Reines Wasser

Weltweit sterben mehr als drei Millionen Menschen jährlich an den Folgen von verschmutztem Trinkwasser. Mithilfe der Sonne und einem Gerät der Firma HELIOZ kann man Wasser desinfizieren.
Von Sarah Kleiner

„Die haben dort nicht lange gefackelt. Das Militär hat die Region abgeriegelt und die Leute wurden sich selbst überlassen“, erinnert sich Martin Wesian an einen Aufenthalt in Venezuela, 1995. Die Cholera war damals ausgebrochen und die Chancen, das zu überleben, waren ungleich verteilt. „Die ärmeren unter meinen Freunden konnten sich kein sauberes Wasser leisten und sind dann krank geworden, ich genauso“, sagt er. „Aber zu mir ist eine Ärztin gekommen.“ Seine Freunde, die Einheimischen, erhielten keine Behandlung, weil der Arzt davon ausging, dass sie die Rechnung nicht bezahlen könnten. „Gerade das war das Schockierende“, sagt Martin Wesian heute.

Jährlich sterben Millionen Menschen an den Folgen von Darm- und Durchfallerkrankungen, weil sie verunreinigtes Wasser getrunken haben. Alleine in Indien verlieren pro Jahr 140.000 Kinder deswegen ihr Leben. Seine persönliche Begegnung mit der Cholera war für den Vorarlberger Martin Wesian Anlass, in dem Bereich aktiv zu werden. Das und eine Eigenschaft, die das Sonnenlicht besitzt.

Wesian verließ Südamerika 1997 und studierte Jahre später in Österreich Wirtschaftsingenieurwesen, unter anderem, um ein physikalisches Phänomen näher zu untersuchen. Die solare Wasserdesinfektion, kurz SODIS, ist eine Methode, bei der Keime im Wasser durch UV-Einstrahlung vernichtet werden. Das Wissen um diesen Effekt ist nicht neu, wissenschaftliche Belege, dass das funktioniert, stammen im europäischen Raum aus den 1980er Jahren und von der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich. In Kläranlagen wird UV-Licht zur Säuberung des Wassers bereits regulär eingesetzt. Das endgültige Ergebnis von Martin Wesians Masterarbeit war aber das „Wadi“.

Nimmt man eine PET- oder Glasflasche mit Wasser und legt sie gemeinsam mit dem kleinen solarbetriebenen Gerät in die Sonne, so misst das „Wadi“ die UV-Strahlung, die auf beide auftrifft. Alle 28 Sekunden errechnet es, wie viele Keime im Wasser damit schon abgetötet wurden und wie viele durch das natürliche Wachstum nachgekommen sind. Ist ein gewisser Wert erreicht, zeigt das „Wadi“ einen Smiley an und das Wasser ist trinkbar. Anwenden kann man es bei bakteriell verschmutztem Wasser, auch Viren und Protozoen werden vom UV-Licht vernichtet, Chemikalien nicht. Gestaltet ist es für den Einsatz da, wo es am dringendsten gebraucht wird: in Privathaushalten in Entwicklungsländern.

„Es war eine Grundidee des Wadi, die Menschen in die Unabhängigkeit zu entlassen“.

Martin Wesian

„Es war eine Grundidee des Wadi, die Menschen in die Unabhängigkeit zu entlassen“, sagt Martin Wesian. „Zum Abkochen brauche ich Holz, auch Chlortabletten muss man kaufen. Wasserfiltergeräte sind zwar gut, aber nach einer Art Nespresso-System gestaltet: die Maschine ist günstig, die Ersatzfilter kosten im Vergleich dazu viel.“ Dadurch müssten Menschen ohne Wasserversorgung allein dafür immer wieder Geld ausgeben. „Mit dem Wadi wollten wir sie aus dieser Abhängigkeit rausholen“, sagt Martin Wesian.

Heute sitzt er in Hemd und Sakko in den Räumlichkeiten der HELIOZ GmbH in Wien. Aus dem Start-up, das er zur Realisierung seiner Businesspläne gegründet hat, ist ein verzweigtes Unternehmen geworden mit Geschäftsstellen in Europa und Indien, Projekten in Uganda, Kenia, dem Sudan und anderen Ländern. Jahrelang bereiste Wesian sie selbst, studierte Kulturen, Kranken- und Sterbezahlen. Die HELIOZ GmbH vertreibt heute nicht nur das „Wadi“, es ist gekoppelt an Tätigkeiten im Rahmen der Entwicklungshilfe, an Workshops und Weiterbildungsprogramme, die für mehr Gesundheit, Bildung und Stabilität in den ärmeren Regionen sorgen sollen.

Um das alles zu finanzieren, gestaltet HELIOZ Corporate Social Responsibility Projekte und verkauft CO2-Zertifikate. Denn, nachdem die häufigste Methode, Wasser zu reinigen, noch immer das Abkochen ist, wird durch das „Wadi“ Brennholz und Kohlendioxid eingespart – 40.000 Tonnen pro Jahr, 120 Millionen Liter Wasser werden inzwischen jährlich mit „Wadis“ desinfiziert. Sowohl Darmerkrankungen als auch die Kindersterblichkeit gehen deutlich zurück, da, wo sich das „Wadi“ etabliert hat. Im Gespräch erklärt Martin Wesian das Geschäftsmodell, das hinter dem simplen Gerät steckt.


Teilen auf:
Facebook Twitter