Schwarzes Gold

Bild: Der „Coffee Ring“ und der „Cappuccino Ring“

Man kann versuchen aus dem Kaffeesatz seine Zukunft zu lesen. Man kann damit aber auch etwas für die Zukunft aller tun: ihn etwa zu einzigartigen Schmuckstücken upcyceln.
Von Nina Kaltenbrunner

Kaffee ist das beliebteste Heißgetränk in Österreich: 162 Liter Kaffee, das entspricht 2,6 Tassen am Tag, werden im Jahresdurchschnitt getrunken. In der EU werden rund 253 Millionen Kilogramm Kaffee innerhalb eines Jahres konsumiert. Dabei entstehen, Schätzungen nach, rund eine Million Tonnen Kaffeesatz, der zumeist im Müll landet. Ihn stattdessen als Rohstoffquelle für neue biobasierte Materialien und Produkte zu nutzen, hat sich mittlerweile zu einem spannenden Forschungsfeld entwickelt. In chemischen Verfahren entstehen zunächst Zwischenprodukte wie Glycerin, Vielfachzucker, Aromastoffe und Antioxidantien. Das Öl im Kaffeesatz beinhaltet zweifach ungesättigte Fettsäuren, die auch in Speiseölen vorkommen. Chemisch aufbereitet bilden sich daraus Stoffe, die sich unter anderem für die Herstellung von Biokunststoffen eignen. Der entölte Kaffeesatz enthält Cellulose und lässt sich ebenfalls weiter nutzen. Die Ergebnisse sind bis dato bereits vielfältig und reichen von biologisch abbaubarem Verpackungsmaterial bis hin zu spannenden Designobjekten.

Kaffeering statt Kaffeefleck
Auch die koreanische Schmuckdesignerin Jihyo Kim hat sich in ihrer Abschlussarbeit am Central Saint Martins College in London gefragt, wie sie aus dem täglich anfallenden Kaffeesatz einen nachhaltigen Wert erschaffen kann. Auf der Basis von biologisch abbaubarem Kaffee-PLA* entstand so im Jahr 2023 ihre Schmuckkollektion „Nol-ee“. Unter dem Aspekt „Nachhaltigkeit beginnt im Kleinen“ will die Künstlerin damit Bewusstsein für Abfallvermeidung und Ressourcenverschwendung, besonders in Großstädten, schaffen.

Ein signifikantes Teil der Kollektion ist der „Coffee Ring“. Wird auf Deutsch als „Kaffeering“ jener Fleck bezeichnet, den die Kaffeetasse hinterlässt, handelt es sich in Jihyo Kims Kollektion um einen modischen Ring, der bereits viel mediale Beachtung erfuhr. Das Schmuckstück wird aus recyceltem Kaffeesatz mittels 3D-Drucktechnologie hergestellt. Inspiration für die verspielte Form war die traditionelle koreanische Süßigkeit „Yakgwa“ – das Lieblingsgebäck der Künstlerin. Verziert sind der kaffeefarbige „Coffee Ring“ und der cremefarbige „Cappuccino Ring“ mit kleinteiligen Perlmutt-Intarsien. Diese aufwendige Einlegearbeit ist ein altes koreanisches Handwerksverfahren, das bis in die Goryeo-Dynastie (918 n. Chr. bis 1392) zurückreicht und seine Blüte zur Zeit der Joseon-Dynastie (1392–1910) erfuhr. Das Perlmutt gewinnt Jihyo Kim aus weggeworfenen Schalen von Abalone-Muscheln. Sie veranschaulicht in ihrer Arbeit damit, wie man kulturelles Erbe, moderne Verfahren und Nachhaltigkeit in Einklang bringen kann.

Der „Mocha Ring“

„Ich erzeuge so einen wertvollen Gegenstand aus Rohstoffen, die in der Stadt weggeworfen wurden. Durch seine biologische Abbaubarkeit reduziere ich zudem schädliche Auswirkungen auf die Umwelt, am Ende seiner Lebensdauer.“
Denn Nachhaltigkeit bedeutet für Jihyo Kim nicht nur, mit recycelten Materialien zu arbeiten, sondern auch das Bewusstsein für die Bedeutsamkeit der Koexistenz von Menschen und Natur. Sie ist überzeugt, dass negative Auswirkungen auf die Natur auf die Gesellschaft zurückfallen. Ob Glücksbringer hier helfen können?

Jihyo Kim nimmt mit ihrer Arbeit eine Vorreiterrolle in Sachen Future Design und nachhaltige Juwelen ein und regt dazu an, über den Umgang mit im Alltag anfallenden „Abfällen“ kreativ nachzudenken.

Glücksbringer und Lieblingskekse
„Norigae“ sind ein weiterer Teil der „Nol-ee“-Kollektion: traditionelle koreanische Glücksbringer, die zugleich modische Accessoires sind. Der Taillenschmuck, der zumeist am Rock der Trägerin befestigt wird, ist mit traditionellen Knoten und Ornamenten kombiniert. Je nach Form sollen Norigae ewige Jugend, Reichtum oder viele Söhne bringen und werden in Korea seit jeher von einer Generation an die nachkommende weitergegeben. Auch hier ließ sich Jihyo Kim von den prallen Formen ihres Lieblingskekses inspirieren. Die mit Gold-Ornamenten und Perlmutt-Einlegearbeiten verzierten Amulette aus Kaffee-PLA* kommen aus dem 3D-Drucker, und die Knoten („Maedeup“) werden von einem koreanischen Knüpfer hergestellt, der seit über 30 Jahren in diesem Metier tätig ist. Bewegt sich die Trägerin, schwingt auch das Norigae mit und erinnert dabei an die Ästhetik althergebrachter koreanischer Tänze und Performances. Die Keksform wiederum verpasst den Schmuckstücken eine spielerisch-vergnügliche wie außergewöhnliche Anmutung.

„Norigae“ – Glücksbringer aus ihrer Kollektion „Nol-ee“

Gestern und heute für ein besseres Morgen
Die Kollektion hat es mit ihrem ansprechenden Mix aus Tradition und Innovation, der Verwendung von Biomaterialien und der Anwendung urbaner Kreislaufwirtschaft auf die Shortlist der „Green Trail Awards Maison/0 CSM LVMH 2023“ geschafft. Jihyo Kim nimmt mit ihrer Arbeit eine Vorreiterrolle in Sachen Future Design und nachhaltige Juwelen ein und regt dazu an, über den Umgang mit im Alltag anfallenden „Abfällen“ kreativ nachzudenken. Kaffeesatz, beispielsweise, ist nämlich zudem ein wunderbarer stickstoffreicher Pflanzendünger, Geruchsneutralisierer und kann als Scheuermittel oder Peeling verwendet werden. 
Weitere Informationen: jihyojewellery.com

„Norigae“ – Glücksbringer aus ihrer Kollektion „Nol-ee“


Teilen auf:
Facebook