Vom Verbrauchen zum Gebrauchen

Katrin Huber-Heim. Foto: Sascha Gillen
Warum regenerative Kreislaufwirtschaft der Weg in die Zukunft ist
Unser Wirtschaftssystem steht vor einer entscheidenden Wende: Ressourcenknappheit, Klimawandel und wachsende Abfallberge erfordern ein radikales Umdenken. Die regenerative Kreislaufwirtschaft bietet eine vielversprechende Lösung, die weit über herkömmliche Nachhaltigkeitsansätze hinausgeht. Expertinnen und Experten sowie Städte wie Wien zeigen bereits, wie dieser Wandel gelingen kann. Von Karin Huber-Heim
Wohlstand bedeutet nicht automatisch Wohlbefinden. Unser Wirtschaftssystem basiert auf einem hohen Ressourcenverbrauch und steigenden Abfallmengen, was zu globalen Umweltproblemen führt. Die regenerative Kreislaufwirtschaft bietet eine nachhaltige Alternative, indem sie mineralische, fossile und biogene Kreisläufe intelligent kombiniert. Sie ermöglicht es, Ressourcen effizienter zu nutzen und wiederaufzubauen – ein wichtiger Schritt für eine umweltfreundliche und zukunftsorientierte Wirtschaft.
Seit Mitte des letzten Jahrhunderts haben westliche Industrieländer durch „lineares“ Wirtschaften (ein linearer Prozess vom Abbau von Rohstoffen über die Produktion und den Konsum zur schnellen Entsorgung) erheblichen Wohlstand geschaffen. Doch diese Praxis hat schwerwiegende Folgen: Bodendegradierung, Wasserknappheit, Verlust der biologischen Vielfalt und zunehmende Emissionen belasten die Umwelt massiv. Das ungebremste Wirtschaftswachstum hat unsere natürlichen Ressourcen an ihre Grenzen gebracht. Heute ist es an der Zeit, diesen verschwenderischen Umgang mit Rohstoffen durch eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft zu ersetzen.
Von Nachhaltigkeit zu Regeneration
Nachhaltigkeit bedeutet, Ressourcen zu bewahren und negative Auswirkungen zu minimieren. Doch das reicht nicht mehr aus. Die massiven Umweltbelastungen erfordern aktive Maßnahmen zur Regeneration geschädigter Ökosysteme. Regeneratives Wirtschaften fördert die Gesundung natürlicher Systeme, schafft neue Lebensräume und unterstützt die biologische Vielfalt. Unternehmen und Gesellschaft müssen über den Erhalt hinausdenken und aktiv zur Verbesserung beitragen. Nachhaltigkeit ist somit nicht nur ein Schlagwort, sondern ein dringend notwendiger Paradigmenwechsel.
Moderne Kreislaufwirtschaft ist regenerativ
Die regenerative Kreislaufwirtschaft verbraucht möglichst wenige Ressourcen und vermeidet Umweltbelastungen. Materialien werden langlebig gestaltet, wiederverwendet und recycelt. Der Fokus liegt auf intensivierter Nutzung und neuen Geschäftsmodellen, die auf Service statt Besitz setzen. Unternehmen profitieren durch Kosteneinsparungen, während den Gebraucherinnen und Gebrauchern hochwertige Produkte zugänglich gemacht werden. So entstehen innovative Lösungen für Produktion und Konsum, die eine langfristige Wertschöpfung ermöglichen und eine resiliente Wirtschaft fördern.
Von der linearen zur regenerativen Kreislaufwirtschaft
Das traditionelle Modell „Nehmen, Nutzen, Wegwerfen“ stößt heute an seine Grenzen: Ressourcenknappheit, Klimawandel und politische Unsicherheiten erfordern ein Umdenken. Die regenerative Kreislaufwirtschaft orientiert sich an natürlichen Prinzipien: Alles hat Wert, nichts wird verschwendet. Materialien werden so gestaltet, dass sie repariert, wiederverwendet und recycelt werden können. Dies trägt zur Reduktion von Abfällen und Emissionen bei und verlängert die Lebensdauer wertvoller Ressourcen erheblich.

Materialien werden so gestaltet, dass sie repariert, wiederverwendet und recycelt werden können.
Innovative Geschäftsmodelle
Von Sharing-Plattformen über Reparatur-services bis hin zu recycelbaren Materialien in der Bauwirtschaft – regenerative Ansätze sind bereits praxiserprobt. Besonders in der Landwirtschaft führen regenerative Methoden zur Bodenverbesserung und CO2-Bindung. Unternehmen profitieren von nachhaltigen Prozessen, die langfristig Ressourcen schonen und wirtschaftliche Vorteile bieten. Solche innovativen Geschäftsmodelle zeigen, wie wirtschaftlicher Erfolg und ökologische Verantwortung Hand in Hand gehen können.
Die Rolle der EU und Österreichs Strategie
Die EU setzt mit ihrer Kreislaufwirtschaftsstrategie klare Rahmenbedingungen für die Transformation. Österreich verfolgt diese Ziele mit einer nationalen Strategie seit 2022 und setzt auf Innovation und Zusammenarbeit. Unternehmen erhalten Unterstützung bei der Umstellung auf kreislauforientierte Geschäftsmodelle, wodurch neue Märkte und wirtschaftliche Chancen entstehen. Gleichzeitig verbessert sich auch die ökologische Bilanz des Landes. Die Förderung von Forschung und Entwicklung spielt dabei eine Schlüsselrolle.
Die Stadt Wien als Vorreiterin
Wien verfolgt eine sektorenübergreifende Kreislaufwirtschaftsstrategie der Bereiche Klima, Gesundheit, Wirtschaft und Bau. Regionale Kreislaufprojekte verbessern nicht nur die Umweltbilanz, sondern stärken auch den sozialen Zusammenhalt. Die Stadt setzt dazu auf innovative Konzepte, um Ressourcen effizienter zu nutzen und eine lebenswerte Umgebung für kommende Generationen zu schaffen. Wien dient damit als Modellstadt für nachhaltige urbane Transformation.
Bildung und Forschung als Schlüssel
Die Fachhochschule des BFI Wien leistet mit ihrer Stadt Wien Stiftungsprofessur für Kreislaufwirtschaft und transformative Geschäftsmodelle einen wichtigen Beitrag zur Ausbildung neuer Fachkräfte. Wissenschaft und Praxis arbeiten hier eng zusammen, um innovative Lösungsansätze zu entwickeln. Bildung spielt eine entscheidende Rolle bei der Förderung nachhaltiger Denkweisen und wirtschaftlicher Transformation. Zukünftige Generationen müssen für die Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft gerüstet sein.
Karin Huber-Heim hat die Stadt Wien Stiftungsprofessur für Kreislaufwirtschaft und transformative Geschäftsmodelle an der Fachhochschule des BFI Wien inne und leitet die österreichische „Taskforce Circular Economy“.