Schätze der Karibik
Waschen, schneiden, trocknen, noch einmal waschen: Bananen im „Barber-Shop“
Bananen
In der Dominikanischen Republik boomt das Geschäft mit krummen Dingern. Der karibische Inselstaat hat sich am Weltmarkt zu einem der größten Exporteure für Bio-Bananen entwickelt. Wir haben eine kleine Plantage im Anbaugebiet Val Verde im Norden der Insel besucht und viel über die Banane gelernt. Und über Solidarität und Fairness. Text und Fotos von Jürgen Schmücking
Ramon Tranquilino Medrano geht voran. Er zeigt uns seine Bananenplantage. Ramon ist alt, sein Gesicht und seine Hände zeugen von den vielen Jahren, die er auf der Plantage gearbeitet hat. Aber er ist fit, flink und seinen wachen Augen entgeht nichts. Auch nicht, dass wir kaum mit ihm Schritt halten können. Hin und wieder dreht er sich zu uns um, wartet, bis wir ihn eingeholt haben, gönnt uns eine kleine Verschnaufpause. Es ist immerhin kurz nach Mittag und wir sind im Norden der Dominikanischen Republik, nahe der Grenze zu Haiti. Kurzum: es ist heiß. Irgendwann erbarmt sich Ramon. Er schlägt mit seiner Machete für jeden von uns eine Kokosnuss von einem Baum. Nach sechs oder sieben Hieben hat der Kern der Nuss eine kleine Öffnung. Gerade groß genug, um das kühle Kokoswasser zu trinken. Ein Elixier, wie Ramon meint, und er hat recht.
Erst da fällt uns auf, dass hier jede Menge Kokospalmen stehen. Viel mehr, als man auf einer Bananenplantage erwarten würde. Wir entdecken noch andere Bäume und Sträucher, hauptsächlich Mangobäume. Irgendwo im Inneren der Plantage haben wir sogar eine Papaya-Staude entdeckt. Ramon erklärt uns, wie wichtig ihm Biodiversität und Vielfalt sind. Bei den Bananen selbst konzentriert er sich auf die Sorte Cavendish. In der Dominikanischen Republik werden auch noch die Sorten Criollo, Johnson, Valery oder Great Ney angebaut, Cavendish ist allerdings die Sorte, die den Markt dominiert.
Die Biodiversität manifestiert sich für Ramon auch im Boden. Alle 50 Meter bleibt er stehen und lässt uns mit den Händen in der Erde wühlen und daran riechen. Die „Spatenprobe“ wird hier mit der Machete gemacht. An manchen Stellen ist die Erde massiv mit Mulch bedeckt, nicht ohne Grund. Ramon berücksichtigt die ökologischen Besonderheiten des Regenwalds. Hier kann der Boden kaum Nährstoffe speichern, abgestorbene Pflanzen liefern den lebenden die Nährstoffe. Dieser ständige Nährstoffkreislauf sorgt für die erforderliche Lebendigkeit des Bodens. Daher wird in der biologischen Landwirtschaft oft mit Mischkulturen gearbeitet. „Außerdem geben die Kokospalmen Schatten. Und dort drüben stehen ein paar Kakaopflanzen. Seht ihr sie?“, fragt Ramon.
Bio-Boom bei Bananen
Die Bananen in der Finca Ramoncito, so der Name von Ramons Plantage, werden grün geerntet und dann über ein ausgeklügeltes Schienensystem zur Weiterverarbeitung transportiert. Wobei die „Weiterverarbeitung“ recht einfach ist. Die Bananen werden gewaschen, in konsumtaugliche Portionsgrößen geschnitten, noch einmal gewaschen, etikettiert und in exporttauglichen Bananenkisten verpackt. Dann warten sie darauf, dass sie vom LKW abgeholt werden. Tage später liegen sie in den Regalen des europäischen Lebensmitteleinzelhandels.
