Umweltkolumne

Süßer Knebel

Für Palmöl brennen Regenwälder, wegen Palmöl verlieren Orang-Utans, Tiger und Elefanten ihre Heimat. Aber hat man als Süßigkeiten-Junkie eine Chance, ohne das billige Fett auszukommen? Kolumne von Gerlinde Pölsler

Zugegeben, beim Fleisch habe ich immer leicht schreiben. Von wegen „wir müssen unseren Fleischverbrauch reduzieren“, „mit unserer Gier nach Fleisch tragen wir dazu bei, dass Regenwald abgeholzt wird.“ Vor 35 Jahren habe ich mit dem Fleischessen aufgehört. Ich brauche es nicht, es ist kein Verzicht.

Meine Schwachstelle ist Schokolade. Kekse, Riegel, Lebkuchen, so Zeug. Casali Rum-Kokos sind verbannt, weil kalorientechnisch der Super-Gau, und einmal angefangen, schaltet sich das Hirn erst nach frühestens 20 Kugeln wieder zu, und das sehr zögerlich. Aber auch ohne die Rumbomben dezimiert mein Verhalten Regenwälder. Süße und salzige Snacks sind ohne Palmöl schwer zu kriegen.

Kürzlich haben die Umweltschutzorganisationen Greenpeace und TheTreeMap einen Report speziell für Indonesien herausgegeben. Fast ein Viertel des in Österreich konsumierten Palmöls stammt aus Indonesien. Eigens geschützte Waldgebiete sollen dort die Waldzerstörung stoppen. Doch bis Ende 2019 wurden schon mehr als drei Millionen Hektar dieser Schutzwälder zerstört – für illegale Palmölplantagen. Eine Fläche größer als ein Drittel Österreichs. Noch dazu tragen viele dort tätige Unternehmen laut Greenpeace das RSPO-Siegel für nachhaltigen Palmölanbau.

Für die vom Aussterben bedrohten Orang-Utans, Tiger und Elefanten ist es also noch enger geworden. Vom Sumatra-Tiger sind nur noch rund 600 Individuen am Leben. Elefanten geraten, wenn sie ihren Lebensraum verlieren, immer wieder in ernsthafte Konflikte mit Menschen, manche werden daraufhin getötet. Zu den Orang-Utans erklärt die gemeinnützige Stiftung PanEco in einem Video: „Heimatlos geworden verhungern sie, verbrennen oder werden getötet. Jungtiere, die den Tod ihrer Mutter überleben, werden verschleppt und auf dem Schwarzmarkt verkauft.“

Doch ich bin meiner Zuckersucht ausgeliefert. Der nächste Redaktionsschluss kommt und ist schokofrei nicht zu denken. Einmal habe ich ein Buch bestellt, das seine Leserinnen von Zuckerzeug unabhängig machen soll. Es ist ein schönes Buch, motzt das Kochbuchregal auf. Der Inhalt erschien mir jedoch zu radikal. Eher was für … später.

Freilich kann man beim Einkaufen die Inhaltslisten der Produkte lesen, Apps wie der „Codecheck“ beschleunigen die Sache, prüfen und bewerten die Inhaltsstoffe. Aber die palmölfreie Produktpalette bleibt überschaubar. Auch die Siegel für verantwortungsvollen Palmölanbau garantieren nicht, dass alles unbedenklich abläuft, siehe Indonesien. Ein “Keks-Check”, den die NGOs Global 2000 und Südwind durchführten, ergab, dass nur zwei von zehn Keksen kein Palmöl enthielten. Einige Ergebnisse waren unerwartet: So rangierte manche Diskont-Eigenmarke an der Spitze des Rankings, weil sie ganz ohne Palmöl auskam. Manch ein Biokeks schnitt dagegen bloß „okay“ ab.

Und Selberbacken? Eh, machen wir auch. Aber backen wir so viel, dass damit drei Zuckerabhängige plus ein moderater Nascher durch die Woche kämen? Nö.

Und die ökologisch vertretbare Backerei ist ja auch nicht ohne. Das Bemühen, möglichst wenige tierische Lebensmittel zu verwenden, führt flugs zur Margarine. Aber was enthalten die meisten Margarinen? Eben: Palmöl, im Schnitt ein Fünftel.

Überhaupt ist es nicht allein die Lösung, Palmöl einfach durch anderes Öl zu ersetzen. Besonders nicht durch tropische Öle, wie das der Kokospalme. Palmöl bringt im Vergleich zu anderen Ölfrüchten den höchsten Ertrag. Würden wir einfach das ganze Palmöl ersetzen, bräuchten wir noch viel mehr Anbauflächen. Und überhaupt: Auch für Kakao und Kaffee, Rohrzucker und Bananen gehen Tropenwälder, Savannen und sogar Naturschutzgebiete drauf.

Mist. Vielleicht muss ich doch das Tschüss-Zucker-Buch wieder vom Regal holen. Ganz auf Apfelkuchen mit regionalem Sonnenblumenöl und Obstsalat umsteigen (ohne Bananen).

Vielleicht hangelt man sich am besten einfach von Tag zu Tag. So wie es sehr entmutigend sein kann, sich vorzunehmen: „Ich esse nie mehr Käse“, so ist es auch beim Palmöl praktikabler zu sagen: „Heute jedenfalls esse ich etwas anderes.“

Am meisten hilft es, mir einen Orang-Utan vor mein inneres Auge zu holen. Fest schaut sie mich an, die „Person des Waldes“, das bedeutet ihr Name nämlich. Die braunen Augen, die zottelige Frisur. Die zu Berge stehenden Haarbüschel des Babys. Dann legen sich die bösen Waffeln fast von selber wieder zurück.


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