Smart und Fair

Von Babette Karner

Die Idee, ein fair produziertes Mobiltelefon auf dem Markt zu bringen, mutete 2013 ziemlich utopisch an. Doch es gelang: Inzwischen hat das niederländische Unternehmen Fairphone bereits erfolgreich das dritte Modell der Reihe auf den Markt gebracht.

2010 legt Bas van Abel mit einer Recherche-arbeit über den Handel mit Blutmineralien den Grundstein für sein im Januar 2013 gegründetes Unternehmen Fairphone. Seither haben sich Gründer und Firma dem idealistischen Ziel verschrieben, ein bezahlbares, funktionierendes und dabei fair produziertes Smartphone herzustellen. Es sollte nachhaltig, langlebig, leicht erweiter- und reparierbar und dabei so weit wie möglich fair und aus konfliktfreien Metallen produziert sein.

Nicht nur gerechtere Herstellungsbedingungen gehören von Anfang an zu den großen Herausforderungen bei der Entwicklung des Fairphones. Als äußerst kompliziert erweisen sich auch die komplexen Rohstoff-Lieferketten einer globalisierten Welt, so Bas van Abel 2016 in einem Interview: „Ein Smartphone ist keine Banane, sondern ein sehr komplexes Produkt aus 1200 Komponenten, produziert in Fabriken auf der ganzen Welt. Dazu kommen mehr als 40 verschiedene Mineralien: In die Herstellung eines Smartphones sind abertausende Akteure involviert.“

Verworrener Rohstoffhandel
Die Erforschung des Handels mit Blutmineralien für die gemeinnützige Waag Society, einem Forschungsinstitut in Amsterdam, hatte van Abel auf die Idee des Fairphones gebracht: „Ohne Zinn, Kobalt, Wolfram oder Tantal sind keine mikroelektronischen Bausteine möglich. Aber die Lieferwege aus den Minen zur weltweiten Verarbeitung sind verschlungen“, erläutert der 1977 in Nimwegen in den Niederlanden geborenen Designer, Elektroingenieur und Programmierer, „und wenn dann doch ein großer Hersteller auf den öffentlichen Druck reagiert und sich Rohstoffe etwa aus Australien besorgt, ist den afrikanischen Minenarbeitern auch nicht geholfen – all diese Zusammenhänge sind frustrierend und verworren.“ Heute werden für das Fairphone 3 – das neueste Modell, das seit Mitte 2019 erhältlich ist – unter anderem verantwortungsvoll und konfliktfrei gehandeltes Zinn und Wolfram, recyceltes Kupfer und Kunststoff sowie Fairtrade-Gold aus Uganda verbaut.

Zu siebt hat Bas van Abel 2013 sein Unternehmen gegründet – heute sind es mehr als 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Hauptsitz von Fairphone in Amsterdam nach wie vor die Idee fair produzierter und genutzter Elektronikgeräte vorantreiben, auf Missstände in der Herstellung von Elektronikartikeln hinweisen und versuchen, Lieferketten transparenter zu machen und Alternativen aufzuzeigen. Das allererste Fairphone kam 2013 auf den Markt, finanziert wurde es durch eine Crowdfunding-Kampagne. 5.000 Bestellungen hatte man sich zum Ziel gesetzt, eine Zahl, die schließlich um ein Vielfaches überschritten wurde. Insgesamt 60.000 Stück des Fairphone 1 wurden in den ersten eineinhalb Jahren verkauft.

2016 erscheint das Fairphone 2, das diesmal in Eigenregie in Amsterdam entworfen wurde. Alles, was beim Prototyp nicht richtig gelaufen war, sollte verbessert werden. Das Fairphone 2 ist zur Vermeidung von Elektroschrott in sieben Module aufgeteilt, die problemlose Reparaturen ermöglichen oder ausgetauscht werden können. Auch das Display des Fairphone 2 lässt sich ohne zusätzliches Werkzeug ersetzen.

„Schnickschnackfreies Handy“
2018 hat die bisherige Geschäftsführerin Eva Gouwens Gründer Bas van Abel als CEO von Fairphone abgelöst. Als Mitglied des 2017 gegründeten Aufsichtsrats kümmert sich van Abel seither um die strategische Ausrichtung des Unternehmens, wirkt aber auch weiterhin als Sprecher und Vertreter. Der Kritik, dass das Fairphone keine wirklich fairen Elemente enthielte und man für die Rohstoffe den Begriff „konfliktfrei“ keinesfalls mit „fair“ gleichsetzen könne, entgegnete Eva Gouwens bei der Vorstellung des Fairphone 3 im August 2019, dass das Unternehmen nicht behaupte, „zu 100 Prozent faire Smartphones herzustellen. Wir nennen das Fairphone 3 ein faireres Handy. Durch ihren Kauf können die Konsumenten die Entwicklung in Richtung einer faireren Produktion mitlenken.“

„No thrills smartphone“ – „schnickschnackfreies Handy“ ist das Prädikat, das der „Spiegel“ dem Fairphone 3 verliehen hat und genau das sind wohl alle Fairphones: Gute Mittelklasse-Handys, die man nicht unbedingt mit den Flagschiffen der großen Hersteller vergleichen sollte. Die inneren Werte des Fairphones liegen ganz woanders: Sein Prozessor mag vielleicht nicht ganz so schnell und seine Kamera nicht ganz so herausragend sein, dafür kann man sein Mobiltelefon aber tagtäglich mit einem etwas besseren Gewissen verwenden. Denn was die Nachhaltigkeit anbelangt, stehen die Produkte von Fairphone besser da als alle anderen Smartphones auf dem Markt.

Übrigens: Um auch der Allmacht und dem Data-Mining des Google-Konzerns zu entkommen, setzte Fairphone beim zweiten Modell neben dem vorinstallierten Android ein eigenes Betriebssystem ein: Das sogenannte Fairphone OS (Operating System, Anm.) kommt ganz ohne Google-Dienste aus, muss vom Benutzer aber manuell in-stalliert werden. Beim Fairphone 3 war ein Google-freies Betriebssystem zwar zunächst nicht mehr vorhanden, im April 2020 gab das Unternehmen aber bekannt, als Alternative zu Android das Open-Source-basierte Betriebssystem „/e/“ für das Fairphone 2 und 3 aufzunehmen. So haben Nutzer auch weiterhin die Möglichkeit, ihr Telefon ohne Google-Dienste zu verwenden.

fairphone.com/de


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