Farm Institute“ (vfi) in Wien. Wir erstellen aktuell ein Modell, mit dem wir die Kombinationen dieser technischen Komponenten im Detail betrachten – dabei ist der holistische Blick unheimlich wichtig – und grundlegende Forschungsarbeit betreiben, um belastbare Zahlen zu generieren. Erst wenn man belastbare Zahlen hat, kann man in eine praktische Umsetzung gehen. Machbarkeitsstudien gibt es schon.

Wie könnte der nächste Schritt in Richtung Praxis aussehen?
Konkret arbeiten wir – „Better Plants“ mit dem „vfi“ – an einer Software, die wir 2025 auf den Markt bringen möchten. Mittels dieser digitalen Anlaufstelle können alle, die sich dafür interessieren, zunächst mit wenigen Parametern evaluieren, ob eine Begrünung/vertikale Farm bei einem Bauvorhaben überhaupt Sinn macht. Wir möchten die Menschen motivieren, sich mit der Möglichkeit auseinanderzusetzen.

Wo fließt eure Forschungsarbeit noch ein?
Wir haben auch ein Netzwerk im wissenschaftlich-akademischen Bereich, mit dem wir aus der Pflanzenproduktion heraus in Richtung Medizin, Phytopharmaka gehen – mit der Pflanze sozusagen als künstlicher Fabrik für pharmazeutisch relevante Stoffe. Ein Beispiel: Gemeinsam mit dem „VIVIT“, dem molekularbiologischen Labor in Dornbirn, schauen wir uns im Kontext von Arzneipflanzen die Wirkung auf Humankrebszellen an.

Ist Genmanipulation bei euch ein Thema?
Ich verfolge das Thema, weil es Ansätze gibt, allen voran das Sicherstellen von Ernteerträgen, bei denen über Genmanipulation objektiv diskutiert werden sollte. Wir selbst arbeiten aber nicht damit. Für unsere Arbeit hingegen brauchen wir eine natürliche Konservierung des pflanzlichen Genmaterials, aus dem wir jederzeit wieder genetisch idente Pflanzen aufbauen können. Damit stellen wir sicher, dass unsere Forschungsergebnisse nicht verfälscht werden. Aber auch für unsere Kosmetikschiene – wir produzieren im Rahmen unserer Experimente sehr hochwertiges Pflanzenmaterial, das wir, im Sinne der Nachhaltigkeit und auch aus meinem Selbstverständnis heraus, weiterverarbeiten – oder den Bereich Phytopharmaka muss ich ein gewisses Qualitätskriterium beim pflanzlichen Rohstoff einhalten. Und dazu braucht man eine stabile Ausgangssituation.

Klimawandel: Was halten Pflanzen aus? Habt ihr dazu Erkenntnisse?
Wir gehen zum Beispiel davon aus, dass durch den Stress bei hohen Temperaturen die Fotosyntheserate sinkt, das heißt, es wird weniger CO2 gebunden und gleichzeitig weniger Biomasse generiert. Das bedeutet: Die Effizienz der Pflanzen im Kampf gegen den Klimawandel lässt nach. In diesem Kontext übrigens tragen wir Ende April zum „be a mindchanger festival“ hier bei uns in der Fabrik Klarenbrunn mit einem Live-Experiment bei, zu genau diesen Fragen: Wie reagieren Pflanzen auf Extremwetterbedingungen? Wo sind die Grenzen von Pflanzen? Mit diesem Format können wir die Komplexität der Thematik auf einfache Art kommunizieren und eine gewisse Öffentlichkeitsarbeit leisten.

Weitere Infos: better-plants.com


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