Ramon Tranquilio Medrano ist bei seinen Bemühungen um biologischen Anbau kein Einzelkämpfer. Seine Finca gehört der Kooperative Banelino (Bananos Ecológicos de la Línea Noroeste) an. Hier kommt Gustavo Gandini ins Spiel. Gandini ist so etwas wie der Chefbauer der Kooperative. Als Dachorganisation unterhält Banelino die Beziehungen zu den Händlern und verhandelt im Namen der Mitglieder über Preise, Mengen, Vertragsbedingungen und Qualitätsanforderungen. Das Hauptziel der Organisation ist die Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Situation seiner Mitglieder. Dafür werden gemeinsam mit den Mitgliedern Lösungen für Probleme in der Produktion, Ernte, Verschiffung, Infrastruktur und Ausbildung gesucht. Banelino fördert die Solidarität und den Erfahrungsaustausch der Mitglieder untereinander, betreibt im Hauptquartier eine Krankenstation, übernimmt Kredithaftungen für kleinere Kredite ebenso, wie einen Teil der Sozialversicherungskosten. Außerdem, und das ist Gustavo Gandinis Job, bietet man Beratung in Sachen Anbau, um die hohen Qualitätsanforderungen erreichen und halten zu können. „Mit der ‚Banana School‘, einem 1,5-jährigen Ausbildungsprogramm für junge Arbeitskräfte, leisten wir zum einen Grundlagenarbeit in Sachen enkeltauglicher Landwirtschaft, zum anderen aber auch Präventivarbeit gegen Armut. Weil wir überzeugt sind, dass Bildung ein zentraler Hebel zur Armutsbekämpfung ist“, sagt Gandini und ist sichtlich stolz dabei.
Die Zentrale von Banelino liegt in Mao, im Anbaugebiet Val Verde, in dem sich auch die Finca Ramoncito befindet. Banelino ist Heimat und Dach für etwa 250 kleine Farmer wie Ramon Medrano. Die gesamte Fläche für bio-zertifizierten Bananenanbau beträgt ungefähr 1.000 Hektar. Auf dieser Fläche werden um die 25.000 Bananenkisten pro Woche hergestellt. Bio-Bananen in Deutschland oder Österreich kommen zum Großteil entweder aus der Dominikanischen Republik oder aus Ecuador. In Deutschland machte 2020 der Anteil der dominikanischen Bio-Bananen 55 Prozent aus, der Rest stammte aus Ecuador. Die Zahlen dürften für Österreich ähnlich sein.
Siamesische Zwillinge: Bio und Fairtrade
Biolandbau und Fairtrade sind nicht immer gleichzusetzen. In der Dominikanischen Republik und speziell in der Bananenproduktion sind sie allerdings nicht nur Brüder, sondern fast siamesische Zwillinge. 96 Prozent der Fairtrade-Produktion sind auch bio-zertifiziert, und es ist Kooperativen wie Banelino zu verdanken, dass das so ist. Der „Bananenboom“ der Dominikanischen Republik hat eine Wurzel, auf die es zu achten gilt: Die Verfügbarkeit von Arbeitskräften aus dem benachbarten Haiti, die bereit sind, für ein paar Euro am Tag zu arbeiten. Von den bedeutenden Anbaugebieten im Norden, Montecristi und Val Verde, ist Haiti nur einen Fußmarsch entfernt. Die Haitianer leisten einen großen Teil der Arbeit. Auf den großen Plantagen sowieso, aber auch auf den kleineren Anlagen. Im Schnitt verdienen sie 7.000 Pesos monatlich, das sind etwa 140 Euro. Viele leben in sogenannten „bateyes“, Barackensiedlungen aus der Zeit des Zuckerrohrbooms in den 1930er Jahren. Nach dem Zusammenbruch der Zuckerproduktion wechselten diese „bateyes“ ihre Untermieter. Hier wohnen nun Bananenarbeiter und -arbeiterinnen, die in genauso prekären Verhältnissen leben, erpressbar und austauschbar sind, wie die Zuckerrohrschneider fast ein Jahrhundert davor. Von den geschätzten 700.000 haitianischen Arbeitern in der Dominikanischen Republik haben 90 Prozent keinen legalen Status. Es gibt also noch genug zu tun für Initiativen wie Banelino.
Zurück zu Ramon und seinen Bananen. Auf anderen Plantagen, die wir auf dieser Tour besucht haben, mit Papayas, Ananas oder herrlichen Macadamianüssen, konnten wir alles probieren. Auf der Finca Ramoncita: Fehlanzeige. Ramon Medranos‘ Bananen sind hart, grellgrün, und sie riechen nach Gurken. „Alles, wie es sein soll“, sagt Ramon. Ihre gelbe Farbe und den reifen Geschmack bekommen sie erst auf der Überfahrt nach Europa, oder in einem der Reifelager im Zielland. Um das Terroir seines Bodens zu schmecken, schlägt Ramon uns deshalb noch eine Kokosnuss auf.